Der schwarze Van

Das will ich noch erzählen, es war gestern. Ich schreibe aber besser in Gegenwart, als wär’s jetzt. Es gilt als spannender unter Autoren. Menschen, denen ich Lustobjekt bin, Spielball perverser Machtdemonstration, interessieren sich für mich? Mir kommt es so vor. Jetzt folgt eine neue Episode. Das möchte ich festhalten. Hier geht es um subjektives Empfinden. Wie die tatsächliche Wahrheit hinter allem sein dürfte, der ich mich ja stellen muss, weiß ich nicht. Ich spekuliere. Mein Leben ist kein Roman. Ich bin nicht etwa ein Erzähler, der seine Geschichte vollständig kennt. Da macht es keinen Sinn, so zu schreiben, als verstünde man Zusammenhänge. Wir kombinieren aus Betroffenheit, es entstehen Annahmen. Unsere Anpassungen bedeuten die Prüfung der jeweiligen Überlegung. Seitdem im Schwange ist, man könne sich korrekt verhalten, erlebt jeder, der untypische Gefühle erleidet, Ausgrenzung. Das mag ich nicht am scheinbar guten Weltbild. Man biegt sich zugunsten einer gemäßigten Ausdrucksform, wie es die Gesellschaft im Konsens fordert. Meine Perspektive kann nicht allgemein sein. Das besondere Fenster offenzuhalten, ist mir wichtig. Ich empfinde Leben nicht gewöhnlich. Banale Begebenheiten entwickeln ihre Dramatik, wenn man weiterdenkt. Ich bin empfindsam. Das schafft Kreativität. Worte entwickeln innere Bilder.

Los geht die Geschichte, ich besitze ein kleines Boot. Das bedarf einiger Arbeiten im Winter. Man nimmt sein Schifflein an Land und lagert es ein. Es gibt alljährlich zu tun und die nötige Arbeit verlangt, manche Gegebenheiten zu prüfen, um rechtzeitig zum Frühjahr fertig zu werden. Man kann nicht lackieren, wenn die anderen im Schuppen nebenan Schleifarbeiten durchführen, muss koordiniert vorankommen, um das typische Pensum der Pflege zu erledigen. Temperatur und Luftfeuchte bestimmen mit, wann was zu tun ist. Ich schaue in die Vorhersage, denke schon morgens beim Gang zum Bäcker darüber nach, frage mich, was sinnvoll wäre, noch bis Weihnachten hinzubekommen?

Das Wetter an diesem Wintertag Anfang Dezember ist grau, wenig über null bleibt die Temperatur im nasskalten Bereich. Mir scheint das trotzdem günstiger zu sein als am Tag zuvor, jedenfalls was die geeignete Witterung zum Lackieren betrifft. Ich packe also einen Korb. Der dicke Pinsel wird aus dem Gemisch von Leinöl und Terpentin genommen. Einige Lappen benötige ich, Zeitung, Abklebetesa und Terpentin, schließlich eine ganz neue Dose mit Bootslack. Ich suche mir den großen Schraubenzieher zum späteren Öffnen der Dose, und ein kleines Hämmerchen nehme ich mit, um alles wieder luftdicht zu verschließen, wenn die Arbeit fertig sein wird. Ich habe beste Laune.

Mit dem Korb vergnügt in der Hand schlendre ich zum Auto. Meine Frau ist in Backnang. Strohwitwer für eine Woche zu sein, ist so schlecht nicht. Es ist bereits früher Nachmittag. Es gab Forelle gebraten nach Art des Hauses in meiner Männerwirtschaft, wo ich als Alleinherrscher koche, wann und wie ich das mag. Ich habe sogar aufgeräumt und den Geschirrspüler gestartet, bevor ich aufbreche, zum Boot nach Wedel zu fahren. Ich glaube, dass die Schiffe heute trocken sind und der frühe Nachmittag zeitlich ganz gut geeignet ist, was das Klima in der Halle betrifft. Es dürfte draußen etwa die gleiche Temperatur sein wie in der Halle, und die nächsten drei Tage werden ähnlich. Man möchte nicht, dass Feuchtigkeit in die hochglänzende Lackierung schlägt. So eine Aussenhaut vom Holzboot benötigt mehr als einen Tag zum Trocknen, wenn man im Winter bei nur leichten Plusgraden arbeitet. Da sollte nicht nachts Tau fallen oder etwa eine fiese Warmfront aufkommen. Man hat schon davon gehört, den Leuten ist alles matt geworden noch nach zwei Tagen.

