Einleitende Worte

Dieser mit „Wortsalat“ betitelte Aufsatz benötigt einige Wortakrobatik, kann ich sagen, um mit dem Thema inhaltlich fertig zu werden, zum Punkt zu kommen – nicht nur am jeweiligen Satzende, sondern insgesamt. Als Künstler ringe ich drum und hoffe, nicht abzustürzen vom Hochseil der längsten Sätze, die ich doch zu meistern probiere! Von einem Gedanken zum nächsten möchte ich gelangen wie die Wagemutigen, die zwischen den Wolkenkratzern kraxeln.

„Am Anfang war das Wort“, heißt es bekanntlich in der Bibel. Mit Worten lässt sich trefflich spielen. Die Fähigkeit zu sprechen, das Wissen schließlich festzuhalten, generationsweise weiterzugeben, bildet die Basis unserer Geschichte. Viele glauben, selbst kein Tier zu sein? Die Kunst ist menschlich. Malen und Schreiben setzen einen Anfangspunkt unserer Existenz. Der Intellekt, seine Ausdrucksformen, die Notizen ermöglichten den Aufbau der Zivilisation, die Gegenwart, den Fortschritt. Von der Tierwelt unterscheidet uns, diese als solche zu bezeichnen, etwa ein „Brehms Tierleben“ zu drucken. Das Geschriebene bleibt. Es kann erweitert werden. So auch hier, meine Arbeitsweise ist Flickwerk. Ich ergänze, schreibe um, wenn’s bereits online steht, spinne ein langes Garn.

Schreiben folgt aufs Denken: Was einer zu sagen hat, sagen möchte, kann sich schwierig gestalten hinzubekommen. Eine perfekte Übung kommt dabei selten heraus. Sprechen und Denken sind verwandte Anwendungen unseres Gehirns. Wir lernen, das zu tun, uns selbst zu verwenden, nicht nur durch eigenes Probieren, sondern vieles von anderen, den Eltern. Jedenfalls bringt die Umgebung uns bei, wie man’s macht zu sprechen, und das färbt unser Denken ein. Es gibt leider nicht wenige, die sich in der Folge ihrer Erziehung bis ins Erwachsenenalter hinein nicht davon abgrenzen können, wie etwas gesagt, geraten oder befohlen wurde.

Ich möchte mich nicht über meine Mitmenschen erheben, wenn ich so etwas hinschreibe. Ich bin selbst derjenige, dem die Befreiung von Fremdbestimmung schwer fällt. Das gelingt niemandem vollständig. Autonomes Denken von morgens bis abends wäre ein Ideal und ist deswegen nicht erreichbar. Einer besten Verhaltensweise kann man sich aber gerade aus diesem Grund annähern, weil man sie, als solche exakt definiert, schließlich erkennen kann. Dabei muss ja zunächst berücksichtigt werden, was uns die nötige Anregung bedeutet, damit wir vernünftigerweise auf Kritik reagieren und wo andererseits eine Grenze zu ziehen notwendig ist. Letztlich gilt es, den eigenen Reifeprozess (ein Wort, das antiqiert daherzukommen scheint, aber doch trifft) zu beleben. Insofern sind die Begriffe Klugheit und Intelligenz geeignet, den delikaten Unterschied sichtbar zu machen, der uns nützt. Von intelligenten Menschen, die sich unklug verhalten, kann man erwarten, dass sie’s irgendwann bemerken.

Vergleichsweise unreife Menschen übernehmen es weiter, Anweisungen zu folgen selbst dann, wenn es ihnen nicht gut tut oder die Freiheit bestünde, alternativ zu handeln. Das auch, wenn tatsächlich aktuell niemand zu ihnen spricht. Die innere Stimme ist eine fremde? Automatismus beherrscht manche Logik, und das ist mehr als eine schlechte Angewohnheit. Unselbstständige bleiben ferngesteuerte Befehlsempfänger und erledigen alles im Zwang. Die psychische Gesundheit hängt davon ab, innerlich frei zu sein.

Das Denken geschieht dem Menschen. Es passiert unweigerlich. Hier ist nicht der Wille maßgeblich, sondern zunächst ein sich selbst Zuhören erforderlich. Auf viele Gedanken erfolgt unmittelbar auch eine Aktion parallel zur Überlegung. Automatisierte Abläufe kennzeichnen effizientes Handeln. Nichtstun heißt nun aber nicht, dabei nicht ebenfalls zu denken. Man denkt „nach“, heißt es, plant oder probiert abzuschalten. So erkennt der Erwachsene Möglichkeiten, wie er dem Fluss seiner Gedanken eine bewusste Richtung gibt. Erwachsensein heißt in diesem Sinne, das Selbst zu erkennen und individuelle Entscheidungen aus der Erfahrung des früher Erlebten logisch anzubahnen. Denken (und also den Intellekt zu nutzen), bedeutet die Begriffe, Worte, die auch gesprochene Anweisungen an sich selbst oder Reflexionen der Umgebungswahrnehmung sind, zu registrieren, innere Formulierungen im Handeln zum eigenen Besten zu forcieren. Das zu tun, klappt mal mehr, mal weniger gut und kennzeichnet den intelligenten Menschen wie den einfältigen als solchen. Andere bewerten, was jemand offensichtlich auf den Weg bringt und wie seine Motive gewesen sein mögen.

Intellekt kann durch Sprache vermittelt werden. Menschen tauschen sich untereinander aus durch das gesprochene Wort und ihre Schrift. Unsere Wirklichkeitsauffassung kann verbalisiert werden. Die gespürten Gefühle können durch Beschreibungen auch anderen Menschen übermittelt werden, weil das, was allen typisch ist, durch unser umfangreiches Vokabular definierbar ist. Sich selbst wahrzunehmen, ist eine Kombination aus Denken und Fühlen. Der direkte Weg, beispielsweise ein Frösteln zu bemerken mit der unmittelbaren Folge, die noch offene Jacke mittels Reißverschluss oder Knöpfen zu schließen, kann durch den Gedanken „mir ist kalt“ begleitet werden, wie das in Gesellschaft die dazugehörende Kommunikation sein dürfte. Man geht zusammen einen Weg und spricht die Überlegung aus, während man seine Kleidung dem Gefühl „kalt“ anpasst. Dies könnte eine Reaktion hervorrufen. Der Mitlaufende empfindet anders und reagiert erstaunt:

„Was hast du nur? Die Sonne scheint so schön.“

„Aber der Wind ist frisch.“

Nach einigen hundert Metern macht der Partner Anstalten zuzugeben, dass auch ihn inzwischen umtreibt, sich aufwärmen zu wollen; jeder kennt so etwas. Die eigene Körperwahrnehmung ist einerseits eine individuelle und andererseits die von allgemeinen Abwägungen beeinflusste Erfahrung. Bestenfalls haben wir direkten Zugang zu unseren Gefühlen und den nötigen Bedürfnissen, fordern sie ein, gestehen sie uns selbst zu. Wer auf die Toilette muss, wird sich in der Regel nicht scheuen, in Gesellschaft drum zu bitten, eine gemeinsame Beschäftigung kurz zu unterbrechen. Auf das Klo geht man allein. Die Nahrungsaufnahme hingegen ist auch ein soziales Event. Essen dient natürlicherweise der Ernährung und ist ein Grundbedürfnis. Man bekommt Hunger, isst, bis man satt ist. Beim gemeinschaftlichen Essen vermischen sich persönliche Bedürfnisse mit soziologischen Aspekten. Es kommt vor, man wird gebeten, dabei zu sein, mit anderen ein Restaurant aufzusuchen. Die emotionale Reaktion kann zwiespältig ausfallen. Vor dem gedachten Hintergrund: „Habe ich überhaupt Hunger und entsprechend Lust darauf?“ entwickelt sich die Antwort. Ein innerer Dialog geht der Entscheidungsfindung voraus: „Wann habe ich gefrühstückt und genauer, wie viel habe ich also vor wie langer Zeit gegessen?“ Denken ist das Ergebnis unseres Erlebens und Fühlens in der Beziehung zum Drumherum. Nicht selten dürften gesellschaftliche Aspekte die Frage nach dem natürlichen Hungergefühl, und was mir also gut tun würde, auch verzerren. „Ich sollte mit den anderen mitgehen. Es ist ein spontanes Geschäftsessen. Meine Zukunft in der Firma hängt davon ab. Ich werde so tun, als ob es mir schmeckt usw.“

# Begriffe kürzen ab, vereinfachen das Denken

Freiheit ist ein Begriff und insofern kann dieser wie jeder Terminus individuell besetzt sein. Die wesentliche Eigenschaft ist Wahlfreiheit. Nicht nur auf die Demokratie bezogen, heißt das, sich selbst zu genügen, abzuwägen, innezuhalten und Alternativen zu bedenken, neue Einfälle vor einer Handlung erst zu entwickeln. Es bedeutet, einen begonnenen Vorgang gegebenenfalls auch abzubrechen, umzukehren und sich letztlich doch nicht zu verzetteln bei aller Vielfalt der Möglichkeiten. Dazu möchte ich einen Kalauer geben, der von einer banalen Schwierigkeit berichtet. Die intellektuelle Grenzziehung kann ein Problem des Menschen sein. Worte schaffen eine eigene Realität. Ich kannte die Geschichte nicht und habe sie gerade erst gehört. Die kleine Ironie passt ganz wunderbar als Einleitung in dieses Wortgemälde. Eine Bekanntschaft hat mir die Anekdote erzählt mit der kleinen Beichte, dass sie den Witz schon in der Jugend kannte, aber damals nicht verstanden habe.

Ein Mann kommt zum Bauern, sucht Arbeit. Der Landwirt führt den in eine große Halle voller Kartoffeln: „Die müssen sortiert werden, große, mittlere und kleine.“ „Das kann ich wohl machen“, sagt der Arbeitssuchende freudig, und der Bauer lässt ihn eine Zeit lang allein mit der Aufgabe. Später schaut er nach, wie das voran geht. Er ist erstaunt. Der neue Angestellte hat nichts geschafft! Der junge Mann sitzt weinend vor dem Berg mit Kartoffeln.

„Ich kann das nicht. Was sind mittlere? Was sind große, kleine Kartoffeln? Es geht nicht.“

„Eine Rose ist eine Rose“ (Gertrude Stein), kommt dem in den Sinn, der diesen Unfug begreift! Eine rote Rose, eine „duftende“, das mag noch genügend beschreiben, was gesagt werden soll. Was ist eine kleine Rose? Oder, ich erinnere in diesem Zusammenhang, der Publizist und Verhaltenstrainer Moshé Feldenkrais regte sich auf in einer Runde mit Psychologen, so wird es in einem Buch erzählt: „Wir reden hier seit geraumer Zeit über den „Minderwertigkeitskomplex“, aber der Träger dieser Bezeichnung wurde noch nie erwähnt. Wer ist derjenige? Vielleicht hat er ja einen Grund für seine Befindlichkeit. Hat der Mann einen kleinen Penis?“

Was ein Komplex ist, habe ich Google gefragt: „Ein Komplex stellt einen zusammenfassenden Oberbegriff für eine Ansammlung verschiedener Dinge unter einem bestimmten Gesichtspunkt dar“, steht dort neben anderen Einträgen als Definition. Ein Wort wird zum Instrument für den, der damit nicht nur denken möchte, sondern arbeiten will. Eine Grippe ist eine Grippe, eine Krankheit eine Krankheit, und was ist eine psychische Krankheit? Um dergleichen zu benennen, diagnostizieren, sollte man den Witz mit den Kartoffeln gedanklich durcharbeiten, bevor man beginnt. Wo endet die Zuschreibung, beginnt die tatsächliche Erkrankung, die einer Behandlung bedarf, und wer entscheidet darüber, muss sich fragen, wer sich zum Helfenden aufschwingt.

Die Psychologie hat manche Blüte getrieben seit Freud. Helfer sind besser geworden. Verglichen mit der richtigen Medizin, bleiben Psychiater aber weiter die Spezies der Weißkittel, die man gern mal verspottet. Das liegt wohl daran, dass die Absicht zu helfen noch nicht bedeutet, dass verzwickte Probleme auch ihre Lösung erfahren durch den bloßen Wunsch. Mehr als jede andere Fakultät läuft die Psychologie Gefahr, auf Begrifflichkeiten hereinzufallen und den Menschen dabei zu übersehen. Wir erklären manche zu Patienten, während es andere gibt, die beileibe nicht normal sind aber eben unauffällig. Was ein Täter ist, mag durch den ihm zugeschriebenen Sachverhalt, für den er sich zu verantworten hat, klar sein. Die Tat ist Geschichte. Schauen wir nach vorn: Was ist ein Gefährder? Die Justiz will wissen und urteilen, was kommen könnte und setzt vorab entsprechende Maßregelung an. Das sind Bewertungen und nur projizierte Realitäten. Der bundesweit bekannte Fall Mollath zeigt, wie weit dergleichen gehen kann. Ein nicht schuldfähiger Täter wird zum Patienten. Das geschieht, obwohl die angeordnete Therapie künftige Taten oft nicht verhindert. Schuldfähigkeit ist eine Einschätzung, nicht mehr. Hier werden Gutachten zu Rate gezogen von Fachleuten, die ihr Gebiet nur moderieren aber nicht verstehen.

