Alle können erkranken

Psychisch krank zu werden, das geschieht scheinbar immer mehr Menschen. Es bringt so manche Familie aus dem Tritt, wenn ein Mitglied der Verwandtschaft „nicht richtig tickt“. Etablierte Formulierungen wie diese machen deutlich, wir haben ein Problem damit. Bei doch sehr unterschiedlichen Ausprägungen, Diagnosen, die ein Facharzt stellen kann, schreibt die Presse hauptsächlich über gefährliche Eskalation. Medien benötigen Katastrophen. Das unauffällige Leid wird selten thematisiert. Dabei sind psychisch Kranke mitten unter uns jeden Tag, ohne dass wir es groß bemerken. Wir tun sie als verschroben ab –, wenn solche Menschen überhaupt auffallen. Ein Prozent der Bevölkerung erkrankt mindestens einmal im Leben an einer Psychose. Man denke sich einen gut gefüllten Linienbus, bei jeder Fahrt ist so jemand mit an Bord.

Viele fürchten sich vor psychisch Kranken (in ihrer Nachbarschaft). Der Grund liegt zum einen in der zunehmenden Berichterstattung über Gewalttaten, die den Eindruck erwecken, schizophrene Menschen handelten grundsätzlich aggressiv. Angst, und sie ist die Ursache psychischer Krankheit, steckt an. Der tatsächliche Gedanke dahinter, dass sogenannte „Psychos“ stigmatisiert werden, dürfte also die Furcht der Normalen vor eigenen traumatischen Entwicklungen sein. Ein latenter Hang zur Depressivität lässt sich heute bei vielen beobachten. Es hält die Gesellschaft nicht ab, sich für insgesamt normalgesund zu halten und das ihrer Meinung nach Richtige zu tun. Eine starke Überzeugung kennzeichnet einfache Leute, die eben nicht in der Lage sind, Führungsaufgaben zu übernehmen. Sie wissen es trotzdem besser. Flexibles Denken und die kritische Betrachtung ihrer eigenen Schwächen fällt besonders denen schwer, die gern mit Schlagworten wie Transparenz, Toleranz, Gewaltverzicht etc. hantieren. Man versteckt sich hinter dem modischen Wort. Das ist die Uniform einer Herde, die lostrabt, einen Esel wählt, der sagt, was Sache ist. Regierende goutieren öffentliches Begehren mit Schaufensterpolitik. Man reitet unsere Demokratie gemeinsam in vollkommene Dekadenz. Mehrheiten entwickeln Dynamik en bloc. So reden sie dummes Zeug, und dann nennt man’s noch Intelligenz der Gruppe: Von dieser Warte aus meinen nicht wenige, gestörte Menschen klar zu erkennen, die es zu eliminieren gilt. Nach häufiger werdenden Angriffen auf die Bevölkerung sucht man Lösungen. In den Nachrichten wird der Frage nachgegangen: Wie könnten kranke Gefährder erkannt, und bevor sie eine Tat begehen, rechtzeitig aus dem Verkehr gezogen werden? Ein typisches Beispiel sei doch das Wohnhaus, eine ganze Straße fühle sich vom einzelnen Nachbarn bedroht, meint die Moderatorin.

