Mehr merken, ein Editorial

Eine Ansprache an die geneigten und, wie ich hoffe, mir gewogenen Betrachter, Leserinnen (vorsorglich in beiden Geschlechtern erwähnt), gleich zu Beginn und am Eingang hier in meine kleine Welt scheint nötig! Die Angst sei ein Tiger, „den müsse man reiten“, gab mir seinerzeit ein Arzt mit auf den Weg. Es hat nicht viel geholfen. Ein hingeworfener Spruch ist das eine und ein guter Happen vielleicht, aber schöne Worte ins eigene Fleisch und Blut integrieren, das andere, schon schwierigere Unterfangen. Ratgeber übernehmen Verantwortung und wissen das oft gar nicht. Ungefährlicher ist es, ein Buch zu schreiben, als dem Hilfesuchenden ins Auge zu sehen und versehentlich Guru zu werden. Noch unbestimmter kann man als Künstler auftreten, Bilder und Wortgemälde als Interpretationen des eigenen Erlebens verbreiten.

Mich irritiert, und ich will mich nicht abfinden damit, dass meine ganz eigene Bewältigung des immer wieder in diesen Zeilen thematisierten Problems zum Monolog gerät. Ich erkenne mich als Oase in der Wüste, die andere als bloße Fata Morgana leichthin ignorieren.

Es ist durchaus auch eine Absicht dahinter, den vergleichsweise hinterletzten Platz einzunehmen für diesen Sermon. Musiker, die üben, wissen um das Problem: Ungeschliffenes spricht man in die leeren Pläne, trainiert die Rede ohne Publikum allein. Das Ganze, was ich von Bord meines kleinen Bötchens aus so überbordend ausschmücke, blumig bis zur üppigen Blumenwiese überdünge, ist ja nicht auf meinem ureigenen Mist gewachsen.

Eine Idee ist auf fruchtbaren Boden gefallen.

Mir hilft das von Moshe Feldenkrais entwickelte Bewegungstraining, mich als ganzen Menschen zu begreifen. Das geschieht weniger durchs Leitmotiv: „The whole man must move at once“ – ein bekannter Aphorismus, der offenbar aus Schriften von Hugo von Hofmannsthal Eingang in die moderne Literatur gefunden hat, wo mancher Autor ihn sinnstiftend nutzt – als vielmehr durch die praktischen Lektionen, sich gehörig selbst auszuprobieren. Das Herumturnen und Nachspüren am Boden oder anderswo in Eigenregie weiterentwickeln zu können, bald entsprechende Kurse nicht mehr nötig zu finden, das Buch beiseite zu lassen, macht diese Methode so unverwechselbar genial. Seit vielen Jahren ist das eine Lieblingsbeschäftigung von mir.

# Für Verbesserungen gibt es keine Grenze …

„Das Streben nach dem Richtigen nimmt einem den Wind aus den Segeln.“ Diesen Satz zu verstehen, ein ungefähres Zitat, ermöglicht uns, den eigenen Maßstab zu nutzen und sich selbst in mancherlei übertreffen, was gestern noch unmöglich schien. Während wir normalerweise so weit wie „die anderen“ wollen und scheitern, weil wir sofort etwas möchten, das unsere Fähigkeiten übersteigt, bietet klügeres Denken die Chance, der eigenen Realität nachzuspüren. Mir haben diese Ideen so sehr geholfen, dass ich wenige Sätze wie eine Skizze voranstellen möchte, vor diesen Text und als Kopf meiner Arbeit überhaupt.

Ich habe mir eine elegante Denkweise zu eigen gemacht, übernommen von einem Lehrer, dem ich nie begegnete und der manchen Leuten wohl so derbe wie ungehobelt erscheinen würde auf den ersten Blick. Das ist mit Sicherheit ein Fehler, geschuldet einer Betrachtungsweise, die obenauf mitplappern möchte. Feldenkrais ermuntert dazu, eigene Wege zu gehen und seine Theorien selbst praktisch weiterzuentwickeln. Das mache ich jeden Tag. In einem Zeitgeist zu leben, der seine modischen fünf Tibeter vergessen hat, über Qigong und Lachyoga weiter zum Spinning hüpft, kann belustigen. Es frustriert aber auch. Eigene Texte sollten hier gemäß dem Wort: „Nur wenige denken, aber alle wollen mitbestimmen“ – welches (der Vollständigkeit halber erwähnt) Friedrich der Große bekannt machte –, auf einem bescheidenen Platz veröffentlicht werden. Der Lächerlichkeit gibt man sich besser unbeobachtet preis. Andere auszulachen, muss die Mehrheit ja nicht üben. Wir stehen nichtsdestotrotz auf den Füßen der Älteren und sollten uns nicht schämen, Fehler zu machen.