Seitdem sich beispielsweise die Unart breit gemacht hat, von aufgestauten Gefühlen zu reden, kämpfen manche gegen diese Sprachpanscherei an. Ein Gefühl kann mit einem Wort beschrieben und real empfunden werden, es bleibt ein subjektives Empfinden. Da ist immer ein Mensch, der fühlt. Gefühle sind keine Sachen. Sie lagern nirgens oder könnten lose gehandelt werden, untereinander getauscht: „Ich gebe dir fünf Pfund Traurigkeit und bekomme einen Eimer voll Glück.“ Emotionen ergeben sich aus dem Verhalten. Sie sind weder statisch noch dinglich und an die Situation sowie die Geschichte der Handelnden gebunden. Da sind keine Lagerräume im Gehirn, die durch Staudämme geschützte Emotionen zurückhalten. Die Intensität eines Gefühls ist untrennbar vom individuellen Erleben im Hier und Jetzt. Jede Vielfalt der menschlichen Gefühlswelt ist geprägt von mancherlei Faktoren unserer Geschichte und kann nicht verglichen werden mit Gütern in Regalen, nach Körnigkeit und Gewicht sortiert.

Das Gedächtnis ist so wenig real wie eine Laune. Wir haben nur ungefähren Zugriff drauf und können nicht die Erinnerung von einem zum anderen Menschen übertragen, wie wir etwa eine Festplatte kopieren und auf ein fremdes Gerät überspielen. Das Gehirn immerhin ist der Ort, an dem ein Mensch seine Handlungen vorbereitet. Gute Forschung sollte nicht umgangssprachliche Gewohnheiten mit belastbaren Ansätzen mischen, wenn wir Fortschritt möchten. Verhaltensweisen dürften mehr sein als Programme. Wir mögen Hassgedanken pflegen und solche irgendwann Tat werden lassen, das bleiben intellektuelle Beschreibungen. Bloße Annahmen wie greifbar, bis zur Stofflichkeit fassbar weiterzudenken und darauf aufbauend Zukünftiges abzuleiten, wird zu fatalen Fehleinschätzungen führen. Das ist keine Polizeiarbeit, das ist Orwell: Jemanden zu Hause belauschen und aus dessen Flüchen (die dieser meint für sich im geschützen Heim auszusprechen), rauslesen zu wollen, was so einer morgen tut, führt dazu, die Gesellschaft insgesamt zu kriminalisieren und dass diese neurotisch zurückschlägt.

Sich einmischen zum Selbstzweck, benötigt keine menschliche Qualität oder das Erlernen von Fertigkeiten. Und doch wollen tumbe Tröpfe bewerten, was normal sei oder umgekehrt krank und demzufolge eine Gefahr für die Gesellschaft bedeutet? Ganze Apparate kommen in Fahrt. Sie arbeiten mit Vermutungen und nennen es Gutachten. Schlechtes tun und dieses gut nennen, macht noch keine Ordnungskraft, sondern bedeutet, eine Kultur zu zersetzen. Wie will ein seiner Natur nach geistig verkümmerter Bulle begreifen, was für einen Künstler normales Verhalten ist? Ich habe mal gelesen, dass Chaplin eine Szene hunderte Male drehte, bis er zufrieden war. Das ist die mit dem blinden Blumenmädchen, wo er, der Tramp durch die Autos krabbelt, quer durch den ganzen Verkehr. Sie denkt, er sei Millionär, weil sie, blind, nur das Schließen der letzten einer Reihe von Autotüren hört, die er dabei aufmacht und wieder zu schlägt, als er sich durch die wartenden Wagen windet über die Insassen hinweg. Es ist zufällig die eines Luxuswagens. So eine Tür schließt mit sattem Klang. Sich das für einen Stummfilm auszudenken und filmisch umzusetzen, bedeutet die nötige Genialität mitzubringen. Jemanden heimlich auszuspähen, dafür genügt heute das Hirn eines Einzellers, und eine perfide Logik gesellt sich dazu, sich’s zu erlauben.

Chaplin gilt als ein Opfer der McCarthy-Ära.

Die allerdings hat nie aufgehört.

In der Migrations- und Gefährderdebatte wird sichtbar, welche Dynamik blinde Zuschreibungen bekommen. Es ist nicht neu, dass der Mensch sich mit seinen ausgedachten Konstruktionen herumschlägt. Wir möchten abkürzen und erfinden ein Wort. Das führt nicht selten dazu, dass wir annehmen, etwas wäre so oder so, obwohl die Sache tatsächlich komplizierter ist. Grimms Märchen „Tischlein deck dich“ kommt mir in den Sinn. Manchmal wünschen wir uns eine smarte Rache für erlittenes Ungemach.

Hier ist eine Textstelle.

Zitat:

„Als der Drechsler nun ausgelernt hatte, so schenkte ihm sein Meister, weil er so fleißig und gut gearbeitet hatte, einen Sack und sagte: ‚Es liegt ein Knüppel darin.‘ ‚Den Sack kann ich umhängen, und er kann mir gute Dienste leisten, aber was soll der Knüppel darin? Der macht ihn nur schwer.ʽ Darauf antwortete der Meister: ‚Hat dir jemand etwas zuleide getan, so sprich nur: ‚Knüppel, aus dem Sack!‘ So springt dir der Knüppel heraus unter die Leute und tanzt ihnen so lustig auf dem Rücken herum, dass sie sich acht Tage lang nicht regen und bewegen können. Und er hört nicht eher auf, als bis du sagst: ‚Knüppel, in den Sack.‘“ (Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm, KHM 36).

Zitat Ende.

Wundersame Prosa, die nebenbei deutlich macht, was Gewalt gerade nicht ist. Einen Sack voller Gewalt, den wir wo lagern können, gibt es genau so wenig wie Aggressionen, die hinter einer Mauer liegen. Da ist kein Staudamm, der bricht, kein Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Das sind Märchen. Es sind sprachliche Blüten. Diese von der Realität unterscheiden zu können, macht den Einzelnen stark gegenüber einer einfältigen Masse, die unbedarft damit umgeht. Das ist ein immer modernes Thema.

# Die Wucht in Tüten!

Kein Sack; eine Papiertüte will das Gegenteil einer solchen Abrechnung wie im Märchen sein und eine Mahnung: „Gewalt kommt nicht in die Tüte“ lautet der Slogan einer wiederkehrenden Aktion der Bäckereien. Man nutzt die Brötchentüte als bedruckbare Fläche, kann so die Telefonnummer einer Hilfestelle publizieren. Eine gute Sache ohne Frage. Aber auch das Wort „Gewalt“ macht nur Sinn anzuwenden, wenn die an einer Attacke Beteiligten Berücksichtigung finden. Man kann Gewalt beklagen, aber nicht abschaffen. Gewalt ist nicht möglich ohne denjenigen, der diese ausübt. Der Täter hat ein Motiv für seine Wut. Eine von oben herab gesprochene Bewertung „geht gar nicht“, wird kaum nützen. Wenn Geschädigte wissen, wo sie Hilfe bekommen, ist das großartig. Das darf uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass weiter Menschen Opfer von Gewalt werden und sollte nachdenklich machen, wie unbedarft wir das Wort verwenden. Es gibt die Möglichkeit zu lügen, zu schlagen und manche menschliche Verhaltensweise. Auch die Dummheit kann nicht abgeschafft werden. Manche Eitelkeit ist menschlich und wird bleiben. Was möglich ist, kann passieren. Umgekehrt und im Namen einer guten Idee geschehen nicht selten menschenverachtende Aktionen. Das sollte uns darauf aufmerksam machen, dass gute Regeln aufzustellen noch nicht heißt, selbst Gutes zu tun. Das verbale Brandmarken von Gewalt nützt einzig der Eitelkeit von Menschen, die Phrasen verbreiten: Polizei spielen, heißt ja nicht Polizei sein. Die moderne Bürgerwehr formt sich mittels ihrer sozialen Netze zum rufmordenden Mob. Solches Gebaren legt die Lunte Lynchjustiz. Es entzündet einen Brand erst richtig, um sich damit zu brüsten, noch rechtzeitig vor Ort zu löschen. Menschen meinen (von einer höheren Warte aus), sich das Recht nehmen zu dürfen, andere zu manipulieren. Sie behaupten sogar, altruistisch zu sein. Ein Zwang, sich einzumischen, ist ihre tatsächliche soziale Macke. Sie sind proaktiv und so die eigentlichen Täter. Wehe dem, der ins Schussfeld solcher Retter gerät. Dergleichen an sich abgleiten zu lassen, erfordert Geschick. 

Malen hilft. Eine nicht ganz einfache Beschäftigung für sich allein auszuprobieren, erfüllt und erforscht unsere Lebenswirklichkeit bis ins Innerste. Dergleichen belebt die Umgebung (wenn ein Werk veröffentlicht, weitergegeben wird) viel besser. Kunst nützt der Gesellschaft unprätentiös, nebenbei. Das ist mehr, als anderen das Wort aufzuzwingen und ihnen damit vermeintlich helfen zu wollen. Eine Kunstfertigkeit zur Beschäftigung zu machen, gibt den nötigen Katalysator, lässt die persönliche Sicht zu und brandmarkt die eigene Meinung nicht als eine, die ja nicht objektiv sei, weil der Schaffende Individualität einbringt. Der Vorteil besteht darin, man zwingt sich nicht verallgemeinernd auf, gibt ehrlicherweise zu, wofür man steht, schleicht sich nicht an wie ein Kommissar, psychologischer Detektiv, der eigentlich die eigene Karriere belebt, sein Ego, das aber verbergen möchte, es womöglich nicht einmal von sich weiß, dass dies sein eigentlicher Antrieb ist. Typische Helfer, Ratgeber wissen nichts mit sich anzufangen und verpassen das eigene Leben. Sie machen ihre Martinshörner lauter, operieren den Krebs, liefern Waffen den Angegriffenen, ermitteln verdeckt, sind grün, rot oder vegan. Menschen stochern rum und richten tatsächlich jede Menge Schaden an. Sie halten sich für gut. Es sind arme Schweine. Der Intellekt hält Leute gefangen, die das gar nicht bemerken. Dabei ist zu leben so viel mehr.

Das Denken in Worten können Kreative um eines in Bildern und Emotionen bereichern. Damit dürften manche Missverständnisse insofern ausgeräumt werden, als dass wenigstens einem selbst klar wird, wie’s gemeint ist, was gerade abgeht. Man redet in Gesellschaft nicht selten aneinander vorbei. Die eigenen Befindlichkeiten müssen aber deutlich erkennbar sein. Das ist eine Bedingung für unsere allgemeine Gesundheit. Wer nichts merkt, wird krank. Jeder kann seine persönliche innere Sprache erproben, mit der das eigene System individuell handlungsfähig bleibt. Sonst ist man bloß der Hampelmann des Zeugs, das allgemein geplappert wird.