Eine bedenkliche Entwicklung, zugegeben, aber wir sollten uns auch die Menschen anschauen, die sich fürchten. Was ist los mit unserer Jugend, den Aktiven mittleren Alters und unseren Senioren, dass sie ihre Zukunft so in Frage stellen? German Angst ist überall auf dem Vormarsch. Menschen trauen sich nicht mehr ohne Helm auf’s Rad. Sicherheit ist heute so wichtig. Die Radfahrenden (anders darf man’s ja gar nicht mehr hinschreiben) werden scheinbar trotzdem häufiger an der Ampel vom abbiegenden Lkw überfahren. Merken die nix? Sie tragen Earbuds, sind allzeit online. Das ist paradox. Wenn solche Leute Auto fahren, nutzen viele ihr Handy am Steuer, obwohl ihnen die Risiken bekannt sind. Alle rauchen irgendein Zeugs trotz der Gefahren des Rauchens und das, obwohl die Freiheit, es irgendwo zu tun, ihnen weiter eingeschränkt wird. Seitdem die normale Zigarette verpönt ist, qualmt man Elektro. Einwegteile wirft so jemand weg und verzichtet anderswo auf Plastik. Dabei benötigt die Welt mehr Kunststoffe als je zuvor. Menschen haben Angst vor Krebs, und sonnen sich trotzdem, was das Zeug hält. Die essen ungesund, trinken Alkohol, beginnen Diäten und fallen doch regelmäßig zurück in ihre bekannten Fehler. Das sind ganz normale Leute. Sie verhalten sich bescheuert und meinen doch, die psychisch Kranken wären gestört? Bei heutzutage überall immer besser dargestellten Hochglanz-Egos liegt auf der Hand, dass einige nicht mitkommen. Es dürfte welche geben, die scheitern, so klug zu sein. Auf die Idee, dass massenhaft vorwärts drängenden Idioten sensible Zeitgenossen stören, letztlich verstören, weil man ja irgendwie immer dabei ist, mit ihnen mitzugehen, kommen diese Renner selbst nie? Wir haben Aktivisten der „letzten Generation“, die zwar nicht meinen, die letzten Lebewesen zu sein, wie sie sagen, aber die, die es noch rumreißen könnten mit dem Klima. Danach wäre Schluss und die Katastrophe unumkehrbar. Das könnte stimmen, aber zu meiner Jugend glaubte man ständig, ein Atomkrieg könnte in Kürze die Menschheit vernichten. Wir hatten auch damals Ängste. Als etwa HIV bekannt geworden war, befürchtete mein Großvater, das bedeutete zügig das Ende für alle. Es ist doch so, manche suchen wie getrieben das bessere Leben, kriegen’s nicht hin – und werden krank, andere benötigen Aufwertung durch Ablenkung vom eigenen Ungemach, und die finde ich persönlich schlimmer.

Die moderne Gesellschaft hier bei uns lebt auf der Plattform „Zivilisation“. Das ist ihre Höhe, und diese steht auf den Beinen von Erfahrungen ihrer eigenen Geschichte und den Aktivitäten der weniger Entwickelten in anderen Staaten. Die im Ausland produzierten Gebrauchsgüter unseres Alltags sind ein Beispiel für die weltweite Win-Win-Situation einer vernetzten Struktur, und genauso bedeutet das die Ausbeutung von Schwächeren. Damit kennen wir schon einmal zwei Faktoren, die unsere Ebene, auf der wir agieren, zu einer schiefen Platte machen könnten, die uns abstürzen möchte. Wenn aus der stabilen Basis ein bockendes Pferd wird, braucht es einiges Geschick, die Balance zu halten. Dazu kommt die Schwierigkeit in unserem Fall, nicht mal so von einem geübten Reiter reden zu können, der wir insgesamt sein müssten. Ein Jockey erlangt sein Können durch das Zusammenspiel aller Elemente seines Reiterseins. Diese Einzelteile, beim Sportler wären es die Gliedmaßen, Muskulatur und ein schlauer Kopf, der das Ganze koordiniert; das sind wir, die Bürgerinnen und Bürger der zivilisierten Gesellschaft mit ihrem gewohnt hohen Standard an Lebensqualität.

Falls wir mit unseren Füßen auf den Rücken der Menschen in den Entwicklungsländern stehen, und so kann man es sehen, sind wir darauf angewiesen, in solcher Bewusstheit zu ihnen freundlich zu tun. Sollte unser Heutesein das Ergebnis der Arbeit unserer Altvorderen bedeuten, bleibt unabdingbar, ihre Aktivitäten rückblickend zu erinnern und nachzuvollziehen. Müssten wir um unsere Existenz aufgrund absehbarer zukünftiger Probleme fürchten, ist es nötig diese zu erforschen und die Ergebnisse der Wissenschaft respektieren für einen künftigen Kurs. Damit alle drei genannten Faktoren aus uns den insgesamt geeinten Sportler machen, der mit den Erdbeben seiner zivilisatorischen Ebene klarkommt, muss eine gute Kommunikation zwischen der führenden Elite und den einfachen Machern im Land gewährleistet sein.