# Durch Appen-Etz und weiter nach Wedel

Ich fahre los, fädele mich ein auf die Kraftfahrstraße in Richtung Pinneberg. Wir fahren alle hundert. Dann kommt der doppelte Kreisel in Etz. Ich nehme die linke Spur, muss ja fast ganz herum auf die Wedeler Chaussee. Rechts raus blinke ich und bin nun auf dem Wedeler Weg, komme vorbei an Uwe Thomsen, gehe auf siebzig nach Schild. Ich fahre diese Strecke oft. Am Ortsschild Appen-Etz wird die Ampel gerade grün, und ich muss, um weiterfahren zu können, das Fahrzeug vor mir rechtsseitig passieren. Der möchte links abbiegen, wartet wegen Gegenverkehr und steht also. Ich nutze die schmale Lücke daneben und fahre ganz langsam um ihn herum in den Ort in die Richtung vom griechischen Restaurant, um weiter die Landstraße nach Wedel zu nutzen. Währenddessen kommt ein schwarzer Kleintransporter schnell auf. Hinter mir im Rückspiegel bemerke ich, dass der Fahrer nicht so ein Geschieß macht wie ich, das Hindernis behutsam zu umfahren. Ich bin dem nun irgendwie im Weg, weil ich stur fünfzig fahre in Appen? Mir kommt das so vor. Der pechschwarze Kleinbus, ich glaube, es ist ein Vito von Mercedes, fährt extra dicht auf. Ich nerve offenbar. Mir fällt nicht ein, dem Drängen nachzugeben. Auf den geraden letzten Metern in Richtung Ortsausgang kann der schwarze Vito das nach dem Ortsschild aufgestellte Achtzig kaum abwarten und klebt mir wenige Meter hinten drauf. Ich halte nun meinerseits genervt durch bis zur freien Landstraße und beschleunige schließlich auf fünfundsiebzig. Man darf sich nicht jagen lassen. Er sackt ein wenig ab, und es geht vergleichsweise entspannt zum kleinen Kreisel, wo man auch nach Holm raus kann. Der schwarze Wagen folgt mir. Nach dem Kreisel gilt zunächst siebzig. Ich halte mich dran, und mein Hintermann klebt mir am Arsch. Dann kommt die gerade Strecke, wo die Siebzig aufgehoben werden. Hier darf man hundert fahren, und das mache ich. Links ist viel Platz, da die Straße verbreitert ist, und niemand kommt von vorn. Es gibt Menschen, die mich hier überholen würden, aber das macht der schwarze Wagen nicht. Er fährt nun in vernünftiger Distanz hinter mir, bis erneut achtzig angezeigt kommt, wo links der Wald beginnt und rechts das Flugzeug im Garten steht. Das vereint uns wieder, denn ich halte mich dran an die Achtzig. Er klebt mir am Arsch.