Wir können eine Sache weiterdenken und werden es ohnehin tun, wenn es uns angeht. Wir können gar nicht anders, als einige Informationen zu kombinieren, wenn diese so eine neue Logik bekommen. Unsere Wirklichkeitsauffassung ist das Ergebnis von Kommunikation. Viele etwa waren nie in Russland und haben dennoch eine Vorstellung davon, was es bedeuten könnte, dort zu leben. Das sind Spekulationen aufgrund von dem, was einer bloß meint zu wissen, und so ist es oft. Vieles lässt sich nicht nachprüfen, scheint auch der Mühe nicht wert. Die Fähigkeit, ein inneres Bild zu entwickeln, hat Einstein dazu gebracht, die Relativitätstheorie durchzudenken, bis er diese zu Papier bringen konnte. Er fing erst an, das Ganze aufzuschreiben, als er sich darüber im Klaren war, was er meinte. So wird überliefert, wie er seiner Frau gesagt haben soll:

„Ich habe eine ganz wunderbare Idee. Jetzt bleibt nur die Mühe, alles noch genau hinzuschreiben.“

Worte lassen sich zu Sätzen in einem Text oder in Gedanken schon mal zu langen Ketten kombinieren. Da kommt eins zum anderen. Es nützt dem Kommissar, seinen Fall zu lösen, wenn er kreativ denkt. Eine Hypothese kann auf ihre Richtigkeit hin geprüft werden. Menschen denken aber auch krudes Zeug zusammen, und nur ein Gesunder ist in der Lage, absurde Verschwörungen nicht allzu lange weiter zu verfolgen. Manche liegen nachts wach im Bett, können nicht einschlafen, weil sie was umtreibt. Hypothetische Ängste sind nicht selten. Wir spielen mit Begriffen, der Logik von mancher Kombination aus nur gedachten Worten und entwickeln dabei eine ganze Welt. Diese Umgebung ist eine Fiktion und dient wie eine Seekarte dem Kapitän bei seiner Fahrt durch schwierige Gewässer. Schafft der Seemann die Durchfahrt einer Meerenge, zeigt ihm seine Karte alle vermerkten Riffe, die er nicht gerammt hat. Dazu mögen einige große Steine kommen, die bislang niemand in die Karte hinein eingetragen hat als gefährlich, weil man diese übersehen hat. Die Sache ging gut, weil ein aller Voraussicht nach sicherer Kurs geplant abgefahren wurde. Unser alltägliches Navigieren im Leben, wenn man es mit so einer Seefahrt vergleicht, folgt in der Regel einer noch nicht einmal ausgedruckten Skizze. Wie gut unsere Annahmen letzlich sind, prüfen wir, wenn der Alltagstrott gewohnt geschieht, nicht nach (wie ein solcher Kapitän, der erfolgreich das freie Meer erreichte).

Man kann als Autor wohl zugeben, woher man sein Zeug hat, und das mit dem Kapitän findet sich irgendwo bei Paul Watzlawick. Als Segler kann ich durchaus noch Eigenes beisteuern. Wir waren vor Jahren mit unseren Jollen (nordwestlich von Lohals war das, glaube ich), unterwegs. Es war so flau und noch früh am Tag, als Katrin und ich fanden, da läge doch dieses unbezeichnete Eiland – eine kleine Sandbank scheinbar – in der Sonne bloß, und man könne zum Baden kurz die Reise unterbrechen. Wir änderten unseren Kurs, und der befreundete Kapitän H. folgte uns mit seinem Boot gern. Wir waren schon nah herangekommen an den verlockenden Sandhaufen mitten im Meer, als Piet irgendwas rüber rief. Es klang wie: „Ich will da nicht hin, Johnny! Da gibt es tote Schweine.“ Er wendete, und dann gaben auch wir es auf. Peter mochte etwas in der Karte gefunden haben, das entsetzte? Vielleicht hatte er das Hafenhandbuch rausgekramt und eine entsprechende Textstelle mit einer Warnung entdeckt.

Tote Schweine.

Als wir uns wieder einander annäherten, klärte sich das Missverständnis. Er hatte gemeint, die Karte zeigte es, es gäbe „große Steine“, also genau solche verstreuten Unterwasserriffe, die man unvermittelt rammt. Direkt nebenan ist das Wasser tief genug. So genau weiß einer ja nicht, der mit seiner Jolle durch die (hier nur gut einen Meter tiefe) Ostsee gleitet, wo exakt – relativ zu den mit den Augen erkennbaren Landmarken – das Schiff gerade segelt. Wir navigieren einigermaßen unbedarft, so viel kann man als Elbsegler zugeben, der sommers mal nach Dänemark schippert.

Auch, der Kapitän Hornblower ist ein fiktiver Charakter von C. S. Forester und muss im Buch seine „Atropos“ in finsterer Nacht aus einer derartigen Bucht segeln, wie etwa bei Watzlawick beschrieben, die zwei Ausfahrten hat. Eine gute und eine schlechte Route stehen zur Wahl, die eine mit Seezeichen bekannt, die andere durch Riffe quasi vermint und verzwickt gewunden für einen, der da rauskreuzen möchte bei schwachen Winden im Dunkeln. Der Wagemutige entscheidet sich für diejenige, von der er als britischer Seeman in dieser Mittelmeergegend keine Karte hat, bzw. eine, die davor warnt, es auf dieser bösen Seite überhaupt zu probieren. Taktische Überlegungen sind der Grund für solches Abenteuer.

Natürlich gelingt es im Roman.

Wir spinnen nicht, meinen wir, und halten uns doch fest an unseren Gedanken, die wir nicht selten verwechseln mit einer Realität, die insgesamt tatsächlich keiner kennt. Weil wir mit Hypothesen operieren, spielt die Qualität der in diese Buchstabensuppe hinein gegebenen Gemüse eine Rolle, ob uns schmeckt, was wir zusammenköcheln. Die anderen selektieren übermittelte Informationen, und einige sagen bewusst die Wahrheit nicht, die sie uns aus mancherlei Gründen vorenthalten mögen. Ehrlichkeit von der Gesellschaft einzufordern, ist nicht selten reines Wunschdenken. Dazu kommt, dass manche von Ängsten Getriebene sind, die sich absichern wie der Mann, der zum Gürtel seiner Hose noch zusätzlich Hosenträger angelegt hat. Unsere Fantasie treibt Blüten. Da wachsen geistige Pflanzen auf der Gehirnrinde. Was davon nur Unkraut ist, muss individuell entschieden werden.

# Worthülsen, könnte man sagen …

… blähen unsere Sprache auf wie Bohnen, Hülsenfrüchte eben den Darm weiten. Und dann kommt’s raus. Schweigen ist Gold, wäre besser gewesen, aber wer hält schon die Klappe, der Wichtiges zu wissen meint? An dieser Stelle scheint mir eine kleine Liste widersprüchlicher Formulierungen angebracht, die man nicht einfach schlucken sollte, bloß weil sie sich im Sprachgebrauch breit gemacht haben. Verdeckter Müll, kriminelle, falsche Polizisten, vermeintlich gute Ausdrücke sind unterwegs, machen sich breit, umgarnen unser Hirn. Sie vermehren sich wie Karnickel, die neuen Worte. Klimaziele, grüner Wasserstoff, das passt schon, alles gut. Sehr, sehr gerne reden wir. Studierende, Radfahrende und Anwohnende und mehr davon, nicht Fisch nicht Fleisch, queer ins Beet sprießt der neue Kram. Wir kultivieren Unkraut, sind noch stolz darauf. Und dann wird man’s nicht mehr los. Aber auch die etablierten Pfosten unseres Verstandes: Liebe, Gut und Böse, es zieht uns den Boden weg unter den Füßen, wenn ein Wort nicht hält, was es verspricht. Ein altes Übel, was der Mensch nicht versteht, nennt er Gott. „Das Unbeschreibliche, hier ist’s getan“, Goethe, ein Spruch für die Toilette kann das heute sein. Man druckt es aus, klebt es dran, drückt was ab. Klappe zu, Affe tot.

Was ist ein Freund, ein guter Mensch, was ist eine Reform?

Es ist wie mit den Verkehrszeichen. Der Straßenverkehr sei durch den üppig angewachsenen Schilderwald überfrachtet, meinen Fachleute, die dazu geforscht haben. Auch die Steuererklärung und überhaupt die Bürokratie hätten umständliche Ausmaße angenommen, die uns nicht gut täten, wird geklagt. Das Parlament sei zu groß, heißt es oft, aber niemand geht gern freiwillig von erkämpften Positionen wieder weg. So hat der Brexit den Briten kaum das gewünschte Ergebnis gebracht. Das Gesetz zur Verkleinerung des Bundestages ist ein Streitobjekt, und ob die Steuerklärung bald auf einen Bierdeckel passen wird, darf bezweifelt werden. Der Schilderwald im Straßenverkehr könnte reduziert werden, aber das benötigte klügere und tolerantere Autofahrer, die selbst mitdenken müssten in komplizierten Momenten, bei denen man durch die zahlreichen Schilder wenigstens im Nachhinein (wenn’s gekracht hat) juristisch klare Argumente findet.

Die Grünphasen der Ampeln möchte man so gestalten, dass alle Beteiligten im Verkehr an einer Kreuzung fair davonkommen. Fußgänger beschweren sich über zu kurze Laufphasen für Senioren. Machte man die Zeit, in der das grüne Männchen leuchtet, grundsätzlich länger, änderte es wenig am Problem, dass Menschen immer wieder von Autofahrern, die abbiegen wollen und ebenfalls grün haben, angefeindet werden. Es wäre nötig, die Ampelphasen insgesamt erheblich länger einzustellen, um auf die wahrscheinliche Anzahl von Fußgängern – mit denen zu rechnen ist an gerade diesem Ort – Rücksicht zu nehmen. Das führte zu Frust im Autoverkehr besonders dann, wenn weniger zu Fuß unterwegs sind und alle Seiten scheinbar unnötig stillstehen müssten. In einer belebten Innenstadt wiederum sind so viele zu Fuß einkaufen, dass man den Strom der Passanten zwingend unterbrechen will zu Gunsten der Kraftfahrzeuge. Eine Künstliche Intelligenz müsste her, um den Verkehrspolizisten, wie er früher Kreuzungen belebte, nachzuempfinden. Eine Art Streitschlichter benötigen eilige, intolerante Menschen.

Die vielen Zeichen im Verkehr, die Dreißigerzonen, Parkverbote, Radwege sind symmetrisch zur Bürokratie der Behörden und der Vielfalt unserer Gesetze. Sie werden nur von Populisten leichtfertig für überflüssig erklärt. Wir sind an die Zivilisation gewöhnt und können uns nicht einfach in eine primitive Einfachheit beamen, weil es dafür andere Menschen bräuchte, die ohne diese intellektuellen Geländer durchs Leben gehen und doch jeweils Platz machten für andere. Eine Gesellschaft, die ausschließlich gebildet wäre von Lebewesen, die sich ihrer selbst bewusst sind, die selbstverständlich gelassen bleiben, immer klug und tolerant reagieren, müssten wir sein. Eine so homogene Zusammensetzung unserer Umgebung, dass alles wie selbstverständlich läuft, ist nie realistisch hinzubekommen und gelingt erst recht nicht durch rassistische Ausgrenzung bestimmter Gruppen. Es sind keinesfalls die Politiker, unser Staat, seine ordnenden Behörden und Mitarbeiter, die Nachrichtendienste, die Polizei schuld oder eben umgekehrt die Migranten an unseren Problemen, sondern das Wort „Schuld“ greift zunächst viel zu kurz. Ich weiß das. Es hält auch mich nicht davon ab zu schimpfen, pauschal auf ganze Bevölkerungsgruppen einzudreschen, wie alle es tun. Ich verschaffe mir nötige Luft zum Atmen auf diese Weise wie alle, die motzen. Natürlich möchte ich schließlich differenzieren. Es gilt mir als vordringliche Aufgabe, gerade nicht objektive Lösungen zu fordern, sondern durch mein persönliches Hühnerauge auf die Gesellschaft zu schauen.

Mein Betätigungsfeld ist das Deutlichmachen von Ungereimtheiten. Viele Schilder, viele Worte gibt es, viele Regeln, und manche Themen werden doppelt und dreifach besetzt mit Begriffen, ohne die Problematik eines Sachverhalts damit zu lösen. Davon möchte ich einige aufzählen. Ich weiß noch, wie die „gefühlten Temperaturen“ aufkamen. Mit diesem Begriff gefielen sich die Wetterleute im Radio, herauszuarbeiten, wie viel kälter es sich etwa bei feuchtem Wetter plus Wind anfühlt, und es gibt auch eine Messtabelle, die alles einberechnet. Uns wurde erklärt, komplett wissenschaftlich definiert wären diese gefühlten Temperaturen. Das Zeug hat sich gehalten in der Vorhersage, wird aber weniger wichtig genommen inzwischen. So mag sich auch das Gendern einschleifen. Aus eins mach zwei, ist eine Methode. Die Zahnpasta „Elmex“ wurde, nachdem sie etabliert war, durch „Aronal“ ergänzt, und wir wurden belehrt, die eine morgens, die andere am Abend zu nehmen. Mehr Produkte im Regal platzieren zu können, ist eine Technik, Aufmerksamkeit zu erheischen. Das hat uns nicht zuletzt die Sommerzeit eingebracht. Wie schwer man von etwas loskommt, das eine Mehrheit als überflüssig erachtet, sieht man daran. Mir gefällt übrigens die Zeitumstellung. Ich mag das lange Licht abends. Da kann man noch segeln. Passend zum Winter werden die Morgen wieder aufgehellt. Das ist eine praktische Methode, die gesamte Gesellschaft von der Verpflichtung zu befreien, ihre Ladenöffnungszeiten und anderes jeweils individuell anzupassen. Ich habe keine Schlafprobleme deswegen. Viele sehen die Sache inzwischen jedoch kritisch, und die Dummheit macht nicht halt vor der Idee, die Sommerzeit auch im Winter behalten zu wollen? Die Idiotie dieses Gedankens kann man den Befürwortern nicht erklären. Sie möchten offenbar erreichen, dass die Erdachse ein wenig gerader wird, gerade so, dass schließlich immer Sommer ist in Europa? Was wir jetzt Winterzeit nennen, ist das astronomische Mittel mit einem Sonnendurchgang im Süden um zwölf. Es hat mit dem Winter nichts zu tun.