Etwas nicht hinbekommen, tut mal weh. Angst bestimme uns, heißt es, und der Schlüssel soll sein, den Tiger zu reiten? Manche üben wohl auf einem hölzernen Bock. Unsere Versuche sind individuell. Und zu malen, ein wenig schreiben, das hilft schon. Niemand von uns hat die Welt erfunden. Wir sind unterwegs mit unseren Ideen, schmücken uns mit fremden Federn, satteln was drauf. Müsste ich Ross und Reiter nennen, wie ich alles mache, klarkomme – Moshe ist das Pferd.

# Diagnose: „Kunst!“

Psychische Krankheiten sind selbst gemachte. Wieder loszukommen davon und zwar dauerhaft, bedeutet, auch dem Psychiater Adieu zu sagen. Die Schwächen dieses Berufsstandes begreifen, das zur Krankheit gehörende Stigma zu erforschen, wird zur Folge haben, über das Normale hinauszuwachsen. Normalität ist kein Maß, wenn es darum geht, gesund zu leben. Ein Normaler merkt weniger als ein Gesunder. Die Zivilisation ermöglicht verkümmerte Vitalität und abwegige Verhaltensweisen, schafft ihre eigenen Probleme.

Menschen lernen, Gefühle zu unterdrücken, um Ziele zu erreichen. „Beiß die Zähne zusammen!“, wird etwa geraten. Für einem unangenehmen Termin, der gleichwohl als bedeutsam für die Karriere empfunden wird, gewöhnen wir uns an durchzuhalten. Selektieren können, was wichtig ist, heißt zielgerichtet (und effektiv) das eigene Selbst zu nutzen. Organismen wie wir müssen manches ausblenden, um unwichtige von wesentlichen Reizen zu unterscheiden. Das gerade macht Individualität aus. Wären unsere Lebenswege genormt, könnten diese Pfade für alle gleichermaßen sicher ausgebaut werden. Menschen dürften vollkommen angstfrei ihrer Berufung folgen, wenn dieser Ruf eine uniforme Gesellschaft beträfe und entsprechend gleichlautend abgefragt würde. Spezialisierte Ausbildungen, die anschließend junge Menschen wie Bienen an ihre Waben andocken möchten, locken damit, genau diese Sicherheiten zu bieten.

Herausforderungen sind aber das Salz in der Suppe vom persönlichen Erfolg. Es kommt vor, dass manche Hürden als größere, aber nötige Schritte empfunden werden. Dafür sind wir bereit, unser Wohlbefinden dem Leistungsdruck hintenanzustellen. Man kann es übertreiben und schließlich gewohnheitsmäßig Gefühle nicht mehr wahrnehmen, wie ein Roboter funktionieren. Damit gelingen manche Leben einigermaßen, aber viele bringen sich um die Vielfalt vitaler Emotionen. Am Schlimmsten trifft das Verdrängen unangenehmer Erlebnisse als eine zunächst nützliche Methode diejenigen, die das nicht immer gleich gut hinbekommen. Das sind wohl Menschen, die nicht wissen, was sie tun. Sie stellen etwas mit sich an, Angst zu unterdrücken und merken nicht, dass sie’s überhaupt tun. Da werden innere Informationskanäle gekappt von einer Diktatur im Gehirn. Und wie das bei derartigen Systemen passieren kann, kommen revolutionäre Truppen gelegentlich doch bis zum Regierungspalast, umgehen die Sicherheitssysteme und greifen den Herrscher direkt an. Das wäre im Sinne dieser Beschreibungen eine massive psychische Erkrankung, welche denjenigen überraschend ereilt. Das nennt der Psychiater Psychose.