Nach zunächst noch einer Verlängerung der Achtzig-Zone durch ein weiteres Schild wird bald darauf vom Autofahrer dieser Landstraße verlangt, sogar bis auf nur sechzig runterzugehen. Da ist jetzt eine neue Bushaltestelle am Fährenkamp. Das respektiere ich und gehe runter auf neunundfünfzig. Wir kleben. Dann kommt achtzig, und sofort danach wird die Beschränkung aufgehoben. Hier darf man hundert fahren bis Wedel. Das mache ich voll. Ich sehe keinen Grund zu trödeln. Der Vito lässt sich entspannt sacken. Das ist kein Spinner. In Wedel reduziere ich auf fünfzig. Das ist doch ganz vernünftig, sich an die Regeln zu halten? Der schwarze Kleinbus fährt wieder dicht auf. Er will nicht zum Steinberg, biegt nicht ab in den Breiten Weg. Wir bleiben zusammen geradeaus. Dann kommt die Dreißig-Zone. Montag bis Freitag von sieben bis siebzehn Uhr gilt die Beschränkung. Wir haben Dienstagnachmittag. Es gibt das Ristgymnasium und einen Kindergarten. Der Vito hängt an meiner Stoßstange. Abstand drei Meter, mehr dürften es nicht sein. Es ist schwarz im Rückspiegel, getönte Scheiben hat dieser Don der Landstraße. Finster ist das Ding, sieht böse aus. Beim Bäcker und dem alten Spritzenhaus endet die Zone, aber man kann vernünftigerweise kaum beschleunigen, da es in einer engen und unübersichtlichen Biegung zu der gleich danach befindlichen Ampel geht. Die ist typischerweise rot, und so macht zu rasen keinerlei Sinn. Ich quetsche mich auf die kleine Abbiegespur nach rechts, und der Vito folgt mir wieder dicht auf. Die anderen möchten alle linksabbiegen. Wir bleiben zusammen. Wir halten. An der Ecke steht die winzige Bildhauerei vom Ochsenmarkt. Ich finde keine Muße, mir das Kunstwerk anzuschauen. Ich habe die Schnauze voll von diesem Arsch. Mein Blick ist nach Rückwärts gerichtet. Ich sehe schwarz im Spiegel. Auf der schmalen Ablage direkt hinter seiner Frontscheibe liegt eine blauschwarze Kappe oder Dienstmütze. Ich erkenne den silbernen Stern. Es scheint „Polizei“ draufzustehen auf der Mütze! Ich bin mir nicht sicher. Es ist ja spiegelverkehrt, und nun wird es Grün.

# Über den Stock in die Marsch

Ich fahre ab und gleich nach wenigen Metern auf die Linksabbiegespur. Der Hauptverkehr zieht rechts von mir vorbei in Richtung Holm und passiert das Reepschlägerhaus. In der Altstadt steht hier überall dreißig auf den bekannten Schildern mit ihrem roten Rand. Es gilt als Lärmschutz. Der Vito will auch nach links. Er folgt mir dicht auf. Ich passiere diese nächste Ampel langsam bei Grün, muss aber warten, weil viele Fahrzeuge in Richtung Roland und in die Stadt entgegenkommen. Ich möchte auf die Schulauer Straße abbiegen beim Steakhaus, wo Tascha arbeitet. Die mag ich. Ich bin also zwei Längen über die Markierung und warte die Entgegenkommer ab. Der schwarze Van steht auf dem Ampelweg direkt hinter mir. Jetzt ergibt sich eine minimale Lücke, und da ist kein Fußgänger links am Porter-House, wo eine orange Warnlampe blinkt. Man muss schon aufpassen, weil oft Passanten queren. Der Weg ist jetzt aber kurz frei. Ich gebe beherzt Gas und nehme flott die Linkskurve. Das hält die Kollegen hinter mir nicht ab, dass die Lücke im fließenden Verkehr sparsam ist. Sie sausen mit mir mit, und dann beschleunigen wir auf fünfzig „über den Stock“. An der Batavia vorbei über die Stockbrücke – das sagten wir früher, meine Oma verwendete das Wort noch – halte ich mich wieder eisern an das vorgeschriebene Tempo, und der getarnte Blödmann klebt mir hinten dran. Das kotzt mich an. Wollen die bis zum Verein dranbleiben? Geht es um mich persönlich? Werden diese Idioten mir irgendwas vorwerfen? Ich habe den Hass.

Wir fahren wie Dampflok und Tender verknüpft mit Neunundvierzigkommafünf auf der Schulauer, weil ich es so will. Ein Schmierentheater? Ich glaube schon. Man kauft bei Fahnen Fleck eine Mütze und ab dafür? Provokation als Belehrung, ein Austesten von Grenzen, ist so unwahrscheinlich nicht. Es wäre die Wiederholung mancher Aktion der vergangenen Jahre – oder doch nur ein blöder Zufall, der nichts mit mir zu tun hat. Das erklärt niemand. Jedem sein Daniel, und ich kann es gendern.