Es wurden Begriffe gefunden wie emotionale Intelligenz oder Hochsensibilität, überdurchschnittliche Intelligenz, und man fragt sich, wieso solche Menschen im Leben nicht klarkommen, wenn sie so klug sind? Dem zur Seite gestellt, entdecken Psychiater den vulnerablen Menschen. Das ist ihr Lösungsansatz? Der besonders Feinfühlige benötigt ihrer Meinung nach pharmazeutische Dämpfung, behaupten Spezialisten. Ich würde sagen, ein psychisch nicht belastbarer Mensch ist zu aufmerksam in dem Sinne, dass die Umgebung sein Empfinden dominiert. Dann ist das Problem nicht Sensibilität. Die Schwierigkeit besteht darin, dass jemand nicht einfach sein Ding macht, sondern mehr darauf schaut, wie alles bewertet wird.

Wir werden jedem Gebiet noch weitere Definitionen dazu erfinden, neue Diagnosen erdenken, mehr Schilder aufstellen und weiter dran glauben, so die Probleme zu lösen. Eine alternative Antwort ist ebenfalls denkbar: Das gäbe manchen guten Ansatz her, klüger zu sein, und den Tand der gewohnheitsmäßigen Sprache als Müll zu entlarven. Wir könnten annehmen, der Mensch als besondere Spezies erfindet Begriffe vordringlich, stellt sie wie ein Plakat auf, macht Werbung für die neue Idee, aber nicht weil tatsächlich etwas dahinter existiert, sondern oft nur aus bloßer Eitelkeit, weil dem Namensgeber ein persönlicher Vorteil entsteht. Als Entdecker seines Forschungsergebnisses will der glänzen, der das neue Wort verwendet, als gäbe es wirklich Neues.

Das glaube ich.

Sind intelligente Menschen so klug wie eine Zahl, die ein Test definiert oder gehört mehr dazu, den Verstand auszumessen? Offenbar ja, denn sonst bekämen Eltern von sogenannten „Systemsprengern“ keine Probleme. Wären ihre besonderen Zöglinge so klug, wie sie beim Lösen von Aufgaben scheinen, wenn sie Mitschüler düpieren, weil sie schneller begreifen, könnten sie das auch unter Beweis stellen. Allein mit dem Wort „intelligent“ oder IQ, lässt sich Klugheit nie erfassen. Unser Leben ist vielseitiger als jeder Begriff. Wie ein einzelnes Wesen seine Aufgabe löst und was passiert, wenn die Umgebung sich mit Verhaltensregeln einmischt, konterkariert jeden Versuch, Intelligenz auf eine Fragestellung zu minimieren. Weil das übersehen wird, schafft man lieber einen neuen Begriff, als die komplexe Wirklichkeit anzuerkennen. Das kann jeder für sich lernen. Kunst ist immerhin ein Lösungsansatz.

Wir leben in einer Welt der besten Kommunikationsmöglichkeiten, die es je gegeben hat. Gleichzeitig scheinen immer mehr von uns unfähig zu sein, sich adäquat auszudrücken in den typischerweise komplexen Situationen, die das Leben nun mal bereithält. Es gibt überall Kameras, die Menschen überwachen. Das meiste, was gesagt wird, wird heute geschrieben und ist im Nachhinein noch weiter abrufbar. Das geschriebene Wort tritt an die Stelle des Gesprächs von Angesicht zu Angesicht. Nachrichten können besser manipuliert werden als je zuvor. Konkrete Poesie bedeutet im erweiterten Sinn des Begriffs moderne Sprachkunst, die punktgenau treffen will, also pragmatisch gestaltet, ja sogar Fallen stellt, um ein Chamäleon zu fassen, das sich uns immer entziehen möchte, verbergen, die Wahrheit.

Einige Geschichten mögen die vorangestellten Überlegungen beleben.

# Krank oder was?

Gerade bin ich auf unserem Markt gewesen, kaufte auch zwei Handvoll Ackersalat ein. Man wäscht den gut frei von Sand und entfernt knotige Wurzeln. Salat zum Fisch, Essen ist ein gemischtes Programm. So auch hier im Text. Dies und das kommt zusammen. Ein Autor lässt sich manches einfallen, das Thema mit Beilagen schmackhaft zu machen, lesenswert. Einleitende Gedanken möchten Appetizer sein. Buchstabensuppe ist heute Vorspeise, anschließend gibt es Wortsalat. Guten Appetit! Begriffe bereichern unseren Intellekt, sind aber auch gefährliche Denkfallen. Weil wir alle mal drüber stolpern, wenn sich etwas anders entwickelt, kann es lohnend sein, die Gründe zu untersuchen. Nicht selten rührt ein Missverständnis daher, dass Worte Spielraum mit sich bringen, was sie meinen? Menschen besetzen Ausdrücke mit Inhalten, tun es individuell jeweils ein wenig verschieden. Das kann zur Chance werden für einen, dem diffuse Gefahr durch andere droht. Verbale Attacke ist die Reflexion einer intellektuellen Konstruktion ohne Inhalt: Eine Blase platzt. Menschen, die Böses wollen, machen auch Fehler! Ich habe darüber nachgedacht, als ich probierte, mir klar zu werden, was genau sind Fehler, was heißt, böse zu sein? So fing es an, mein Kunstprojekt.

Die trübe Brühe also von A bis Z (jeder soll das auslöffeln), könnte man sagen. Verweigerer im Sinne von: „Ess ich nicht!“, wie es im Suppenkaspar heißt, und analog dazu: „Les’ ich nicht!“ kalkuliere ich ein. Wer nicht will, der hat schon. Ich koche gern. Mir selbst schmeckt es. Mein künstlerischer Löffel schöpft so manches Wort aus einem märchenhaften Brunnen. Der ist randvoll mit ganz eigener Weisheit. Ich weiß einiges zu berichten. Diese Szene mit dem Vorhang, dahinter die Straße, die Personen in einer Reihe, zeigt ein Zitat. Mein Bild, ein großes Gemälde ist es gewesen, hieß: „Vorsicht Startbahn!“ Das war ähnlich, aber die Leute erkennbare, die es hier im Dorf gibt. Das hat Ärger gegeben. Das Bild wird nicht mehr gezeigt. Das Leben geht weiter. Dazu wäre zu erzählen, einen Kalender habe ich entworfen. Das war vor einiger Zeit. Das sind so Pappen in einem hölzernen Schuber. Zwölf Szenen fielen mir ein, die aufwühlenden Zeiten aufzuarbeiten. Das sind alles gemalte Versatzstücke einer nahen Vergangenheit wie der Titel zu diesem Text. Nicht wenig Aufwand machte die kleine Bastelei, aber nutzloses Zeug kam dabei raus. Das ist meine Kunst, sie ist unnötig, außer für mich. Das Teil schenkte ich seinerzeit T. (eine von der Zeitung und mit Kontakt zu A., die da im Hause volontiert hat). Ich erhoffte mir manches Begreifen, es nützte nichts: Ein Schuss in den Ofen! T. hat bald darauf D. geheiratet. (Ich schreibe es, damit „A“ nicht doppelt verwendet wird. Das andere meint jeweils die Vornamen). Aus P. wurde D. und unübersehbar: Idiot*Innen verbinden sich.

Solche sind gepaart anschließend doppelt blöd.

# Achtung Satire!

T. hatte den Job von C. übernommen, der in seine Heimatstadt zurück gegangen war, das nur nebenbei. Dann ging auch T. fort, und ich weiß nicht, was sie heute macht. Dieses Käseblatt noch rechtzeitig zu verlassen, so blond ist die Frau eben doch nicht. Das Bild oben ist eines aus dieser Serie. Widerstand macht kreativ. Man muss aufpassen beim Erzählen. Zu viel Wahrheit bringt uns vor Gericht. Der Schutz der Person ist besonders denen heilig, die Scheiße bauen, aber nicht dazu stehen. Also bemühe ich mich um Klartext mit unscharfen Stellen. Das ist ggf. Selbstschutz. Jeder denke sich seinen Teil. Keine Sternchen stehen an diesem Himmel. Der ist nachtschwarz, bedrohlich und wahr.

Ein böses Spiel allemal und meine Geschichte. Es gibt bekanntlich mehrere Wahrheiten. Ich bin nicht objektiv. Das versuchen zu sein, habe ich mir abgewöhnt. Ich beziehe Stellung. Die anderen sind schlimmer und wissen es nicht einmal. Sie hetzen im Team. Ob Widersacher, mit denen ich es zu tun habe, gute Menschen sind, steht für sie selbst nicht zur Debatte. Natürlich bin ich in ihren Augen derjenige, der gemaßregelt werden muss. Der Fehler selbst, das bin ich für sie. Das zu beweisen, mich aus ihrer Gemeinschaft rauszutreten, dafür ist solchen guten Zeitgenossen, ja besseren Menschen (aus der Nachbarschaft) jedes Mittel recht? Wer von uns gut, wer böse ist, wird so gesehen jeweils andersherum bewertet. Menschen mobben, und ich habe es erlebt. Manche Aktivität, mich auszuspähen, in eine vorbereitete Situation zu locken, bloßzustellen, mich zu provozieren, sticht heute klar raus als Fakt. Das ist nicht meinerseits paranoide Angst oder bloßes Hirngespinst. Vieles erscheint mir im Nachhinein wie aus dem Hinterhalt konstruierter Zufall.

Dafür, dass die sich selbst überhöhende Bürgerwehr mir allein Spazierenden gegenüber einige Vorteile hat, kompromittierende Momente herbeizuführen, arbeiten diese Leute ganz schön töffelig. Ich habe darüber nachgedacht, warum das so ist und welche Vorteile mir draus erwachsen. Wie schlimm ich tatsächlich bin, sein soll, habe ich mich gefragt? Ich wollte mit der Polizei über Kinderpornografie diskutieren und wurde stattdessen vorgeladen: Wir sehen uns „solche wie Sie“ mal an, befand die smarte Oberkommissarin S. aus dem Sachgebiet eins. So war das: Auf einem Auge blinde Polizisten tappen durch die Straßen. Das ist Dorfklatsch? Ich male, wie sich’s nicht gehört und quatsche unverfroren Frauen an, schlimm. Das ist ja nicht normal. Weiter, ich habe zugeschlagen, stimmt. Dazu stehe ich und habe kein Problem mit der daraus resultierenden Strafe. Wer meint, sich alles erlauben zu können, muss Haue bekommen. Ich erkenne überall Gewalt in der Gesellschaft und sehe keinen Grund, nicht selbst wehrhaft zu reagieren. Aber andere rechnen hoch: Der Grund wird eben sein, die Idioten hängen einer Hypothese an, meinen, vermeintlich Bescheid zu wissen über ihren Mitbürger, was ich für einer sei?

# Der Verrückte

Nicht einmal die moderne Wettervorhersage greift zuverlässig, wenn es darum geht, die Zukunft etwa am Himmel weiszusagen. Hurrikan „Milton“ drohe „der schlimmste Sturm seit hundert Jahren“ zu werden, prognostizierte kürzlich die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Inzwischen ist das Ding zügig aus unseren Nachrichten verschwunden. Die Menschen kamen vergleichsweise glimpflich davon. Über die Aufräumarbeiten wird wenig berichtet. Andere Themen beherrschen das Nachrichtengeschehen. Man orientierte sich am Sturm „Helene“ zuvor. Es hätte schlimmer kommen können? Gut möglich, dass die Vorhersagen überdimensioniert waren, und die Wetterleute es wussten. Er könne „machen, dass Luft riecht“, bekundete mein Freund Bernd einmal, und das war kein guter Witz. Wind machen hingegen ist Methode: Das spezielle Verständnis ihres Fachs hält Wichtigtuer nicht ab zu blähen, wenn sich eine Story gut verkaufen lässt. Manche lieben es noch mitzumachen, den Mund nun ebenfalls voll zu nehmen.