Da stimmt was nicht. Man schaue sich um, einerseits wird die Zunahme psychisch kranker Menschen beklagt und auf der anderen Seite ist die normale Gruppe, die diese Kranken versorgen muss, selbst nicht gesund, oft ohne dies zu bemerken. Jeden Tag im normalen Verkehr unterwegs kann auch ein entspannter Mensch in seinem Wohlbefinden unvermittelt angegriffen werden durch scheinbar unkontrolliert losdüsende Idioten. Verkrampfung der Mitmenschen gibt das typische Bild der Mehrheit ab. Ausnahmen fallen bereits auf: Beim Bäcker in der Schlange wartend, beobachte ich eine junge Mutter vor mir. Es ist Sommer, Sonntag, sie trägt ein luftiges Kleidchen, hält ein kiebiges Baby im Arm. Die Frau ist noch jung. Sie hat schöne Waden, die unter dem Saum des geblümten Kleides zum Anschauen nötigen für einen Mann. Die Haut ist rosig, ihr Teint glatt. Genauso ist das beim Baby, das sie mal so mal so mit einem Arm seitlich trägt. Das Kind hat dieselbe, vor Gesundheit strotzende Haut und innere Haltung wie seine Mama. Der große Kopf bewegt sich scheinbar leicht. Die Physiognomie ist der Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich, dazu mit einer selbstbewussten Kennung, die einen Mann bereits ahnen lässt. Das ist ein Junge. Er ist nicht unruhig, schaut aber wach, mit neugierigen Augen in die Welt. Der Mutter ist das Gewicht des Wonneproppens bewusst. Darum verlagert sie alle Komponenten gelegentlich. Das sieht ganz natürlich aus, und das kleine Kind genießt die Veränderungen im sicheren Griff von Mama. Diese junge Mutter steht mal auf einem, dann auf dem anderen Bein, und obwohl sie ihr Kind hauptsächlich auf der rechten Seite hält, wechselt sie doch den Haltearm. Sie dreht das Baby auch in Bauchlage und wieder zurück. Es ist das Allernormalste für eine Mutter, so zu sein, sollten wir meinen? Liebevoll, entspannt, dem Baby zugewandt und natürliche Bedürfnisse von Haut zu Haut mitzubekommen, zu spüren, was das Kind an körperlicher Zuneigung braucht, ist doch einfach selbstverständlich richtig. Eine Ausnahmeerscheinung zu sehen, bestätigt meine Annahme, die ich präzisieren möchte.

Da wäre das Alter der Mutter zu beschreiben, die untypisch jung erscheint. Sie ist wohl erst Anfang zwanzig? Das Wort „knackig“ verbietet sich ja nun heute, aber sei’s drum: Die möchte ich sofort mal anschnuppern, küssen und so! Aus natürlicher, und ich meine, medizinischer Sicht sollten die Kinder tatsächlich früh kommen, wenn der menschliche Organismus bereit ist und nicht erst, wenn die Lebensplanung vorschreibt, darauf zu warten, dass materielle Umgebungsstrukturen einen günstigen Rahmen abgeben. Das darf man aber nicht unkommentiert notieren, da die finanzielle Sicherheit und emotionale Bedingungen ebenfalls stimmen müssen. Diese Frau hat, soweit meine flüchtige Beobachtung eine solche Beurteilung seriös zulässt, denn ich kenne die ja nicht, alles richtig gemacht. Sie ist schick, aber schlicht angezogen, kein billiges Zeugs. Diese Mutter hat schön frisiertes, kräftiges Haar, aber nicht überkandidelt tritt sie auf. Ganz sicher gibt es einen liebenden Partner und Vater scheinbar, jedenfalls sieht alles danach aus, dass hier ein Frühstück am freien Tag eingekauft wird für einen entspannten Vormittag. Ich mag mich täuschen, aber das Bild gibt den fleischgewordenen Traum eines jungen, erfolgreichen Mannes ab, diese Süße an seiner Seite zu haben!

Die immer mehr Raum gewinnende Realität der meisten ist allerdings eine andere. Das beginnt beim typischen Gerede unserer Zeit. Mein Schreiben dürfte für nicht wenige ungenießbar und mindesten sexistisch wirken. Die fixen Ideen korrekten Seins zwingen immer mehr ins Korsett. Wir haben zunehmend Menschen vor uns im Alltag, die einem Ideal nachjagen, das nur als ungesundes Motiv gesehen werden kann, ihnen unter Druck aber als das richtige Bild gilt. Das führt dazu, dass immer mehr von uns diese Platte, auf der wir leben, zu einer schiefen Ebene für alle machen. Die Eilenden ziehen alle mit, auch die, die ganz anderes wollen. Damit sind die psychisch Kranken mitnichten Sonderlinge, die wir schnellstmöglich wegschießen sollten aus unserer Mitte. Das sind wir selbst, die Gefährder.

Wir alle bedrohen unsere Zukunft selbst.