Gefühle sind für die meisten Menschen umgangssprachlich ein irgendwie. Das ordnen wir zwischen Verstand und Verhalten als geistigen Zustand ein. Dem Verliebtsein wird immerhin ein Kribbeln zugestanden und der Angst genehmigen wir, würgend zu sein oder auf den Magen zu schlagen, aber dass Gefühle im Körper gespürt werden, übersieht man doch oft. Tatsächlich fangen die Probleme beim Gebrauch der Sprache an, weil wir uns daran gewöhnt haben, in Worten zu denken. Beim Sprechen kommen die Worte nacheinander in Sätzen daher. Wenn wir vom Geist und dem dazugehörigen Körper reden, sollten wir nicht übersehen, dass hier eine Einheit unterwegs ist. Wenn also Gefühle unterdrückt werden, können wir fragen: „Wer drückt denn?“

Wir könnten das tun, und wir müssten es so machen, wollten wir die Psyche dort verordnen, wo sie hingehört: Unser Gehirn leitet nicht irgendwas, sondern einen dazugehörigen Körper. Das ist nicht der Leib von jedermann. Dabei gehöre es eigentlich zu begreifen, wie individuell die Zentrale Einfluss auf das System nimmt und letztlich eine Fehlanpassung geschieht, wollten wir auf der Basis guter Theorie handeln und behandeln. Nur im Ausnahmefall gelingt es dem Patienten, den nötigen Zugang zur Erkenntnis für eine wirkliche Besserung selbst herauszufinden.

Der psychiatrische Facharzt weiß das besser als seine Patienten, verhilft aber nur umwegig dem Betroffenen zur Gesundheit und mehr der Gesellschaft insgesamt zur Stabilität. Die moderne Medizin entwickelte sich wie andere Märkte nach dem Prinzip des besten Angebots. Mit jedem neuen Verfahren – etwa in der Chirurgie – wurden bessere medizinische Leistungen möglich. Unser Fortschritt setzt den mündigen Bürger voraus als Antreiber eines Systems, in dem alle gewinnen. Das wirkt sich auch direkt auf den Einzelnen aus, vorausgesetzt, dass dieser so mündig wie bei Verstand ist, den Weg zum für ihn nützlichen Ort zu gehen. Das Ziel einer Gesellschaft insgesamt ist gemeinschaftliche Leistung und entsprechende Verbesserung relativ zu gestern. Unsere rechtsstaatlichen Strukturen haben den demokratischen Ansatz, weil hier die Einzelnen gestärkt werden und damit die Gesamtheit. Die Stärke dieser Denkweise beinhaltet das Risiko zersplitterter Motivationen, wohin die Reise gehen sollte. Die Hierarchie wird durch einen weltumspannenden Druck nach größter Effizienz bestimmt. Damit sind dem besonderen Staat und weiter dem Einzelwesen darin Grenzen seiner Individualität gesetzt.

Keine Gesellschaft leistet mehr soziale Hilfe, als die Allgemeinheit bereit ist mitzutragen. So ist das Schicksal psychisch Kranker von vornherein der Funktionalität vom Ganzen untergeordnet. Man hilft im Sinne der gemeinschaftlichen Integration wie bei Arbeitslosigkeit, Resozialisierung allgemein und weniger bestmöglich dem einzelnen Kranken. Das hat auch Nachteile. So müssen wir einsehen, dass die Menschheit nicht nachhaltig lebt. Unser Fortschritt wird mit dem Raubbau verfügbarer Ressourcen bezahlt. Die Schäden an der Umgebung sind immens. Eine nachhaltige Struktur dürfte nicht wegwerfen und bräuchte ökonomische wie ökologische Kreisläufe. Das hieße, den Menschen nicht als Wesen in der Natur zu sehen, die er ausbeutet, nutzt, umgestaltet und künstlich verändert, sondern als Teil davon. Als organische Lebewesen sind wir das ohnehin. In diesem Sinne müsste auch Reintegration verstanden werden. Psychisch Kranke, entlassene Straftäter und weitere, eher schwierige Mitglieder einer Gesellschaft sollten bestenfalls mehr sein als recycelter menschlicher Müll. Ein System, welches sich kommerzialisiert definiert, bedeutet wohl, dass jeder dem anderen nützt und so einen Wert gegenüber dem Ganzen darstellt. Das Prinzip dürfte scheitern, wenn es auf den Beinen moderner Sklaverei steht, die aber nicht so genannt wird. Ausbeutung hat viele Gesichter. Wenn der Anteil wenig nützlicher Mitglieder größer wird und die Lösung des Problems in seinem Verwalten, Einlagern (wie lebloses Material) gesehen wird, kollabieren wir, falls diese bloß ruhig gestellten Menschen unkontrolliert aufbegehren.