Immer wieder werden bewusste Fehler und Falschmeldungen gern in Kauf genommen, weil das eine gute Schlagzeile gibt. Wissentlich die Unwahrheit behaupten, ist eigentlich lügen. Geschickte kommen trotzdem durch mit ihren Inszenierungen. Scheitern diese Windbeutel, weil das Gute letztlich siegt? Nicht deswegen, würde ich sagen. Sie gelangen aber weniger weit als redliche Arbeiter, weil sie Leute aufputschen müssen. Ihr Tun ist Wind machen buchstäblich. Dergleichen benötigt Mitstreiter, und das rächt sich. Viele im Verein machen mehr Fehler, als eine einzige Wahrheit letztlich zulassen wird. Das ist die gemeinsame Realität, die uns gelegentlich zwingt und ein guter Grund, auch ohne Religion ans Anständige zu glauben. Ich empfinde unsere menschlichen Fehler (wie sie nun mal geschehen) weniger als Schicksal, das die Bösen bestraft, dem Guten einen Vorteil bietet, wie man es im Roman, Film erlebt, weil er sich korrekt verhält, sondern als zunächst wechselseitige Problematik. Alle machen gelegentlich was falsch. Mal trifft das Versagen wie eine übergeordnete Macht den einen, dann einen anderen Menschen. Da bleibt zunächst kein Vorteil auf Seiten von dem, der einfach sein Ding macht, in Wahrheit als unbescholten gelten sollte. Das böswillige Verdrehen der Realität, um jemanden an den Pranger zu stellen, wird nicht bestraft. Rufmord kann in der Regel nicht bewiesen werden. Der Arme erfährt auch nicht schließlich Gerechtigkeit, weil Gott, das Universum ihn extra liebt. Die Nachteile häufen sich trotzdem beim Gegenüber, wenn da ein Team jagt und proaktiv das eigene Gutsein herausfordert.

Der Böse ist einer – möglicherweise, aber jemand kann auch zur Projektionsfläche werden, böse zu sein, weil wir es nicht nachprüfen können. Im Anschluss an das Geschehen in Florida wird niemand bezichtigt, die Wetterkatastrophe im Vorfeld aufgebauscht zu haben als extreme Nachricht. Meteorologen können sich irren und besser, einmal mehr als zu wenig warnen, sagt man sich. Da ist von Falschmeldungen die Rede, aber sie kommen, so heißt es, von Donald Trump. Der verbreite lauter Lügen rund um den Megasturm, um den Demokraten zu schaden, sie wären schuld an mangelhafter Unterstützung, schlecht koordinierter Hilfe. Einige nähmen sogar an, die Regierung Biden habe Einfluss auf die Wetterentwicklung genommen? Man könne Stürme nach Belieben über die Amerikaner wehen lassen, glauben welche tatsächlich. Das wird berichtet. Wie seriös sind diese Nachrichten über falsche Nachrichten, darf man das fragen oder überlegen, wie hoch ihr Stellenwert tatsächlich ist?

Zitat:

„Irritierend ist diesbezüglich weniger die Tatsache, dass Präsidentschaftskandidat Donald Trump die Sturmkatastrophe nutzt, um Unwahrheiten zu verbreiten – überraschend wäre es ja eher, würde er dies ausgerechnet diesmal nicht machen. Dass in bestimmten Kreisen jedoch das Narrativ verbreitet wird, Helene sei künstlich herbeigeführt worden, zeugt von einem fortgeschrittenen Realitätsverlust in ebendiesen Kreisen. Regierungsbeamte versuchen, die Verschwörungstheorien durch entsprechend fundierte Stellungnahmen einzufangen, jedoch mit zweifelhaftem Erfolg.“ (Der Standard, 7. Oktober 2024).

Zitat Ende.

Wie wichtig sind diese „bestimmten Kreise“, wie einflussreich und ernst zu nehmen, von denen die Rede ist, wenn andererseits wir Europäer der Täuschung unterliegen, Kamala Harris gewinne die Wahl ohnehin? Es wäre möglich, dass Berichte über Donald Trump aufgebauscht werden, den Präsidentschaftskandidaten ins Licht des Verrückten zu verschieben, obschon dieser in seiner Heimat weit weniger als solcher gesehen wird. Dann könnte der Republikaner gewinnen, nicht weil die Amerikaner so bescheuert sind, sondern weil man das drüben anders bewertet. Wir hofieren Harris, weil anzunehmen ist, mit der Demokratin bliebe die Politik verlässlich? Wunschdenken birgt eigene Risiken. Dominoeffekt heißt es wohl, wenn die News ihre eigene Dynamik bekommen.

Zur Erinnerung: Als der Angriff auf die Ukraine erfolgte, kamen mit dieser unglaublichen Eskalation reichlich Nachrichten auf, der russische Präsident sei auf eine Weise krank. Auch war die Rede von einem Doppelgänger, der ihn vertreten würde bei mancher Sache, weil der tatsächliche Putin zu schwach sei aufgrund von Krebs oder sonst wie voran schreitenden Leiden.

Davon ist keine Rede mehr.

# Ich soll böse sein?

Ich habe es erlebt, Gut und Böse sind soziale Konventionen. Da ist gelegentlich problematisch, Fehler summieren sich bei vielen Akteuren. Blindwütige jagen gern im Rudel, fühlen sich stark, folgen dem Leithammel. Es sind mutmaßlich mehrere, die Polizei spielen. Als Ausgespähter ist man allein. Wenn ursächlich gemachte Fehler, also der Anlass, jemanden überhaupt ins Visier zu nehmen, die eher unbedeutenden gesellschaftlichen Patzer eines Einzelnen sind, die man ihm vielleicht noch vorwerfen könnte als Tat, so steht demgegenüber die Problematik einer ganzen Firma, die diszipliniert im Nebel tappen muss, aber wie eine Diebesbande herumschleicht. Die sind nicht gut, glauben es aber von sich. Selbstjustiz ist Unkraut im Rechtsstaat. Deswegen mobilisiert ein Ehrenamt, das sich hervortun will, die Politik für dieses Projekt. Bürgermeister*Innen tauschen sich gern aus mit Polizistinnen. Man kennt einander. Die Polizei fragt mal nach beim Amtsrichter in der Klappse vom Kreis. Im Kreise der Betreuer finden sich nützliche Informanten. Die möchten glänzen mit eigenen Gutachten. Die Kommissarin spricht mit dem Reporter vom Käseblatt, der zufällig persönlich bekannt ist mit dem Spinner, der nachts bei S. übers Dach kletterte. (Warum, interessiert nicht). Die Zeitung ist stets gut informiert. Sogar ein Draht zum Nachrichtendienst kann angezapft werden. Familiäre Nähe hilft über manche Hürde vom Gesetz. Die Nachbarn öffnen das Ohr, wie praktisch sind diese Verbindungen? Die Bullerei weiß endlich über alles, was läuft, Bescheid und kocht ein eigenes Süppchen (mit der Alten im Hof der Küche zusammen, die noch ein persönliches Motiv hat, das da heißt Eifersucht, Eitelkeit). So läuft es auf dem Land. „Büttenwarder“ lässt grüßen. Man findet sich zusammen, um den Anschein staatlich gewünschter Maßregelung für eine kleine Hinrichtung in eigener Sache zu geben.

Honoriges Geschleuder rennt vorneweg. Die Polizei ist gern über alles informiert. Im Dorf, da hilft man sich. Ein Raunen geht rum. Das Tuscheln steigert sich zum unverhohlenen Tratsch. „Teeren und Federn“ fordern die Leute, wie man das vom Wilden Westen kennt. Ich habe es erlebt. Ich sollte Täter sein. Es fehlt nur die Tat. Das Opfer, eine leidende Diva, hat heute eine Macke, glaube ich. Sie beginnt in Laufschritt zu verfallen, wenn ich auf der anderen Straßenseite vorüber gehe. Das tut weh zu sehen. Man hat die Frau verblödet, und sie ist zwischen die Fronten geraten. Allen zu Gefallen lebend, passte eine derartig Verwirrte perfekt in das böse Spiel. Sie wurde auserkoren, die Rolle zu spielen, die schließlich jedem nützlich war, nicht zuletzt mir. Es sind unreife Frauen, die bezahlen müssen in unserer Gesellschaft, die bloß gut tut, wenn sie „Opfer“ bemerkt. Retter spielen sich kurz auf und sind bald woanders retten.

Ein böses Spiel, das noch Wiederholung erfährt, ein jedes Mal im Patt enden muss, bis alle die Lust verlieren. Ich bin nicht unglücklich verheiratet, das wurde übersehen, habe ausreichend Kapital, Anwalts Hilfe, und solche Mädels sind Kanonenfutter in einem sinnlosen Gezicke von blöden Weibern und in ihrer Ehre gekränkten Onkels. Ich behaupte, dass noch weitere Mädchen mitgemacht haben, den Lockvogel zu spielen! Die fand ich nicht attraktiv, darauf einzugehen. Irgendwann reicht es. Dafür jedenfalls spaziere ich nicht krank genug herum. Mich treibt kein Zwang. Ich forsche als Soziologe. Die Begegnungen erschienen mir konstruiert, mich haben sie nicht geködert, diese Kriponutten. Ich habe nicht angebissen. Dann mussten die psychologischen Detektive, von sich selbst überzeugte Schlaumichel, ihre Jagd aufgeben.

Bleibt noch dies zu erzählen: Ein städtischer Mitarbeiter wurde mutmaßlich zurückgepfiffen? Über zwei Jahre lang (nach meiner Attacke auf einen bis dato angesehenen Mitbürger unseres Städtchens), hat mich ein ziviler Ordnungshüter bald täglich „zufällig“ getroffen. Das erscheint mir gesichert. Ich schreibe das als Meinung und berufe mich auf meine Freiheit als Bürger. Namen werden nicht genannt. Der Mann ist frech und hält sich für berufen, mich zu belehren unter dem Vorwand eines freundlichen Gesprächs, immer wieder. Ich fiel auf ihn herein. Man klönt scheinbar mit dem Künstler. Dafür zu penetrant, merkt der Mann nicht, dass er den Bogen längst überspannt hat? Er ist aufgefallen als jemand, der zu viel wusste, und mir hat jemand geholfen, so viel kann ich sagen. Ein Leak gibt es immer. Da reichte mir das. Niemand liest hier auf der Website; die Texte sind lang, speziell, aber solche Menschen, denen ich ein Arbeitsfeld sein könnte, tun es. Meine Gegner. Sie lassen mich nicht in Ruh. Ihre Fehler sind zahlreich. Der erwähnte Mann hat es übertrieben. Eine gute Möglichkeit, finde ich, einen Punkt zu machen.

# Ich kann schreiben

Meine Worte dürften ihn platt gemacht haben. „Die Straße frei für mich“, sage ich (mit dem blonden Hans). Der Aufpasser kommt nicht mehr. Er hat durchaus Druck von weiter oben bekommen, das wäre möglich. Jetzt jedenfalls laufe ich fröhlich meine Route unbehelligt von diesem Quatschkopp. Ja, was die Standardstrecke angeht, da habe ich die Sau vertrieben. Mein Blutdruck sinkt, mein Magen beruhigt sich, aber: Er ist noch da.

Das stinkt weiter hier im Dorf. Der Drahtwurm bohrt sich in manche Kartoffel. Mehr als ein Wortspiel, ich erkenne einen dunklen Fleck, mehrere sogar in unserer Verwaltung, der Politik. Der Fisch fault bekanntlich vom Kopf. Damit schließt sich ein Kreis. Nicht nur Ackersalat ist gefragt, es gibt gute Gründe, regional einzukaufen. Donnerstags kaufe ich frisch Fleisch oder Delikatessen aus dem Meer, Rotbarsch, Scholle, manchmal Lachssteak, Räucheraal auf dem Markt. Die nötigen Erdäpfel gibt es bei meinem Lieblingsverkäufer. Gemüse, Aufschnitt und Käse wird bei verschiedenen Händlern angeboten. Man kennt sich. Wir albern immer ein wenig, schnacken. Was soll ich sagen, aber auch jedes Mal nun ist dieser Ekel zur selben Zeit am Platz vor Ort, wenn ich dort bin! Früher kam es nie vor. Er vermeidet, mich anzusehen. Er hat einen auf den Deckel gekriegt. Das passt nicht in sein Konzept. Der hat ein großspuriges Auftreten. Sein onkelhaftiges Wesen kann er mir gegenüber nicht mehr zum Besten geben. Ich habe ihn auflaufen lassen und sage nun meinerseits demonstrativ: Guten Tag!“ und gehe breit vergnügt vorbei.