# Der Sinn insgesamt kommt abhanden

Der Lebensmotor will nicht mehr so richtig, und da hilft zu hetzen? Nicht wenige geben Stärke vor mit einer guten Maske, die sie sich einfallen lassen, blumig auszuleben, ihre Fassade. Man spricht sich selbst Mut zu, der in Wirklichkeit fehlt zum souveränen Auftreten. Nun verfällt einer auf die Idee, sich für besser zu halten. Das lenkt ab vom flauen Gefühl im Magen. Man sucht das Ehrenamt und vertritt moralische Werte. Solche sind Blockwarte gewesen, und es gibt diese honorigen Onkel immer noch. Dahinter steckt ein böses Theater, und letztlich pushen bessere Hausmeister einer Straße die Probleme und löschen scheinbare Feuer, die sie doch selbst erst anfachen. Es ist eine gesellschaftliche Entwicklung im Gange, die uns zum Gegenteil des vorgeblichen Ziels „Sicherheit“ führt und überhaupt Führer fordert. Wie schwach solche Menschen tatsächlich sind, wo das endet, ist bekannt.

Viele ängstigen sich vor der sogenannten „Psyche“, seitdem dieser Begriff sich breitmacht. Sie verstehen nicht, was mit ihrer Seele ist, und das hat sich schon die Kirche (von Anfang an) zunutze gemacht, Menschen gefischt. Religionshüter geben bloß vor, Bescheid zu wissen. Tatsächlich gibt es erst einmal keinen Geist, keine Seele, keine Psyche. Es sind Begriffe, die mehr volatile Beweiskraft haben als die harten Fakten, wenn uns etwa ein Schlag trifft. Da tut die Backe weh. So was ist echt. Wir haben die lebende Person immer im Ganzen (mit Gehirn und Körper zusammen), können noch so lustvoll mit der Sprache jonglieren, ohne dass da etwas zum Anfassen wäre hinter jedem Wort. Der Geist ist eine intellektuelle Fiktion. Geisteskrank, was soll das sein? Eine Begrifflichkeit erkrankt nicht, weil sie real nicht existiert. Die Welt der Worte als eigenständig anzuerkennen, darf nicht ihre Interaktion mit dinglichen Strukturen übersehen. Man kann sagen, Menschen entdecken die Mathematik und deswegen annehmen, diese Zahlen bestünden auch ohne uns? Ohne den rechnenden Menschen fehlt aber der Betrachter und derjenige, der alles erklärt. Vorsicht bleibt geboten, sich nicht im Denken zu verlieren, das an praktischer Gegenwart vorbeigeht.

Natürlich sollten wir geistig unabhängig sein. Das hinzuschreiben, ist nicht falsch. Ich kann auch drangehen, klügere Gedanken zu denken. So gesehen gibt umgekehrt die kranke (oder doch krank machende) Denkweise – mit möglichen, gefährlichen Folgen, behandlungswürdigen Verhaltensweisen – eine nützliche Formulierung ab, die helfen kann. Das Verhalten eines Menschen bedeutet aber Handlung am Ort des Tuns und im Moment seines Geschehens. Zu handeln, heißt die Hand verwenden. An den Ort, an dem er handelt, gelangt der Mensch mit seinen Füßen. Um Schritte zu machen, benötigt man die Beine. Um überhaupt zu leben, müssen wir atmen, essen, verdauen und ausscheiden. Das alles benötigt Muskulatur. Damit wir Leistung erbringen können, überhaupt aktiv sind, ist es nötig, Ruhezeiten zu definieren und zu schlafen. Das heißt zu merken, „wann gut ist“ und genug (mit dem Machen). Dafür braucht es mehr als einen Geist allein, denn dieser ist auf die Rückmeldung vom Körper angewiesen. So gesehen können wir uns nur ändern bei entsprechender Aufmerksamkeit und Selbstbewusstsein. Ein überreizter Mensch dürfte besser klarkommen mit Beruhigungsmitteln, das stimmt schon. So etwas kann aber nicht dauernd eine Lösung sein. Besser ist doch, dem jeweiligen Übel auf den Grund zu gehen, das Tempo rausnehmen, drauf zu schauen, wie wir’s eigentlich machen im Alltag, die Probleme zu lösen. Unser Verhalten ist nicht selten eingefleischte Gewohnheit, die sich aus unseren Erfahrungen gebildet hat. Das mag praktisch sein, kann aber auch wenig effizient zu handeln bedeuten und ist unter Umständen gefährliche Blindheit dem eigenen Selbst gegenüber. Um sich selbst besser zu verstehen, ist unabdingbar, das gesamte System aus Gehirn und Körper mit seinen Gliedmaßen daraufhin zu prüfen, wie wir es verwenden:

„Wenn du weißt, was du tust, kannst du tun was du willst“, Moshé Feldenkrais (1904 – 1984).