Selbstüberschätzung wird unser Ende bedeuten, wenn wir nicht in der Lage sind, uns anzupassen. Das verlangt, den menschlichen Organismus als Teil natürlicher Abläufe anzuerkennen und uns als Lebewesen wie auch die Umwelt lebenswert zu erhalten. Der konsequente Weg in die gegenteilige Richtung ist tatsächlich denkbar. Das hieße, den Menschen aus Fleisch und Blut nach und nach zu technisieren und die zunehmend kaputte Natur nicht als solche zu sehen. Haben wir das in der Hand zu bestimmen? Eine Kastration jeglicher Eigeninitiative bei Störern mithilfe von medizinischen Eingriffen in ihre ursprüngliche Leitungsfähigkeit erscheint nicht wenigen als die beste Lösung eines Problems, das ursächlich von der trägen Mehrheit provoziert wird. Der viel schwierigere Weg, die psychische Gesundheit bei sogenannten Auffälligen nachhaltig zu regenerieren, dürfte nur ausnahmsweise gelingen. Unmöglich ist das aber nicht.

Der nur mit Pharmazie und künstlichen Bauteilen instrumentalisierte Mensch ist bereits Realität. Wem so zu leben gefällt, soll dabei mitmachen. Eine Alternative darf nur eine sein, wenn diese anderen vermittelt werden kann als genauso gute oder bessere Methode, im Leben klarzukommen. Dazu kommt die Schwierigkeit unserer Vorliebe, Augen und Ohren vor der Wahrheit zu verschließen. Es gibt nachhaltige Lebensweisen, auch gesunde Ernährung wird in vielerlei Information dem Interessierten zur Verfügung gestellt. Nicht wenige könnten die nötigen Änderungen in ihrem Leben selbst in Angriff nehmen und passende Produkte verwenden, anstelle ungesunde Lebensmittel zu essen oder krank machende Verhaltensweisen beizubehalten. Der Kern des Problems findet sich demnach im Motivationsfeld des Einzelnen.

Überhaupt die Einordnung von psychischen Krankheiten als solche, in quasi eben diese Spezies vorzunehmen, macht das Problem sichtbar. Damit wird dem Psychiater ein Beruf gegeben, dem dieser Facharzt nur im Sinne allgemeiner Problemlösung nachkommen kann. Den individuellen Leib des Patienten, also den Ort, an dem dieser seine Gefühle erleidet, ignoriert der Arzt für seine Therapie. Die verwendete Medizin lähmt die ausufernden Gedanken, wie sie den Körper versteift. So gerüstet, wird der Hilfesuchende wieder auf die Bahn geschickt wie ein Rennfahrzeug anschließend seines Boxenstopps. Der Arzt betrügt seinen Kunden um die volle Wahrheit und bietet eine halbe Medizin, eine Art Pflaster klebt man auf die Seele. Kommt es zu neuen Schüben der Erkrankung, behandelt der Arzt nach der Methode „mehr desselben“ und babbt nochmals drauf. Der Psychiater arbeitet keinesfalls ganzheitlich. Mit der Pharmazie als Partner, stellt so einer die Funktionalität der Patienten wieder her. Dabei wird weniger Rücksicht auf die Individualität genommen, als es nötig wäre, wollten wir gesunde Menschen anschließend einer Behandlung – oder bloß funktionierende? Man kann funktionieren, und man kann leicht und angenehm funktionieren. Unser eigenes Wohlfühlen steht für die allgemeine Umgebung nicht an erster Stelle. Die anderen möchten, dass wir sie nicht stören und bestenfalls nützlich unterstützen in den bereits bestehenden Unternehmungen.

# Warum dabei sein?

Offen sein, plaudern hilft mir. Dabei oberflächlich zu bleiben, ist leider ein Muss. Es gibt Ausnahmen, und sie machen das Leben angenehm, schöne Momente! Nicht selten aber verstört die Umgebung. Ich stecke in einer Schublade und komme da nicht raus. Menschen, die schon einmal oder sogar mehrfach psychisch erkrankten, werden das dazugehörige Stigma nie mehr los. Gelingt es ihnen, zukünftig gesund und integriert zu leben, zahlen sie einen hohen emotionalen Preis. Die nötigen Fachärzte haben sich rückblickend als teilhelfende erwiesen, die Probleme hauptsächlich kanalisierten, aber nicht lösten.

Nicht mein Freund und Helfer; falls man mit der Polizei in Konflikt kam, legt diese dauerhaft gespeicherte Aktenordner an. Schon mein Großvater kannte das Kürzel GKR und andere, wie sie in der Marine mit Bleistift am Rand der Personalakte notiert waren. „Er ist HWG“, sagte man vielleicht. Damit wurde jemand zum Kameraden, dessen „häufig wechselnder Geschlechtsverkehr“ aufgefallen ist. Die Gaunerzinke des bösen Bullen ist nichts Neues. Sie kann, als sparsamer Hinweis an vermummte Freunde weitergegeben, das passende Instrument werden zum geplanten Kollaps.