Das hat sich gezeigt (und es hilft, Selbstbewusstsein zu entwickeln), einen Schatten haben oder beschattet werden, macht den Unterschied. Echte Gegner auf freies Feld zwingen, bedeutet Sieg und sogar Anerkennung der Umgebung. Gegen sich selbst kann niemand gewinnen. Die Psyche ist kein Gegner, den man sinnvoll betäuben könnte, um ein sicheres Leben ohne Furcht zu genießen. Was als Bagatelle gilt, möge jedermann erkennen und sich nicht vor Banalitäten fürchten, lautet ein bekannter Rat. „Davor musst du keine Angst haben“, sagen Eltern dem Kind. Der Therapeut tröstet, der Arzt beruhigt, und die Gesellschaft glaubt, man müsste nur Medikamente nehmen gegen dies und das. Zorn soll unterdrückt werden, vermieden, aber es ist doch nur vernünftig, Angst wahrzunehmen, wach zu werden, wütend, den Einbrecher zu stellen. Die Realität zu prüfen bedeutet, dass der Verstand noch funktioniert, und das überzeugt auch Zweifler links und rechts. Einen Spion real enttarnen können, macht angriffslustig und Lust auf mehr. Intelligenz und Mut kommen effektiv zurück. Verschüttete Möglichkeiten wieder neu zu entdecken, belebt, und man erkennt, auf dem richtigen Weg zu sein. Das führt langfristig zur Beruhigung der Lage, weil die Beschattung sinnlos wird: Wenn der Observierte geistig auf der Höhe ist, kann er nicht verrückt sein.

Falls jemand bloß ins Leere schlägt, weil da keine wirklichen Gegner sind, wird dieser Unfug offensichtlich. Gegen Windmühlenflügel zu hauen, belustigt die Leute. Das ist der Unterschied, so einer spinnt. Gegen den Verrückten bringen sich immer neue, sogenannte „Helfer“ in Stellung. Das bedeutet die Konfrontation mit Menschen, die mitbestimmen möchten, was derjenige tut. Je nach Situation und dem verbliebenen Respekt voreinander akzeptiert ein Verwirrter den Eingriff in sein selbstbestimmtes Leben. Menschliche Hilfe unterscheidet sich von perfider Manipulation durch die Bereitschaft, ehrlich zu kommunizieren, offen Unterstützung anzubieten, auf individuelle Befindlichkeiten Rücksicht zu nehmen. Das entscheidet, wohin die Reise geht.

Irre sein, züchtet Unkraut, das sich noch beweisen muss. Ein wunderbares Theater hebt an, das alle zum Mäuschen werden lässt. Immer mehr geilen sich auf, scheinbar sicher geschützt dabei zu sein, aber die Vorstellung läuft nur gut während einer begrenzten Zeitspanne. Kommt der Kranke drauf, was abgeht, weil er begreift, dass er sich die gemeinen Schatten, die ihn foppen, nicht einbildet, ist das womöglich der Beginn von Heilung? Ein Anwalt könnte helfen. Blickt der auf Schritt und Tritt überwachte und regelmäßig Gepiesackte es nicht, besiegeln stattdessen Ärzte sein Schicksal. Der Arme wird letztlich von anderen fertig gemacht und findet den Ausgang aus dem Irrgarten nicht. So einer muss ertragen, ganz allein der Idiot zu sein, ein sogenannter „Gestörter“. Die angeblich guten Leute (die tatsächlichen Störer) schämen sich nicht, ihr Mobbing weiter durchzuziehen. Menschen ausgrenzen und sich noch selbst loben, vorgeblich Gefahren abzuwenden, ist die übliche Vorgehensweise. Es passiert aber auch andersherum. Dann blamieren sich die sogenannten Polizisten, psychiatrische Gutachter und welche, die es sein wollen. Man ist über das Ziel hinausgeschossen, wenn sich jemand nicht zum Bekloppten hochstilisieren lässt. Die Wahrheit gewinnt oft langsam, erst nach und nach steht sie schließlich unverkennbar und aufrecht im Raum. Ihre Gegner schwächeln, weil sie nicht mit der Hartnäckigkeit gerechnet haben, die eine Wirklichkeit regelmäßig durchscheinen lässt, obwohl ständig Dreck drauf geworfen wird. Geduld ist gefragt.