Schon den Kindern in der Schule müsste gelehrt werden, dass zwischen den Bezeichnungen für Sachgegenstände (Auto, Stuhl) und den rein intellektuellen (wie Intelligenz, Seele und vielen anderen, ähnlichen Worten) ein buchstäblich „handfester“ Unterschied besteht. Die eine „Sorte“ der so erklärten Dinge ist anfassbar, die andere ein theoretisches Werkzeug unserer Beschreibung. Es bedeutet gutes Handwerk, der Fakultät Psychiatrie ihren Bereich zuzuweisen, aber das Wort Psyche erlaubt eben auch dem gewöhnlichen Brotesser, seine Probleme wegzudelegieren.

Gingen wir nicht vom Geist aus und seiner vorgeblichen Erkrankung, dürfte der ganze Mensch als krank gelten und man könnte Wege suchen, ihn gesund zu machen. Solange die Psychiatrie ihre eigene Theorie nicht nutzen kann, weil man nicht wahrhaben will, dass die Behandlungen reihenweise scheitern und deswegen die intellektuelle Grundlage dieser Arbeit falsch ist, wird sich nichts ändern.

Es bedeutet, mit der Sprache Schindluder treiben, wenn der Verzicht auf Gewalt gefordert wird. Die gängige Formulierung ist gut gemeint, soll uns Beherrschung lehren. Ich bleibe skeptisch: Da verselbständigt sich Aggression? Ein Substantiv verleitet uns zu glauben, wir hätten ein eigenständiges Monster vor uns, das es zu zähmen gelte. Losgelöst vom Täter gibt es keine Gewalt. Es sind natürlich Menschen unterwegs, die aggressiv sind, und die haben ein Motiv. Wenn wir von Aggressivität oder Gewalt reden, sprechen wir von Verhaltensweisen. Ohne denjenigen, der sich so verhält, machen diese Begriffe keinerlei Sinn. Wenn jemand zornig wird – und sich zu ärgern ist so menschlich normal, dass jeder mal Ärger empfindet –, bedeutet das also nicht, einen Alien vom anderen Stern zu treffen. Dieser Wütende hat ein Motiv. Den Ausdruck zu verwenden, jemand habe Aggressionen aufgestaut und ein Tropfen das Fass zum Überlaufen gebracht, heißt anzunehmen, die Gewalt stünde in Säcken hinter einer Mauer. Man glaubt wohl, ein Strom flüssiger Tsunami bricht den Staudamm? Da ist aber weder Wut im Gehirn gelagert noch ein Damm verbaut, der sie zurückhält. So dürfen wir ernsthaft nicht denken. Wasser etwa ist ein spürbarer Stoff, der uns nass machen kann ohne den Menschen, der es über uns gießt. Wir baden im Fluss, aber in Gewalt badet niemand, auch wenn es gesagt wird. Wut trifft das Opfer nur, wenn jemand anderes wütend ist, und man dem begegnet. Ich kann nicht in einen Wald gehen, und hinter jedem Baum lauert die Gefahr. Wegelagerer sind Menschen und können uns gefährlich werden. Warum ist das so schwer zu verstehen? Als Opfer von Sprachgewohnheiten bekämpfen wir das Falsche. Wir schlagen Worte wie Don Quijote die Windmühlen. Damit wird der Kampf gegen die Gewalt (wie der Kampf gegen den Krebs) zu einem nicht zu gewinnenden Spiel. Menschen brauchen Menschen, das sollten wir nie vergessen.

Obschon der Gewöhnliche es meistens nicht nachvollziehen kann: Wer Leute mit einem Messer angreift, handelt bloß extremer als die gemeine Gesellschaft. Deswegen „den Extremismus“ bekämpfen wollen, delegiert das Problem weg von den Menschen, die extrem denken und handeln. Das bedeutet für die, die mit dem Begriff hantieren, unscharf zu betrachten. Nicht genau hinzusehen und doch einen Gegner treffen wollen, heißt grundsätzliches Verfehlen. Die Dummheit ist also auf Seiten der Hüter unseres Wohlbefindens, den sich zu Experten in Sachen Extremismus Erklärenden, wenn diese Leute nicht beginnen, die Motivlage der Extremen nachzuvollziehen. Die so wichtig genommene Einschätzung, ob eine spezielle Attacke als Terroranschlag zu werten sei oder das Ergebnis einer Erkrankung, täuscht leider darüber hinweg, wie ungesund das Denken von Terroristen überhaupt ist. Diese Leute sind vom Willen zur Vernichtung der anderen geprägt, und das ist krank.