In der Zeitung stehen gelegentliche Beschreibungen, die ins schmutzige Bild passen. Das zivile Fahrzeug verfolgt den Ahnungslosen, vor der Wohnung bedrohen dunkle Männer den Autofahrer und seine Familie. Die Polizisten geben sich nicht als solche zu erkennen, verweigern, den Ausweis zu zeigen und üben Gewalt aus. Eine harmlose Verkehrskontrolle „sei völlig eskaliert“, lese ich aktuell. Man plädiere auf Bewährungsstrafen der beteiligten Beamten. Sie hätten durchgängig geschwiegen im Prozess, heißt es im Tageblatt. Davon sollte auch jeder normale Bürger lernen. Niemals würde ich einen Polizisten unterstützen, wenn ich irgendwas bezeugen sollte, von dem ich meine, es ginge mich nichts an. Ich schätze den Berufsstand als Kollegen ein, die sich kollektiv gegen mich stellen könnten und beste Techniken draufhaben. Die Nummer vom Rechtsanwalt ist griffbereit.

Unter Verdacht: Ordnungshüter lassen nicht locker, in uns den Bekannten zu sehen und nie einen Menschen wie ihresgleichen. Sie möchten ihr willkommenes Material im Auge behalten. Die arbeiten mit strafbaren Delikten und klären mitnichten Verbrechen auf. Sie stellen Fälle logisch dar und entwickeln plausible Hintergründe für das Gericht. Die Polizei hilft nicht, verbessert die Welt kaum, sondern der Kommissar sucht nach Belegen für die Staatsanwaltschaft. Eine konstruierte Situation herbeiführen mit dem latent neurotischen Spinner, kann lukrativ ausgebeutet werden vom vorbereiteten Beobachter. Verdeckte schikanieren Menschen, die bereits auffällig wurden und platzieren Schauspieler. Man testet unter Belastung die vermeintliche Gefährlichkeit. Sich zuspitzende Alltagssituationen werden bewusst kreiert. Armselige Laiendarsteller drängeln sich beim Anstehen im Laden vor, vorgeblich neurotische Drängler klemmen ihren Wagen hintendran auf der Straße und hupen, gestikulieren. Die Häufung der Situationen ist verräterisch, wie das spontane Ende sämtlicher Provokationen auffällt, wenn man irgendwann nicht mehr reagiert.

Ein Einkaufszentrum gibt die Basis, Menschen zu treffen. Es wird von einer Betreibergesellschaft gemanagt. Diese sorgt für den gewünschten Eindruck, ein smarter Handelsplatz soll es sein. Man will den schmucken Einkaufstempel, warm im Winter und mit gemütlichen Bummlern, schön. Hässlichkeit oder schmutzige, ja gefährlich Gestörte und abstoßende Paradiesvögel mit etwa einem Vogelnest im Haar werden beiseite genommen für ein Gespräch. Man probiert, sie loszuwerden. Das machen Menschen, die ohnehin oft in dieser Umgebung sind, nette Leute eben, und möglicherweise ist es Straßenarbeit vom Gesundheitsamt, verdeckte Betreuung? Die halten sich für unauffällig, sind es aber nicht. Wenn immer dieselben Menschen mit offensichtlichen Problempersonen kommunizieren, liegt der Verdacht nahe, dass es nicht zufällig geschieht. Peinlich finde ich, selbst angesprochen zu werden: „Bist du nicht der Bassiner? Ich mag deine Bilder“, behauptet ein Typ, nervt. Er versucht sofort, mein Verhältnis zur Bürgermeisterin zu thematisieren. Ich sage ihm, was schon jeder weiß und verabschiede mich zügig. Ein anderer, ein penetranter Opa, der tatsächlich vorgibt, er wäre Polizeibeamter in Rente, quatscht mich an, ob mir nicht kalt sei ohne Jacke? Blöde Anmache ist das wohl kaum, sondern armselige Absicht steckt mutmaßlich hinter solchem Gerede. Ich bin überzeugt, so einer möchte mich menschlich einschätzen, was ich anstellen könnte oder nicht. Seine Bewertung und Prognose, wie ich reagieren könnte, ob ich intelligent sei, gefährlich etwa, dürfte der Alte an geeigneter Stelle rapportieren.