Große Mäuler wagen sich weit vor, vertrauen ihrer Hypothese und übersehen, dass diese auf wackligen Füßen stehen könnte? Wer jeweils durchgeknallt ist, meint man zu wissen. Jetzt darf die Jagd auf den Beknackten aber nicht ewig dauern und dieser muss durch beständige Blödheiten hervorstechen. Es braucht handfeste Beweise, um im Rechtsstaat erfolgreich Anklage zu führen. Wer solche Fakten dem armen Tropf zuschreiben möchte, nachdem dieser zur gefährlichen Person erklärt wurde und probiert, den vermeintlich drohenden Amok durch Provokation erst anzuheizen, dürfte mit dem Feuer spielen und seine Kollegen irgendwann irritieren. Weltretter überzeugen auf Dauer nicht, wenn sie bloß Populisten sind. Triviales Pack ist allenfalls bedingt beliebt. Die scheinbar säubernde Aktion wirkt, bis klar wird, wo tatsächlich hingeschaut werden muss, und ob Großartige in Wahrheit aktiv Scheiße bauen.

Wer Täter ist und wer Polizist, kehrt sich mal um. In der Mitte der Truman Show bleibt man nur gefangen, bis sich die Tür der Kulisse öffnen lässt. Es bedeutet eine Chance, der es unbedingt nachzuspüren gilt. Spinner, die wie Mücken um uns herumschwirren, wie Ameisen ins Haus eindringen, endlich auffliegen lassen, dreht den Spieß um! Das unterscheidet Schattenboxen vom realen Kampf, den man durchaus zu seinen Gunsten entscheiden kann. Eine direkte Konfrontation, was käme dabei heraus, was ist mein Fehler? Das sollte man sich fragen. Wachsam bleiben. Scheinbar defensiv nutzt einer, der klug genug ist, den Schlag des Gegners und reißt ihn im rechten Moment seitens dieser nützlichen Energie ins Verderben. Ein Angreifer gibt auf, wenn kein Pott zu gewinnen ist und eine Fata Morgana verpufft, falls uns nur der aufgewühlte Verstand seine Streiche spielt. In jedem Fall ist Ruhe bewahren das Richtige.

Das Spiel läuft.

Am Ubootsteich vorbei, vorbei an der Bekstraße, und ich überlege mir schon, wie ich mich verhalten sollte, falls diese Pseudo-Bullen mich bis auf das Vereinsgelände begleiten. Gleich angekommen, mache ich mir inzwischen ernsthaft Sorgen. Aber vor der Stöpe biegen sie hinter mir rechts ab. Die fahren einfach unspektakulär in die Deichstraße. Da geht es zum Yachthafen, und da will ich nicht hin. Ich sehe den schwarzen Van im Rückspiegel vor der gelben Sonne vom Planetenlehrfahrt quer fahren. Das Bild prägt sich ein. Ich weiß, dass ich es zeichnen könnte. Diese Leute losgeworden, biege ich nun selbst rechts ab nach hundert Metern in den Strandbaddamm. Da kommt dann gleich hinter dem Schulauer Hafen unser Segelverein mit dem Clubhaus und dem Winterlager für die Schiffe.

Atempause.

# Lackieren!

Ich fahre vor die Halle. Mein Herz schlägt. Ich bemerke das. Ich nehme den Korb hinten raus. Ich öffne die Hallentür mit meinem Transponder. Es ist niemand bei den Booten. Ich schalte die Beleuchtung ein. Ich gehe zu meiner Jolle in die Abseite wie sie da, auf den Bauch gedreht, auf mich zu warten scheint. Ein guter Freund! Schon als ganz kleines Kind haben mich meine Eltern auf diesem „Globetrotter“ mitgenommen. Die Jolle ist Baujahr ’55, und ich bin erst 1964 geboren. Eigentlich ein Ort, den ich mit Freude aufsuche, die Bootshalle. Ich kann schließlich ganz gut lackieren und bin bester Dinge losgefahren. Mir wird das jetzt erst richtig klar. Ärger kommt hoch.