Mit der Definition der Menschen, sie seien eine Sorte soundso, können Populisten Anhänger gewinnen. Wir dürfen uns nicht mitschnacken lassen! Dem Verrückten gesteht nicht einmal die Psychiatrie zu, dass so einer ganz gesund wird. Das tut weh zu begreifen für jemanden, der eigentlich gut klarkommt ohne Arzt und Pillen. Ich spreche von mir. Es ist leider Dämpfung, Beschwichtigung und Trostspenden durch Zuhören, das den Wald- und Wiesenpsychiater ums Eck kennzeichnet, mit uns zu tun. Wir werden Patient genannt, wenn wir hingehen. Das adelt den Therapeuten und setzt ihn scheinbar auf dieselbe Stufe wie den richtigen Arzt, aber wagen wir mal den Vergleich. Gehe ich zum Hausarzt, und der sagt: „Sie haben Zucker, Herr Bassiner –, keine Sorge, das kriegen wir in’ Griff. Sie essen bitte nur noch keine Kartoffeln, Nudeln, Reis und stattdessen viel Gemüse, lassen das Saufen sein. Dazu werfen Sie morgens und abends diese Pille hier ein, die ich Ihnen verschreibe. Da werden Sie sich schnell besser fühlen. Wenn Sie sich dran halten, haben Sie zudem die Chance, dass Sie nach einer gewissen Zeit auch ohne Tabletten klarkommen.“ Der Diabetologe hat eine Pille, mit der man sich bald wohler fühlt. Der Psychiater hat eine, die betäubt. Wohlfühlen ist nicht das Ziel der Psychiatrie. Man möchte, dass die Leute nicht stören. Der Umkehrschluss lautet: „Wenn Sie die anderen nicht stören, haben Sie weniger Stress.“ So heißen auch die Diagnosen: „Anpassungsstörung“.

Ich halte dagegen, kreativ zu sein, heißt unter anderem, die allgemeine Masse mit etwa Kunst oder Aktionismus zu verstören, bis der breite Brei was merkt. Das brauchen wir durchaus. Beispiele gibt es genug. Greta Thunberg stört und wird lächerlich gemacht. Michael Wendler kann nicht zugeben, krank überreagiert zu haben und wird lächerlich gemacht. Das wären aber Vorbilder, den Arzt erfolgreich zu meiden. Der Doktor möchte uns zur Normalität hindämpfen. Da muss doch irgendwann ein Aufbegehren geschehen bei Leuten, die sich weigern, dumpf mitzulaufen oder zweiter Klasse zu leben: Nie glänzten die Stars in der Öffentlichkeit mehr. Das hinbekommen, dürfte heute kaum einfacher sein als früher.

Die Normalen, die gut klarkommen, haben von klein auf Geschicklichkeit erlernt, finden es einfach, dem System wie sich selbst nützlich zu sein. Sie benötigen keine Gewalt, um sich Luft zu machen. Solche können bestimmt auftreten, und man macht ihnen gern Platz, respektiert sie und bewundert diese Menschen. Selbstbewusste – auch in einfachen Berufen im Laden, am Lenkrad als Berufsfahrer oder in der Pflege, wo man anderen den Hintern abwischen muss – können ihre Partner wählen. Das darf man einem Psycho nicht vorschreiben nachzumachen. Man müsste es geduldig lehren. Je traumatisierter einer bereits durch seine negative Erfahrungen ist, desto schwieriger wird die Aufgabe für den Helfer. Mit Pharmakeule klappt das kaum. Es gibt gute Therapieplätze, aber viele benötigten dergleichen. Wir haben überforderte Ärzte und Einrichtungen. So gehen junge Menschen kaputt mit Ansage.

Wer seit der Kindheit erfolgreich einen Stein auf den anderen setzt, dürfte im positiven Sinn einen normalen Erfolg aus seinem Leben machen können. So jemand findet nicht schlimm, kein Präsident oder irgendwo Bürgermeisterin zu sein, was Hochgelobtes. Diese Menschen leben einfach. Leider gibt es einige, die das mehr schlecht als recht hinbekommen und „normal leiden“. Die wissen gar nicht, was ihnen fehlt. Die psychisch Auffälligen aber wollen meiner Meinung nach mehr sein, mindestens was Tolles. Man hat ihnen nie verständlich mit auf den Weg gegeben, wie schwierig sich schon einfache Karriereschritte gestalten.