Er wirft sich in die Brust: „Bei der Weihnachtsfeier der Kollegen bin ich noch dabei!“

Ein alter Idiot kann viel Unheil anrichten. Der rufmordet, von sich selbst begeistert, um noch dazuzugehören? Die klare Grenze vom rechtlich definierten Staat zur Selbsthilfegruppe einer Bürgerwehr gibt es nicht. In der Provinz sind die Kindergärten und Schulen, Kirche und ehrenamtliche Anlaufstellen für manches Angebot mit der Politik und Verwaltung eng vernetzt. Jeder kennt jeden, und die Regierung trifft die Kripo noch persönlich. Der Nachrichtendienst ist ein guter Freund. Die Politiker am Stadtrand der Weltstadt sind so eitel wie doof. Besonders die Sozialen darf man nie wählen, ist meine Erfahrung. Zurückgeblieben bei den überkommenen Ansichten aus der Glanzzeit ihrer Partei, haben sie hier den Schuss der Zeitenwende nicht gehört. Sie sind nicht ehrlicher, menschenfreundlicher, als ihr lieber Olaf es vormacht. Ein Kanzler, der manches vom Donnerbalken abprotzt: Die Rotbacken können Krieg. An der Spitze solcher Parteiapparate thront eine hübsche Marionette, instrumentalisiert von Interessengruppen. Unsere Bürgermeister:innen über die Dörfer sind zunächst bloß eingebildete Menschen. Im Turm am Städtchen regieren sie oft inkompetent. Das sind vor allem Renommisten im Sinne von Erich Kästner in seinem schönen Gedicht. Solche glauben ihre eigenen Lügen gar, wusste der liebe Kollege. Schließlich muss jeder seine Klöße schlucken.

Es werden sogar Jugendliche animiert, ein wenig zu spionieren, glaube ich. Es macht keinen Sinn, den Wahrheitsgehalt abstruser Annahmen prüfen zu wollen, wenn diese sich beängstigend aufdrängen, und jeder muss seine eigene Lösung finden, damit umzugehen. Attraktiv konstruierte Lockvögel erzeugen paranoides Unwohlsein. Man möchte wissen, ob sich unsereiner als bekannter Geisteskranker auch in die Ecke „kranker Sexualstraftäter“ einordnen lässt? Da dürften vielerorts erprobte Methoden der Behörden zum Einsatz kommen, polizeibekannte Sonderlinge regelmäßig zu kontaktieren (mit zweifelhaftem Erfolg). Willfährige Zuarbeiterinnen passen den Moment für scheinbar zufällige Begegnungen ab, um den möglichen Aspiranten für eine Karriere als potentiellen Gefährder aufzugeilen, den Zugriff zeitnah im Gepäck vorbereitet, versteht sich. Davon bin ich überzeugt. Mich macht dieses Denken gesund und bösartig. Heute bin ich lustvoll Sexist und Frauenhasser. Spott bestimmt mein Leben. Ich suche die Isolation, balle die Faust in der Tasche, wenn ich das Haus verlasse und spiele fröhlich Theater. Normales Vertrauen in andere Menschen oder den Staat als sichere Rahmung meines Daseins kenne ich nicht mehr.

Meine Verbindungen sind alle kaputt. Ich kommuniziere flach. Meine Erfahrungen haben aus mir einen anderen Menschen gemacht. Frühe und langjährige Freundschaften sehe ich aus dem neuen Blickwinkel. Gelang es, sozial integriert zu bleiben, und hat man immerhin die nötige Kompatibilität dafür hinbekommen, werden die Freunde weiter ihre Hand drauf halten, dass man bleibt wie gewohnt und behaupten, das sei eine schützende Geste ihrerseits. Mindestens hinter vorgehaltener Hand betreiben alle Rufmord. Familienmitglieder erkennen ihre Position nach dem Motto mitgefangen, mitgehangen. Das bedeutet eine Absetzbewegung beim Erben und ein Zusammenhalten, wenn es nicht anders geht. Liebe ist anschließend noch fünf Buchstaben wert. Beziehungen können höchstens Beiwerk sein, ein Blumentopf mit welk gewordenem Gestrüpp im leer gewordenen Zimmer. Einsamkeit muss als nützliche Pflicht taugen. Zur Kunst gezwungen, nicht mehr anders können, davon kommt das hier.