Theater ist Kunst. Ich bin Sieger in einer lächerlichen Machtdemonstration. Warum treibt sich der Mann auf dem Markt rum, wenn gerade ich dort bin? Er beweist, weiter in der Lage zu sein, punktgenau mich abzufangen, wann und wo immer es ihm gefällt. Darauf ist er stolz? Ein Großkotz. Damit outet sich der Kasper aber auch als Krimineller. Als jemand, der meine Existenz gehackt hat und beim Staat angestellter, missbraucht der Mann die Befugnisse einer Kripo, die so ganz sicher nicht agieren darf.

Den Richter, Staatsanwalt, der das verfügte, möchte ich kennenlernen. Damit kommen wir auf die Titelseite der Bild. Anschließend bin ich der Star der Kunst, ein Held der Psychiatrie und ein gefragter Gast in mancher Talkshow. Meine Bilder kommen ins Museum, und Millionen begeistern sich an der Geschichte. Ich werde reich damit. Die verschiedenen Schlapphüter*Innen müssten ihren Hut nehmen. Sie fegten anschließend nur noch den Hof hinter dieser Küche hier im Dorf, so viel ist mal sicher, wenn diese Leute noch mehr Dummheiten kreieren.

Angenommen, es ist nicht nur gekränkte Ehre, die diesen fadenscheinigen Kollegen organisierter Hüter über die Stadt zum Marktkauf bringt? Zählen wir mal die Fakten zusammen: Dann wird hier eine Straße, ein Markt, ein Einkaufszentrum bewacht. Es geht nicht länger darum, mich zu kontaktieren und meine Gesundheit wie nebenbei im Gespräch zu checken. Man kann das mit mir nicht mehr so einfach machen. Personalknappheit bei auch diesen Leuten bringt ihnen die Problematik ein, Spitzel zu benötigen, deren Gesichter unverbraucht sind. Die fehlen scheinbar. Nein, man überwacht den Wochenmarkt, damit Menschen, die sich vor mir fürchten, wissen, wann genau die Luft rein ist?

# Paranoia für Fortgeschrittene

Ich glaube tatsächlich, dieser Pfosten (mit seiner Olsch), den ich haute (aus gutem Grund, wie gesagt, ich habe es bereits erzählt und finde nicht nötig, mich noch damit abzugeben), möchte entspannt einkaufen und nicht außerhalb? Im Städtchen könnte die Luft dünner geworden sein für einen, der protzt mit Gerede, wie arm dran er ist meinetwegen: „Er (Bassiner, damit bin ich gemeint) sprang über eine Hecke aus dem Nichts.“ So steht es in einer Akte, die mir vorliegt. Dort ist weder Hecke noch nichts, und was in den Minuten zuvor geschah, kann ich detailiert und glaubwürdig viel besser erzählen, als es in der polizeilichen Ermittlungsakte vermerkt wurde. Ich habe bei der Polizei vernünftigerweise geschwiegen. Mir war in dem Moment definitiv nicht wohl, getan zu haben, was ich heute jedoch als unvermeidlich und nötig begreife. Ich stehe dazu. Meine Fehler, ich kann offen drüber sprechen. Mein Humor ist ansteckend scheinbar. Das haben einige bemerkt. Die Mehrheit freut sich über mein Erscheinen. Die anderen, meine Opposition  –, sie leben hinter ihren Masken. Da kommt ihnen ein privat engagiertes Bullenschwein grad recht, zu schauen, ob die Straße frei ist vom gefährlichen Künstler?

Das glaube ich!

Oh, ich bin so harmlos nicht, kenne böse Worte: Diese Hackfressen im Amt. Reintreten reicht nicht. Maden im Speck. Leben von meinem Steuergeld. Was haben sie erreicht? Ich, der vormals ein Leben lang begeisterte Demokrat, war politisch interessiert, wähle nun nie mehr irgendwen. Ja, man mag es gar nicht hinschreiben, ich erlebe nicht nur klammheimliche Freude, wenn wieder wer wo ausrastet und die Gesellschaft, ihre staatlich geordnete Struktur demoliert wird. Auch andere haben es bemerkt: Wir werden von Unfähigen regiert. Da ist es kein Wunder, dass Staatssekretäre, die Polizei, der Nachrichtendienst gleichwohl schlecht aufgestellte Leute sind. Dazu kommen diese illegalen Grüppchen, wie sie ja schon gelegentlich aufgeflogen sind. Radikale Gutmenschen wollen remigrieren, umregieren und vergasen wie früher. Die kriegen einen Job bei uns zum Saubermachen wie die Mutti, die begeistert desinfiziert, putzt, bis die ganze Familie kollabiert, weil’s einfach zu gut wird.

Mich haben sie auf dem Kieker.

Genau genommen sind es Idioten, eine Gurkentruppe, die vermeintlich hinschaut. Sie haben ein Auge, das Bedrohung bereits erkennt, wo noch keine ist. Derartige Spezialisten können den Nährboden aufkommender Gefahr beschreien. Es wirkt als Dünger, tatsächlich ein Brandbeschleuniger, der die eigene Karriere anschieben möge wie Raketentreibstoff. Das ist die Sprache, die zarte Pflanzen hören und verstehen auf dem Acker, wo die künftigen Vergewaltiger wachsen. Hier kommt eine Task-Force, die den Planeten festhält, das Trudeln der Welt stoppt am Abgrund von Schund und sexualisierter Gewalt, die aufpasst, für Recht und Ordnung sorgt. Man ist unterwegs in der weichen Grauzone, wo unsere Polizei, gebunden an die harten Regeln des Gesetzes, versinkt, also spätestens vor Gericht untergehen würde mit jeder Anklage. Wer nicht warten kann auf’s Verbrechen, sondern vorher zuschlagen möchte, handelt womöglich selbst kriminell, recht haben zu wollen um jeden Preis? Solche Kommissare sind schlechte Detektive. Verdeckt unterwegs und die Tat als solche erst initieren wollend, sind diese Menschen finstere Typen.

Sie machen Fehler, vergaloppieren sich.

So viel zu lernen gibt uns die Welt auf. Die liebe Polizei wäre keine: Ein Polizist, das ist ein Schwein. Ein Arschloch immer, und ich habe nicht gewusst, dass das so ist, überall. Natürlich, es kann uns das Glück widerfahren, den Ausnahmemenschen im Dienst zu erleben. Das will ich glauben. Ausnahmen bestätigen die Regel. Ein langes Leben im Dienst der Allgemeinheit verändert einen, der sich aussucht, Ordner zu sein, Helfer. Schlimmer wird es am Ende, ein Polizist im Ruhestand ist eine arme Sau. Die können sich nicht beschäftigen, haben keinen Lebensinhalt. Wie ein abgewählter Politiker, sind solche Menschen ruhelos. Sie müssen immer andere zum Ziel ihrer Aktivität missbrauchen. Eigentlich sollte man annehmen, haben Staatsangestellte zum Ziel, Gutes für die anvertraute Gesellschaft zu bewirken? Das ist so naiv zu denken. Nicht nur diese Weltenlenker, überhaupt den meisten Menschen, denen man begegnet, ist unser eigenes Wohlergehen vollkommen egal. Man fällt herein auf Freundlichkeit, ist eine Erfahrung des Alters. So haben wir einzusehen: „Nett ist die kleine Schwester von Scheiße“, also beileibe kein erstrebenswertes Verhalten, immer freundlich zu sein. Man ist nicht nett. Nur Leute, die sich was drauf einbilden, glauben, freundliche Menschen zu sein. Man geht solchen besser aus dem Weg. Und man mache einen Bogen um jeden, der im Staat arbeitet. Das sind Berufshelfer an unserer Gesellschaft und entsprechend Frustrierte. Eine bittere Erkenntnis, dort sind die schlimmsten Säcke unterwegs, faul, unfähig, korrupt. Mich konnten sie ändern. Ich bin kuriert von manchen Flausen im Hirn, danke dafür. Politik, Ehrenamt, Kirche, das ist in der Regel sozialer Brei der übelsten Sorte. Wo Menschen es überhaupt friedlich miteinander aushalten, bedeutet dies kaum mehr als ein Glück oder Zufall des jeweiligen Momentums.

# Böswilliger Verrat

Das Denunzieren hat in Deutschland Tradition. Man umgeht mal eben sämtliche rechtsstaatlichen Kontrollinstanzen. Der Staat, der sonst als Saubermann auftritt, wenn es um die Gepflogenheiten anderswo geht, drückt gern ein Auge zu, um einfach Informationen zu bekommen. Das war früher so und ist heute nicht anders. Zur Zeit des Nationalsozialismus wurden unliebsame Konkurrenten jüdischen Glaubens verpfiffen. Die Stasi in unserem Osten seinerzeit bekam ihr Futter von den gewöhnlichen Bürgern gut vorgekaut serviert. Und gerade in Frankfurt wurde aktuell eine App eingerichtet, die es jedem mit Smartphone einfach macht, Parksünder anzuzeigen. Der zufällige Passant fotografiert einfach vom Gehweg aus, wem er eins auswischen möchte und kann sich noch als Polizist hervortun. Der Internetpranger wird mit dieser Methode kultiviert und aus seiner Schmuddelecke geholt. Das finden viele toll. Bald werden Migranten vom Jedermannpolizisten fotografisch erfasst, geortet, verfolgt und zum verbalen Abschuss freigegeben bloß für ihr Ausländersein, weil das wieder gefällt?

Was einen Künstler umtreibt, dürfte der Gesellschaft, die sich selbst als normal ansieht und vordringlich auf Profit ausgerichtet ist, verborgen bleiben. Ähnlich ist die Psychiatrie als Institution falsch aufgestellt. Ärzte gehen am Ziel vorbei, weil die Motive der Patienten – ausschließlich der vielfältigen Persönlichkeit, die einen ganzen Menschen ausmacht – nur unter dem Aspekt der Gefährdung betrachtet werden (hinsichtlich der Umgebung und was die Eigengefährdung angeht). Man nimmt an, ein psychisch Kranker sei unselbstständig und füge sich und anderen Schaden zu, was zunächst nicht falsch ist. Das gesteht derartig Benachteiligten den Zorn und Neid auf die Menschen, die besser zurechtkommen (und die Ängste, die sie deswegen vor erfolgreichen Mitstreitern im Alltag haben) aber nicht zu. Der Ansatz, Schaden vom Patienten und anderen abzuwenden, übersieht seine Motive geflissentlich. Die Methode, so zu helfen, nivelliert die individuelle Not zur allgemeinen, die soundso, nach einem Schema behandelt wird. Tatsächlich beurteilt unsere, sich selbst als gesund definierende Gesellschaft Menschen, die nicht ihrer Norm entsprechen, falsch wie ein Wetteronkel, der dem Computer vertraut bei seiner Vorhersage, aber nicht genügend Daten einpflegt aufgrund fehlender Messungen. Das schafft jede Menge neue Probleme, obschon alle glauben, sie täten wichtige Dinge und lösten Konflikte, machten Menschen gesund, heil usw.

Die Normalität wird zum Maßstab genommen, und das ist ein Lineal ohne Wert. Der Mensch, auch der gesunde, fällt auf seinen Intellekt herein. Das geschieht insofern, als da im Sprachgebrauch oft kein Unterschied mehr wahrnehmbar ist, ob ein Wort anstelle einer Sache verwendet wird für eine Erklärung oder nur die Erklärung selbst bedeutet.

# Begriffe sind nur Worte

Zunächst sind gewohnte Ausdrücke wie Gut, Böse oder Schuld nur Begriffe. Worte nutzen uns als Platzhalter für komplexe Vorgänge. Betrachtet man die Details genauer, kann es passieren, das manches irritiert. Unsicherheit kommt auf, wie belastbar etwas ist, das nun, schaut man genauer hin, eine bloße Zuschreibung sein könnte?

Aktuell beherrschen die Gräuel von zwei Kriegsschauplätzen unsere Nachrichten. Die Ukraine kämpft gegen Russland. Israel befindet sich im Konflikt mit seinen Nachbarn; eskaliert ist die Gewalt dort seit dem Überfall der Hamas – mit Geiselnahme. Während es den Medien einfach über die Lippen kommt, vom „Angriffskrieg“ der Russen zu sprechen, sind sich die Fachleute weniger sicher, wie die Attacken im Nahen Osten beurteilt werden müssen. Wer jeweils der Böse ist, spielt eine Rolle für die Partei, die ihre Gegner mit diesem Attribut belegt. Für Menschen mit starken Überzeugungen stellt sich die Frage nicht, wer einen Fehler machte, wer Böses tut.