Die Annahme, psychisch kranke Menschen seien eben vulnerabel und benötigten deswegen pharmzeutischen Schutz, ist so, wie man’s oft liest, falsch. Das greift zu kurz. Nehmen wir an, die hohe Empfindlichkeit mache Menschen verletzlich, und deswegen bräuchten diese ein dickes Fell, eine medizinisch verblendete Rüstung, um im Leben zu bestehen, dann müsten wir auch prüfen, ob unsere Behandlungen erfolgreich sind? Das kann man kaum behaupten. Da ist ja nicht alles schlecht in der Psychiatrie. Es ist unbestritten, dass die heute verfügbaren Medikamente schwere Krisen im Bereich Depression oder psychotischen Episoden zügig abmildern können. Die Versorgung solcher, aus einer Not im Krankenhaus Entlassenen genügt aber keinesfalls dem Anspruch, den eine moderne Gesellschaft haben sollte, diese Menschen zu integrieren. Ich finde schlimm zu sehen, wie Menschen Schritt für Schritt weiter abstürzen und ihnen nicht mehr geholfen werden kann. Ein Psychiater in der Zeitung aufgerufen, die typischen Zustände bei uns in den Kliniken und der ambulanten Versorgung zu beschreiben, nannte diese Menschen Drehtürpatienten: Rein und wieder raus aus mancher Anstalt in verschiedenen Bundesländern düngern diese Armen von Backbord nach Steuerbord wie ein Schiff im Strudel. Sie erleben einen Sog, der ihren Kahn runter zieht. Das ist ein Teufelskreis mit oft tödlichem Ausgang. Und ihre gewöhnlichen Nachbarn, dort wo sie mal wohnen, bis sie umziehen und immer wieder woanders probieren, Fuß zu fassen, reißen noch am Rad – wie diese Eltern, die ihren Kindern lachend Schwung geben auf dem Spielplatz im Drehkarussell. Jeder gibt ihnen nebenbei einen Tritt mit.

# Make me great!

Ohne Spott und den Hang zur polemischen Glosse gelingt mir kein Text. Mein Leben ist in vieler Hinsicht vorbei und kann nur im Trotz verstanden werden, sozialer Abstinenz. Eigentlich, man benötigt Follower. Der aktuell größte Menschenfänger zeigt wie’s geht, jedenfalls eine Zeit lang: Donald Trump könnte bald als krank gelten, abgewählt werden, aber dann nehmen die Leute Elon Musk zum amerikanischen Präsidenten? Der schafft als Erstes die Demokratie ab – und Hurra! „Big Tessla is watching you“, könnte das bedeuten. Die Satelliten sind bereits die Welt überschauend installiert. Man sollte sich nicht täuschen, der Mann strebt nach mehr und ist doch auffällig, gefährlich. Gegen den hilft nicht, die gelbe Elektroschockpistole einzusetzen. So einer lässt sich wählen und bejubeln. Der Mann holt die Kettensäge raus, und die Meute findet’s noch toll. Demokratische Strukturen abzubauen, was offenbar gerade in den USA passiert, heißt, die Freiheit des Einzelnen zu verringern und eben nicht Meinungsfreiheit oder eine Alternative zu den angeblich unisono lächerlichen Demokraten zu sein. Das einzig Wahre an diesen Sprüchen ist die offensichtliche, vielerorts zerstrittene Lächerlichkeit der Etablierten. Wer krank ist, erleidet Registratur und erliegt nicht selten dem Stigma dieser Definition, und wer ist krank: Die gewöhnlichen Doofen rennen weiter zur Wahl und massenweise zum Arzt. Der Psychologe manipuliert und wagt keine ehrlichen Worte. Beim Psychiater sollte die (dem Internisten vergleichbare) Ansage sein:

„Sie haben die Arschkarte im Leben gezogen. Solche wie Sie werden stigmatisiert. Deswegen kommen Sie bitte regelmäßig zu mir, damit ich ihnen die Gelegenheit gebe, ihre Sorgen kennenzulernen im Gespräch. Wir nennen es Therapie. Die Normalen draußen hören Ihnen nicht zu, und Sie haben es nur noch nicht gemerkt. Die Pillen, die ich Ihnen aufschreibe, machen ein wenig benommen und helfen auch nicht –, will also sagen, Sie werden weiter schubweise heftig krank werden. Dann landen Sie (wieder) in der richtigen Klappse. Dort gibt man Ihnen dasselbe Zeug, aber hochdosiert. Weil Sie dann gar nichts mehr merken, erholt sich ihr Gehirn bald. Anschließend kommen Sie bitte wieder vierwöchentlich vorbei, und wir machen weiter wie gehabt.“