Als Warnung, nicht Aufforderung, leicht drüber zu gehen (als Lesehilfe für Querleser), steht auf dieser Plattform – ehrlicherweise zugegeben – in jedem Text weitgehend doch dasselbe. Ich probiere, Versatzstücke zu variieren. Das ist mir eine künstlerische Beschäftigung geworden, mit Worten zu spielen, mit Geschichten meine Erfahrungen garnieren. So ein Unterfangen gelingt nur mehr oder weniger unterhaltsam. Niemand druckt mein Wort. Damit kann keiner was verdienen. Ich wiederhole mich. Es mag sein, dass Fremde hier lesen, schauen, und das Gezeigte ihnen etwas gibt? Das bekomme ich nicht mit. Es gibt fast keine Reflexion. Wäre ich hochbekannt, auch anerkannt als Künstler, hagelte es vermutlich Anmerkungen und mehr davon, wenn die Öffentlichkeit diese teilen könnte. Menschen, die selbst nicht malen, möchten für ihre Lautmeldungen Resonanz bekommen. Auf jeden Fall ist das ein Grund, sich als Künstler gerade nicht der Allgemeinheit zu stellen. Dazu kommt, die Regeln der Community erledigten mich schon gleich von Anfang an. Man schöbe mich ab als gestörten Pornografen. Meine verschachtelte Sprache bliebe ein Hindernis, und ich komme ja nicht los davon. Da muss das Augenmerk auf dem Schaffen liegen. Ich gehe mit der Präsentation auf der eigenen Galerie weit genug vor die Tür mit meiner speziellen Kunst. Wem daran liegt, weil ich im Westen von Hamburg immerhin lokale Bekanntschaft erlangt habe, dürfte den Weg finden.

Ich denke nach, wie es wäre, täglich Kommentare vorzufinden, und mein eigenes Verhalten bezüglich fremder Kunst hilft dabei. Gerne schaue ich vieles an, ohne zu applaudieren. Ich selbst würdige manches nicht, obschon mir das gefällt. Wenn ich YouTube nutze, kommentiere ich niemals. Oft begegnen mir berührende Videos. Da gibt es hervorragend gut gemachte Darstellungen. Aufrufe zeigen das nur ungefähr. Man findet durchaus unbekannte Sachen, die anspruchsvoll sind. Wortmeldungen spiegeln die Realität nur bedingt wieder. Wenn ich etwas zu meinen Sachen gesagt bekomme, sind die Aussagen Vermeidungen.

Jemand bewundert „die vielen Backsteine“, die ich in dem Bild mit der Bushaltestelle malte.

Die Segler haben meine Erzählungen als zu kontrovers von der Website unserer Interessengemeinschaft entfernt. Sie folgen derselben Angst wie unsere Pastorin, deren Name hier nicht erscheinen durfte neben unserem gemeinsamen Projekt Seelsorgebank. Ich bin Persona non grata. Sie tun freundlich, diese guten Menschen. Für ihre jeweiligen Unternehmungen bin ich gern gesehen als Mitsegler oder beim Grillfest dabei, als Sänger in der Kantorei, Handwerker für ungewöhnliche Bastelarbeiten. Neben mir fotografiert, möchten sie aber nicht sichtbar stehen. Man trifft sich zweimal – im Netz und draußen, ist meine Devise. Ich habe verstanden, nackt und feige sind die meisten Leute. Mit einem Pappkarton auf dem Kopf laufen sie scheinbar rum, halten sich schützend die Augen zu nach dem Motto, man sehe sie selbst auf diese Weise nicht, wie kleine Kinder es tun? „Bloß nicht auffallen neben ihm“, denken sie, und blöd sind sie doch. Die Reaktionen sprechen Bände, wenn einige Zeit vergeht. Man sieht sich wieder, und einer nach dem anderen fliegen sie aus meinem Leben raus. „Einen schönen Tag wünsche ich dir“, grüße ich, wie man es heute macht. Da kommt es auf die Nuancen an, einen guten Smiley hinzubekommen, der das alles ausdrückt.

Das Leben als solches nachzuprüfen, was es mir bedeute, dafür nutze ich die Website. Mir haben zahlreiche Einbildungen durchs Leben geholfen, die ich aber aufgeben musste für eine härtere Wirklichkeitsauffassung. So gesehen, betrachte ich meine Tätigkeit weniger unter dem Aspekt der Kunst, sondern vielmehr als nötige Verhaltensforschung. Mir gefällt, individuell zu denken und Reaktionen draußen auf der Straße zu erleben. Ich möchte selbstständig gesund sein und mit so wenig fremder Hilfe auskommen wie möglich. Staat, Politik, Polizei, Freundschaften und Liebe, alles hat sich als Fata Morgana erwiesen. Gott, wie in der Kirche beschrieben, ist so nicht: Nicht beten hilft.