Das sind „die da“ und fertig.

Für Leute mit psychischen Problemen hingegen ergibt sich in dieser Problematik eine Schlüsselfrage, die geradezu als Werkzeug genutzt werden kann, Schwierigkeiten besser zu verstehen. Meiner Auffassung nach können sämtliche psychischen Probleme nur aus der Historie des sich mit solchen Sorgen jeweils herumschlagenden Patienten begriffen werden. Es kann in die Irre führen, sich allzu sehr auf die besondere Diagnose zu versteifen:

„Wir möchten erreichen, dass die Psychose (oder die Depression) nicht wiederkommt“, sagt etwa der Arzt.

Warum diese Formulierungen problematisch sind, benötigt eine Erläuterung? Man kennt das aus dem Krankenhaus von früher, die Visite mit dem Chefarzt findet statt, und der fragt: „Wie haben ‚wir‘ denn geschlafen?“ Das ist zum geflügelten Wort geworden und nutzte bereits für manche Szene oder Witz. Hier mag eine Angewohnheit der Weißkittel Pate gestanden haben, die eine direkte Anrede umgehen möchte, aber es ist auch das Eingeständnis einer Paarung.

Der Patient ist hilfsbedürftig und insofern abhängig vom Arzt, der einen Erfolg erzielen möchte, gebildet aus seiner Arbeit und dem mithelfenden Vertrauen des Kranken in das Ganze. Die Heilung ist ein gemeinsames Projekt. Dazu gesellt sich (der Einfachheit halber), die Krankheit zu benennen, die der Kranke „habe“, meint der Spezialist? Das sehe ich kritisch. Hat man etwas, oder „ist“ derjenige krank durchs eigene Verhalten, macht einen Unterschied, der auch die schwierige Definition von „Schuld“ mit einschließt. Das bedeutet, einen Fehler zu machen, böse gegen sich selbst zu handeln und mehr. Unser Intellekt macht es leicht zu übersehen, wie Begriffe eine Eigendynamik entwickeln, die ihnen nicht zusteht. Ein Ding ist mit einem Namen gut angesprochen und ein Virus eventuell genauso. Eine Psychose ist aber kein Objekt (und eine Depression genauso), um nur zwei der gängigen Erkrankungen bei ihrem Namen zu nennen. So etwas ist keine Sache wie ein Stuhl, ein Haus oder Auto. Niemand kann eine psychische Krankheit im Blut nachweisen wie etwa einen Erreger, der zur Infektion führt.

Eine psychische Krankheit kennzeichnet abnormes Verhalten. Ein weites Feld, denn jetzt können wir fragen, was normales Verhalten wäre? Natürlich kann eine Untersuchung die Krankheit im Gehirn nachweisen, biochemischen Abläufe relativ zu denen Gesunder darstellen. Das ist weniger belastbar, mehr ein intellektuelles Instrument der sinnvollsten Behandlung. Es gibt kaum die Standards einer guten Therapie her, wie das etwa bei einem Infekt möglich ist. Das liegt wohl daran, dass jeder eine Grippe bekommen kann, man sich aber, um psychisch zu erkranken, auf eine individuelle Weise einbringt, die ganz anders ist.

Den bakteriellen Infekt oder ein Virus fängt sich der Mensch irgendwo ein. Den Fehler, den derjenige machte, könnte man darin sehen, dass so einer unter bereits Infizierten verkehrte, ohne Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Wer ins Ausland reist, sollte bestimmte Dinge tun, um gegen die dortigen Gefahren gewappnet zu sein. Menschen in entsprechenden Regionen nutzen nachts Moskitonetze, lassen sich impfen gegen Malaria und bestimmte Dschungelfieber, wenn sie im verseuchten Gebiet unterwegs sind. Die Corona-Pandemie verlangte ihre Maßnahmen auch bei uns zu Hause, aber oft geschieht eine Übertragung solcher „richtigen“ Krankheiten unerkannt und vor allem schuldlos von Seiten des Patienten. Psychische Krankheiten sind (in der Regel) selbstgemachte und weniger konkret, als ein Beinbruch, eine Infektion. Darum kann es unklug sein, zu hoffen, dass „die Psychose“ nicht kommt. Die Psychose und genauso eine der vielen anderen psychischen Störungen sind keine böse Mücke im Zimmer, die uns sticht; und dann haben wir’s, das Problem.

Wir sind schuld daran und doch nicht?

Im Strafprozess wird die Schuldfähigkeit festgestellt. Wer nicht richtig im Kopf ist, darf nicht bestraft werden wie jemand, der weiß, was er tut. Man geht davon aus, Täter und ihre Motive bewerten zu können, die Gesellschaft verlangt Gerechtigkeit und Sühne. Das Gefängnis oder die forensische Psychiatrie sind ein Teil unserer Zivilisation. Die Gesetze anzuwenden, bedeutet geziemende Worte als juristisches Instrument zu erkennen. Da kommen abenteuerliche Formulierungen auf, wenn ein Richter etwa konstatiert, der Angeklagte habe „wissentlich“ gelogen. Das druckte eine Zeitung, ich habe es gelesen, und man fragt sich, wie jemand umgekehrt böswillig eine Wahrheit verschweigt, von der er gar keine Kenntnis hat? Das weiße Pferd ist heute mehr als ein Schimmel, das schwarze nicht bloß der Rappe, und die Leute dividieren sich auseinander? Wie wichtig sich Menschen nehmen, die nicht wissen was sie sagen, tut weh. Das weite Feld psychischer Krankheiten findet statt in diesem Babylon, das unser Zuhause ist.

Wer uns wissentlich belügt, das ist der Psychiater, denke ich. Hier macht die Formulierung insofern Sinn, als dass der smarte Doktor meint, seine Patienten manipulieren zu müssen, das Ganze zum Besten aller geschieht. Also eine Reihe von Beteiligten werden betreut und nicht nur der Einzelfall, was man aber nicht sagt? Der Spezialdoktor sieht seine Aufgabe im Dienst der Gesellschaft. Der Patient denkt, ihm würde gezielt geholfen, was aber nicht ganz richtig ist. Da könnte das Wort „wissentlich“ die sensible Aufgabe übernehmen, ausdrücken zu wollen, wie gut gemeint diese „Lüge“ ist, die da heißt: „Ich helfe Ihnen, damit es ‚uns‘ gut ergeht.“

Wenn der Verrückte ein Gewaltverbrechen begeht, bei dem dieser Geisteskranke nicht wusste, was er tut, wird man seinen Arzt drankriegen, so einfach ist es. Psychiater und Ordnungskräfte sind nicht Freund und Helfer für jedermann. Diese Saubermänner helfen nur den Guten und legen vorab fest, wer würdig ist, beschützt zu werden oder als böse gilt, gefährlich aufgrund von Verdachtsmomenten. Ein Verdacht ist aber nur einer und noch kein Beleg. Im schlimmsten Fall entfacht der dumme Kommissar eine paranoide Glut beim Ausgespähten, die zum Feuer wird, das der Polizist, rechtzeitig vor Ort, austreten kann: „Wir hatten ihn auf dem Schirm.“ Dies wäre so unglaublich nicht, auch wenn der Boulevard davon nichts wissen möchte.

Was ist denn nun ein Fehler? Nackt draußen herumzulaufen, ist verboten und insofern falsch. Und von anderen beim Wichsen zu Hause heimlich gefilmt werden, ist nun wessen Fehler oder Fehlverhalten? Filmt dich dein Nachbar böswillig oder ist es die Kripo, die herausfinden möchte, was auf dem Monitor läuft? Was ist ein geleaktes Video, ein Fehler, und wer machte ihn? Es könnte den Kommissar geben, der auf Augenhöhe sein will mit dem Verbrecher und selbst innerhalb scharfer Grenzen, versteht sich, eigentlich kriminelle Aktivitäten durchführt. Auch gibt es den Verbindungsmann, bei dem der Polizist ein Auge zudrückt, um die benötigte Info ranzuschaffen: Lohnt es sich? Daneben sind die ganz normalen Bösen unterwegs, die ihre Taten einfach so begehen, und es gibt Dussel, die nicht wissen, dass ihr nicht so ganz normal zu sein sie interessant macht für jedermann. Bin ich so einer? Freunde sagen nicht, was Sache ist. Sie wenden sich ab ohne Erklärung.

Manche spotten unbestimmt.

Selbst schuld? Da haben wir offenbar zwei Sorten oder Kategorien von Fehlern, würde ich sagen. Nehmen wir an, ein Beschuldigter müsste sich rechtfertigen für etwas, das ein anderer als falsch ansieht. Da sind Situationen denkbar in der Arbeitswelt. Beim Bedienen einer Maschine wird ein Fehler gemacht. Der Kollege begreift die Ursache einer Fehlproduktion, kennt seinen Apparat, der vom Neuling falsch bedient wurde. Der weist jede Schuld von sich: „Das wusste ich nicht, dass man es so macht.“ Damit könnte das Problem delegiert werden an den, der die Einweisung gegeben hat. Bei Fehlern dieser Kategorie gehört also immer die Frage von Einsicht in die gesamte Situation dazu und ob die Kenntnisse des Handelnden nachvollziehbar sind. Auch vor Gericht mag ein Angeklagter mit einer guten Verteidigung freigesprochen werden, obwohl von seiner Hand ein Unglück eingeleitet wurde. Die Frage, ob Schaden angerichtet, Menschen verletzt worden sind, und ob das wissentlich geschah, ist relevant bei Fehlern.

Die zweite Kategorie bedeutet Fehler, die jemand macht und dieses Handeln anschließend selbst als falsch bewertet, weil das Missgeschick, der Übermut, das Unvermögen, die spontane Bösartigkeit ihm selbst klar aufscheinen. In solchen Momenten, die nach dem Motto „hätte ich besser nicht gemacht“ passieren, kommt hinzu, wie derjenige umgeht mit der Situation. Dabei spielt auch eine Rolle, ob man’s allein im Zimmer mit sich selbst verbockte und dort auch in Ordnung bringt, oder ob es unter den Augen kritischer Beobachter geschah: Man ist verantwortlicher Werfer im Team, haut den Ball ins Aus! Wer sich innerhalb bekannter Regeln fehlverhält, muss sich rechtfertigen. Wer sein Wasserglas umstößt, kommt nicht umhin, die Scherben aufzufegen. Es gibt so gesehen echte Fehler und andere, die vornehmlich durch Bewertung anderer hervorstechen. Da könnte eine Verteidigungshaltung nützen. Gegen den selbstgemachten Bockmist, den man allein wieder wegmacht, ohne dass jemand dazu seinen Senf gibt, hilft nur die Einsicht eigener Unachtsamkeit. Gegen Beschuldigungen von außen kann man sich durchaus wehren. „Für diesen Fehler kann ich nichts“ oder: „Mein Freund hat ebenfalls schuld, der andere Wagen fuhr zu schnell, die Sonne stand so tief und blendete“, usw. Wie lautet der Rat, den man einem geben könnte, der (berechtigte) Ängste entwickelt, er sei zu Hause in seiner Intimsphäre überwacht?

Der erlaubte große Lauschangriff schafft Bedingungen wie im Big Brother Haus, wo die Leute den Alltag zum Schauspiel verdrehen und jedes Handeln eine Rechtfertigung ist, krank. Wenn prognostiziert Kranke, sogenannte Gefährder privat belauscht werden oder solche Menschen überhaupt nur annehmen, es könne ihnen geschehen, werden diese Leute aktiv krank gemacht. Man möchte Psychosen verhindern und löst sie stattdessen aus. Noch schlimmer, nimmt man verstörte Asylsuchende zum Ziel, die sich bei uns nicht auskennen, verstärkt diese Methodik ein Problem, das wir ohnehin mit schießwütigen Ordnungshütern haben. Jetzt kann gezielt gejagt werden. Man macht „den Nigger erst verrückt und ballert ihn anschließend weg“, ist die Devise von Leuten, die auf Formulierungen wie „N-Wort“ nur belustigt reagieren. Die Bildzeitung goutiert es.