Ich koche vor Wut.

Das Holz ist ganz trocken. Alles ist bereits gut durchgeschliffen, der Unterboden und Wasserpass sind schon neu gemalt worden von mir. Ich mache es jedes Jahr. Jetzt ist das Naturholz vom Rumpf über Wasser gefragt. Es wird mit Klarlack überarbeitet. Meine Jolle ist aus Khaya. Das ist eine Mahagoniart mit lebhafter Struktur. Ein leichtes, hartes Tropenholz ist das und gut geeignet für eine schnell segelnde Konstruktion. Ich wische alles mit Terpentin ab, mit dem Staubtuch hinterher und klebe ab. Meine Gedanken sind Hass. Ich breite meine Zeitung aus. Ich bin ganz allein in der großen Halle, wo überall große Schiffe stehen. Meine Jolle ist winzig, und einige kleine Boote sind natürlich auch nebenan zu finden. Ich öffne die Dose mit dem Bootslack. Ich rühre nicht drin rum. Bei nagelneuem Klarlack mache ich das nicht. Ich nehme den kleinen Pinsel von Manni und lackiere unter der Ruderstange einen schmalen Streifen am Spiegel damit. Wenn ich es so mache, muss ich die Stange nicht abschrauben, nicht abkleben. Dann flicke ich die Fläche daneben an mit dem dicken Lackierpinsel. Den habe ich schon jahrelang. Er wird gut versorgt, wenn ich ihn nicht brauche, steht sommers im traditionellen Labsal. Nach kurzer Zeit ist der Spiegel fertig. Ich nehme mir die Steuerbordseite vor, die jetzt links ist, weil mein Boot überkopf liegt. Meine Spieren habe ich bereits weggeräumt und zu denen von Björn gelegt. Dadurch ist viel Platz zum drum Herumgehen um das Boot. Ich lackiere die Steuerbordseite in einem Wahnsinnstempo, voller Kraft, voller Wut. Ich mache nahtlos weiter Backbord. So schnell habe ich diese Flächen niemals zuvor geschafft. Ich finde noch zwei minimale Läufer an Steuerbord, die ich nachkorrigiere, fertig. Ich reiße das gelbe Band runter. Ich packe meinen Korb. Die Arbeit ist gelungen. Ich ziehe den Stecker, die Kabellampe geht aus. Ein letzter Blick: Sieht geil aus. Wie das glänzt. Ich gehe zur Hallentür. Draußen höre ich harte Männerstimmen. Es beunruhigt mich! Man kann nicht durch diese Tür sehen. Schwarz geölt sind diese Bretter hier vor meiner Nase. Das ist der Ausgang. Ich denke an die Bullenschweine.

Ich mache das Licht aus und öffne die Tür.

# Der Parkplatz

Es nieselt jetzt. Da steht nur allein mein Auto. Irgendwelche Restaurantgäste sind gerade vor der Halle vorbeigegegangen. Die reden. Sie sehen mich nicht einmal. Ich packe den Korb hinten in den Kombi und fahre einfach ab. Mein Atem ist normal.

Eine entspannte Rückfahrt ohne besondere Vorkommnisse. Ich bin noch nicht beruhigt: Die Freude an der scheinbar gelungenen Lackierung stellt sich nicht ein. Am Abend trinke ich eine halbe Flasche Rotwein und gehe um halb acht zu Bett. Das ist, nachdem ich mit Backnang telefoniert habe. Ich höre mir die Sorgen an, die meine Frau mit ihrer Mutter hat. Sie fragt nicht, was ich gemacht habe, und ich erzähle gar nichts. Dann stürze ich den Wein runter und gehe vor der Tagesschau ins Bett. Ich ignoriere Sodbrennen, schlafe bald wie ein Stein bis um vier, stehe früh auf und habe meine entspannte Mitte zurück. Na also. Geht doch. Nach dem Frühstück fahre ich wieder zum Boot. Ich muss nachschauen. Keine Erlebnisse auf dieser Strecke. Das Boot glänzt toll, ist aber noch nicht wirklich trocken.

Schaun wir mal.

🙂