Als soziale Wesen möchten Menschen sich mitteilen. Andere zu Wort kommen lassen, wird als eher nötiges Übel hingenommen. In der Konsequenz dieser Erkenntnis sollte sich jeder seinen kreativen Platz selbst schaffen, wo er den anderen weniger auf den Wecker geht. Wer wie ich nur angefragt wird, wenn die Gesellschaft Mitmacher für etablierte Projekte sucht, findet notgedrungen eine individuelle Lösung. Galeristen und Kollegen treten mich weg. Solche benötigen zeitgemäßen Schmier, der nicht stört. Kunst wird mein beachtliches Œuvre nie genannt, sondern Hobby. Menschen, die das Jahr über hart arbeiten, wie sie sagen, begreifen den Unterschied zu ihrem eigenen Gehampel in der kostbaren Freizeit nicht. Solche kaschieren Neid mit Überheblichkeit, und das sind Freunde von mir. Wir segeln zusammen und auch gegeneinander Regatta. Das ist tatsächlich ein Hobby. Ich mag nicht dekorieren und weiß vieles besser, aber niemand will das wissen, ist mein Eindruck. Es dürfte eine weit verbreitete Not sein. Manche schreiben den eigenen „Roman für die Schublade“ aus diesem Grund. So bleibt man für sich zwischen den anderen und kann den eigenen Wert, wie man selbst ihn sich gibt und was tatsächlich vom Gegenüber zurückkommt, besser einordnen. Ich jedenfalls möchte meine Ideen leben. Keine Pillen, keine Salben, keine Arztbesuche, ohne Vorsorge klarkommen, wann immer ich’s mich traue und die Konsequenzen tragen, falls ich mein Befinden falsch einordnete, eine medizinische Notlage eintritt. Das ist mein Prinzip, und tatsächlich nützt mir diese Galerie, den Weg lustvoll auszugestalten.

Mir geht es gut, viel besser fühlt sich alles an. Das kommt nicht zuletzt vom reinen Gewissen. Keine Reue plagt mich ob meiner vermeintlichen Missetaten. Der gemeine Brei um mich herum bestätigt dieses Denken, dass die anderen schlimmer sind. Fassaden und moralinsaure Sprüche prägen den Alltag. So viele krampfige Eiler hetzen vorbei. Mir fällt immer wieder was ein zu tun, und dann trifft man doch mal einen lieben Menschen, der den ganzen Ärger verfliegen lässt. Wenige tragfähige Beziehungen müssen genügen und tun das auch. Ein Verlust an Empathie tut weh. Das scheint aber der allgemeine Pegel zu sein, auf den runter ich bloß abgesackt bin. Menschen stellen sich großherziger dar, als sie’s empfinden. Das ist eine Erkenntnis. Es lohnt, dem Leben weiter nachzuspüren. Ich bin lange verheiratet und bestimmt mehr als nur ein Nutznießer davon.

Vor nicht langer Zeit gab mir eine Bekannte Einblick in ihr Zusammenleben mit dem depressiven Ehemann. Die tritt immer mit großem Mundwerk auf, diese Frau, aber so viel ist nicht dahinter, wenn es um konkrete Verbindlichkeiten geht, kann ich schreiben. Das Leben ihres kranken Gatten bezeichnete sie als Treppe abwärts, wohl weil es Schübe gibt, die das forcieren.

Dem entgegne ich, dass mein Leben eine Leiter rauf ist, einige Sprossen sind halt morsch. Es besteht offensichtlich keine Möglichkeit, mit anderem Gerät zu klettern. In unserem Häuschen wird noch gelacht, und wir als kleine Familie kommen auch zusammen hübsch daher. Eine nette kleine Ordnung ist es allemal.

Als ich das Erwachsenenalter erreichte, war zu rauchen noch ganz normal. Die Menschen fingen gerade erst an damit, einen Gurt beim Autofahren anzulegen und viele weitere Sicherungen des Alltags wurden erfunden und etabliert. Das habe ich mitbekommen. Wir werden insgesamt älter. Der Preis ist hoch, denn das Leben im Alter beinhaltet mancherlei Kummer. Der Tod selbst wurde aber nicht abgeschafft, sondern bloß nach hinten raus verschoben. Dabei möchte ich nicht mithelfen zu schieben. Ich weiß ja nicht, warum ich lebe, und das treibt mich weiter um.

Ich kann das nicht verdrängen.

🙂