Wir insgesamt, die Gesellschaft ist eine verblödete. Eine dekadente Haltung macht uns zum Schilda der Moderne. Der Ruf nach konsequenter Abschiebung ist nur zu verständlich. Die Umsetzung härterer Asylpolitik aber dürfte nicht einfach sein, und viele Probleme können nicht mit gesetzlicher Vorgabe allein verbessert werden. Der uns noch ins Gedächtnis eingebrannte Amok im Regionalexpress bei Brokstedt, ein eskaliertes Geschehen von einem drogensüchtigen, staatenlosen Mann, der überraschend auf freiem Fuß keine Anlaufstelle fand, zeigte erhebliches Behördenversagen, das aber zügig aus der Berichterstattung verschwunden ist. Der Fokus liegt auf dem Betrauern der Opfer. Hätten Sicherheitskräfte den Mann entwaffnet, bevor er mit seinem Messer andere verletzten konnte, würden solche Helfer gefeiert. Wäre der gestörte Täter dabei getötet worden, weinte niemand um ihn. Das war dem Mann bewusst und ist mutmaßlich sein eigentliches Motiv. Wie überheblich Deutschland ist, weiß dieses Land gar nicht und wird einen hohen Preis zahlen. Unser Abstieg aus der Top-Liga der Wirtschaft wird thematisiert, der Grund ist aber nicht bloß der unfähige Wirtschaftsminister. Wir machen falsch, unsere Fehler nicht zu erkennen, wollen nichts merken, belehren lieber, reden Phrasen, steinmeiern.

Diese scheinbaren Haarspaltereien um sattsam bekannte Alltagsprobleme sind so unnütz nicht. Nachdem der sogenannte „Koch Putins“ seinen Flugzeugabsturz nicht überlebte, gab es dort im Land ein Staatsbegräbnis. „Ein Mann, der sich Verdienste erworben hat, aber leider auch viele Fehler in seinem Leben gemacht hat“, resümierte der russische Präsident. Und das, während der geschockte Westen noch fragte, wie überhaupt geschehen konnte, dass dieses Flugzeug spontan vom Himmel fiel? Zum selben Thema: „Der Angriff auf die Ukraine sei ein Fehler“, befand etwa unser Altkanzler, weicht aber nicht davon ab, Wladimir Putin als Freund zu schätzen, obwohl viele ihn auffordern, vom Präsidenten abzurücken. Ob die kriegerischen Aktivitäten Nethanjahus in Israel von uns als Bekämpfung vom Terror zu werten sind oder der Ministerpräsident selbst solchen verbreitet, wird diskutiert. Schauen wir auf die toten und verletzten Zivilisten in diesem Krieg, weinen beide Seiten und fragen sich, wie dieser Konflikt beendet werden könnte? War der Angriff der Hamas ein Fehler? Sind die sich ausweitenden Attacken auf beiden Seiten und der in Gang gekommene Flächenbrand falsch, wer ist schuld daran?

Darüber diskutiert die Welt.

# Stigma

Ein guter Grund, finde ich, eigenes Versagen grundsätzlich milde zu betrachten. Das ist nämlich ein Problem für Menschen, die nicht die breite Brust der Diktatoren oder ihrer Gegenspieler haben, die als Terroristen gelten. Wir könnten sogar lernen, manches besser zu verstehen von Prominenten, die als böse Menschen gelten und doch ganze Völker zum Mitmachen bewegen für ihren Krieg. Unsere Taten, die man uns vorwerfen könnte, für die wir ins Gefängnis, die „Klappse“ müssten oder als Gefährder betreut sein sollten, als krank plus böse gelten nach dem Willen von Ordnungskräften, sind bei weitem kleinere. Wir sind kaum Amokläufer und fliegen in ein Hochhaus, um „den Westen abzustrafen“ wegen Allah. Der typische Gestörte ist dem Druck der Umgebung über alle Maßen ausgesetzt und vermag relativ dazu kaum größeren Schaden anzurichten. Wir machen geringere Blödheiten. Unsere Umgebung spielt sich auf, uns festzunageln und möchte am liebsten unsere Existenz zerstören. Das ist mein Eindruck, tut mir weh und befeuert paranoide Gedanken. Das bedeutet Angst haben, krank zu werden wegen Belanglosigkeiten, die provokativ ins Feld geführt werden von den kleinen Egomanen, denen das vorgeblich ihr Gutsein bedeutet.

Gute Polizeiarbeit, daran möchte ich erinnern, ist gekennzeichnet durch belastbare Indizien, die gegen den Beschuldigten sprechen, wie Zeugen zu ermitteln, die glaubwürdig gegen einen Angeklagten aussagen. Im Bereich von Sexualdelikten steht immer die Frage im Raum, inwieweit im Einzelfall krankhaftes Verhalten zu berücksichtigen ist? Dass ein Täter wie Jeffrey Epstein, der sich vor dem Prozess in seiner Zelle erhängte, krank gewesen ist, mag man als Zeitungsleser nicht glauben, und so wird dieser Mann auch als Pädokrimineller bezeichnet. Auch der in diesen Tagen gesprengte Täterkreis im Darknet, eine Plattform, die Kindesmissbrauch zum Geschäftsmodell hatte, wurde von einem Polizeisprecher so bewertet: Keine Reue sei typisch für diese Täter. Solche Menschen hätten sogar die Überzeugung, meinte der Polizist, Nötiges für die Jugendlichen oder Kinder, die sie doch offensichtlich missbrauchten, anzubieten. Eine pädagogische Verpflichtung würde ins Feld geführt! Solche Männer meinten, eine Aufklärungsarbeit an der Jugend zu leisten und alle hätten Spaß daran, erklärte der Fachmann lakonisch. Da erübrigt sich jede Therapie. Das sind offensichtlich Pervertierte, die jede Vorstellung sprengen und es erschüttert mich, in dieser Nähe gesehen zu werden, ganz ehrlich.

Ich möchte meine Überlegungen noch um einige Gedanken bereichern, die mir, als kreativ motiviertem Künstler, zum Thema einfallen. Das wirklich Böse: Gestern brachte das Tageblatt ein unverpixeltes Bild von Christian B. und dass der Mann gezeigt wurde, hat mich überrascht. In den Nachrichten am Vorabend im Fernsehen wurde der Angeklagte, vermutlich zusammen mit dem Verteidiger, die zweite Person in dieser Perspektive, noch unscharf gemacht. Es hat einen Freispruch gegeben, und das ist eher nicht zu erwarten gewesen für den unbeteiligten Leser, der die Umstände nur aus den Medien verfolgt. Zur Erinnerung, dieser bereits wegen anderer Delikte Verurteilte, wird seit geraumer Zeit verdächtigt im Fall Maddie. Mich berührt das Bild. Ich habe es abgezeichnet und im Menü Linie veröffentlicht.

Aktuell musste sich der Angeklagte in einem anderen Delikt verantworten. Er wurde aus der Untersuchungshaft ins Gericht gerufen und freigesprochen.

Zitat:

„Statt 15 weiterer Jahre in Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung, wie es die Staatsanwaltschaft forderte, könnte er im folgenden Jahr freikommen. Für eine Verurteilung von Christian B. gebe es nicht ausreichend Beweise der fünf Taten in Portugal, sagte die Vorsitzende Richterin. (…) Weiter sagte die Richterin: ‚Wir haben es mit unzuverlässigen, mit zum Teil das Gericht bewusst anlügenden Zeugen zu tun gehabt.‘ (…) Ein Gutachter hatte gesagt, dass Christian B. in ,die absolute Topliga der Gefährlichkeit‘ einzuordnen sei. (…) Der Psychiater betonte aber auch, dass er nur eine Verdachtsdiagnose stellen könne, weil der Angeklagte nicht bereit gewesen sei, mit ihm zu sprechen.“ (Pinneberger Tageblatt, Panorama, Mittwoch, 9. Oktober 2024).

Zitat Ende.

„Bewusst“ gelogen haben die, meint die Richterin. Da ist es wieder, dieses Wort extra. Diesmal sind es die Zeugen der Staatsanwaltschaft, die mit ihren Tricks durchfallen, und das ist ungewöhnlich. Man ist versucht, Sympathie für einen Schwerverbrecher aufzubringen, wenn man’s liest. Es zeigt einmal mehr, wie schwierig das Ganze mit der Wahrheitsfindung ist, wenn man, damit beauftragt, zu Potte kommen will. Außerdem hilft es, sich klar zu machen, nie die Flinte ins Korn zu werfen, wenn Anschuldigungen im Raum stehen und besonders, wer gar nicht fassen kann, in welchem Horrorfilm er gelandet ist, darf sich nicht kirre machen lassen. Da kann niemand sicher sein, wessen Rolle nur gespielt ist, und wo das Böse tatsächlich zu verordnen ist.

In jedem Fall, wo viele Unsicherheiten bleiben; Klappe halten, ist mal besser. Mich gruselt die Sache. Zum einen scheint hier ein hochgefährlicher Mensch die Klugheit besessen zu haben, den Mund zu halten im richtigen Moment. Das wirkt nicht krank auf mich. Auf der anderen Seite drängt sich der erschreckende Verdacht auf, deutsche Ermittler wären so sehr von der Idee begeistert, einen internationalen Fall aufzuklären und hätten gern ein Monster zur Verfügung gehabt, zufällig schon inhaftiert, das ihnen gut in die Theorie passt. Dabei sind die Staatsanwaltschaft und ihre Kommissare an einer peniblen Justiz gescheitert, die letztlich nicht mitmachen wollte in einer offensichtlich und bewusst konstruierten Farce.

Gehöre ich selbst genauso in eine Liga der soundso Gefährlichen, und sei es auf einem Nebenschauplatz? Ich frage mich das. Gibt es einen Gutachter, der das über mich behauptet, oder sind es nur die falschen Freunde, denen ich mich anvertraute (Kalle, das Wildschwein, und andere in dieser Provinz). Muss ich mich rechtfertigen? Wer könnte was gegen mich Töffel in der Hand haben wollen, frage ich mich jedes Mal, wenn ich dergleichen lese von kapitalen Sexualverbrechen? Ich bin kein Stalker. Das könnte keine gegen mich anführen mit nur dem Hauch einer Chance vor Gericht. Ich habe weder Kinderpornos auf meinem Rechner noch bin ich ein kranker Gefährder. Natürlich, ich male grenzwertige Bilder, schlug zu, ja. Ich war in einer geschlossenen Psychiatrie unter Beschluss und nicht nur einmal. Warum sollte ich’s verschweigen: Ich habe es mir nicht ausgesucht, krank zu werden. Mein Leben fand quasi gar nicht statt. Daraus will man mir auch noch einen Strick drehen? Diese Leute sollten sich mal klar machen, wie viele regelmäßig psychisch Erkrankte bei uns leben und das nur, um die Relation im Auge zu behalten, die Zahlen statistisch zu vergleichen mit anderen Krankheiten, etwa Corona oder Grippe.

Wenn wir „Psychos“ fort wären, die nur irgendwie als „fremd“ Bezeichneten das Land verlassen würden, Remigration – unglaublich (!), bliebe nur „der doofe Rest“ nach, einige wenige Idioten. Dann hätte Deutschland sich tatsächlich abgeschafft. Das mögen sich die mit großer Klappe überlegen. Oh ja, sauer bin ich, voller Hass: Das gebe ich zu.

Wo Rauch ist, müsste auch Feuer sein, meinen viele? Ich denke, habe mir bildlich gesprochen eine Zigarette angesteckt, aber jemand behauptet: „Bei Bassiner brennt es!“ Dinge verselbstständigen sich. So viel Kummer, und das soll alles ich allein verantworten? Leid tut mir, dass die junge Frau, die ich so bewundert habe, mochte –.

Alles was wir erlebten, ist in einer Mülltonne mit falschen Gefühlen gelandet.

Wir haben bezahlt für unsere kindische Naivität, und die anderen machen einfach immer weiter.

# Epilog

Gestrauchelte (aus dem Sport) wie Uli Hoeneß, Boris Becker oder Christoph Daum sind gerade deswegen Vorbilder, weil sie trotz Fehltritten ihr Selbstbewusstsein regenerieren konnten, die Existenz reparierten. Leute, die für gewöhnlich mit dem Finger auf solche Ausnahmemenschen zeigen, wenn die Mist bauen, können meist wenig Eigenes vorweisen. Typischen Neidern scheint es nicht möglich, die Bemühungen der Abgestraften zu würdigen, ins Leben zurückzufinden. Bei Prominenten „würde mit zweierlei Maß“ gemessen, Reiche würden bei Fehlern milde behandelt, besser gestellt, heißt es gern. Wenn das so ist, kann unsereiner, unbedeutender Psycho dasselbe für sich einfordern, im Falle von Gegnerschaft einer Gesellschaft, die so verlogen ist wie nur was.

Wissentlich übrigens.

🙂