Er sollte noch sagen:

„Passen Sie auf, dass nie die Polizei irgendwie auf Sie aufmerksam wird. Sorgen Sie dafür, dass niemand sonst von Ihrer Erkrankung erfährt. Die Leute stürzen sich auf Sie als einen Fall, den diese Menschen dann eigenhändig abregeln möchten.“

Das ist meine Realität, und ich gehe nicht zum Psychiater, werfe nichts ein. Ich habe gelernt, mich abzugrenzen und lebe, ohne dass man mir zuhört.

# Minister, in der Pflicht zu handeln

Eule selbst hat die Arschkarte, denke ich umgekehrt, denn so einer muss immer Rede und Antwort stehen, wenn’s wo eskaliert. Der zeigt wenigstens Empathie und weicht der Presse nicht aus. Hier kann nicht einer allein über die Bevölkerung bestimmen, Leute, die Druck machen und neue Ansätze fordern.

Achtung! Satire, hier beginnt eine womöglich kennzeichnungspflichtige Textpassage mit N-Wörtern und ggf. Zigeunerschnitzeln, Textschnipseln ohne Gender-Gap. Diese Worte sind für Jugendliche ungeeignet. Wenn du zu jung dafür bist, darfst du es nicht lesen.

Bitte gehe zu einer anderen Seite.

Ich fürchte, wahrscheinlich kriegen alle, die nur irgendwo mal psychisch registriert wurden, zukünftig ihren ****stern zum Tragen, und dann wissen die anderen gleich Bescheid: Die elektronische Fußfessel ist scheinbar das Lieblingswort von gestörten Frauen. Sie möchten, dass möglichst jeder Mann in ihrem Umfeld aber sofort (!) eine angelegt bekommt? Bewohner einer größeren Anlage erhalten den Schlüssel vom Vermieter für den Taserkasten im Erdgeschoss. Ein jeder holt die Knarre raus, wenn’s wo pressiert! So wird die Polizei entlastet. Die Justiz ist am Limit. Jetzt greift künftig der neue, zügig durch das Parlament gepeitschte „Jedermann-Paragraf-Plus“: Das Strafgericht knallt den Durchgeknallten weg – direkt vor Ort.

Peng!

Das könnten Ideen sein „das aufzulösen“ –, wie angedacht. Nicht wenige möchten, dass wir Psychos ganz aus ihrem Leben verschwinden. Wir sollen uns auflösen?

Vorsicht, hier folgt eine weitere, eventuell belastende Textpassage! Unter Umständen sind diese Zeilen für dich ungeeignet. Lies dann einfach nicht weiter. Nimm dein Smartphone und beginne ein fröhliches Spiel oder chatte mit deinen Freunden in der Gruppe. Rufe eine KI auf, die dich dabei unterstützt, auf neue Medien zu stoßen mit positiven Inhalten. Wenn du Suizidgedanken hast, darfst du so (etwas) nicht denken. Stopp’ die bösen Stimmen sofort einfach. Falls doch wieder falsche Gedanken kommen, musst du dich bei einer Hilfestelle melden. Obacht: Tust du das nicht, könntest du dich strafbar machen. Wenn du anderen nicht hilfst, die Suizidgedanken äußern, bedeutet das ebenfalls unterlassene Hilfeleistung. Das kostet. Wenn du unbeabsichtigt Websites aufrufst, die dich nicht auf für dich gefährliche Inhalte hinweisen, musst du diese melden.

Sonst!

Trotzdem geschieht es. Psychisch Kranke können nicht mehr und gehen freiwillig. „Auf diesem Planeten, in dieser Welt ist kein Platz für mich“, denken sie. Das wurde noch nicht verboten. Manche machen tatsächlich Suizid. Sie schaffen es. Das geht in die für die Normalen richtige Richtung? Man sagt es ja nicht, aber um die Täter eines Amoklaufs wird nie geweint. Nur die Opfer sind welche. Auch die anderen Spacken, die zu krank sind für normales Miteinander, sollen sie es doch tun, weg mit ihnen. (So denken nicht wenige, glaube ich). Nur bitte nicht auf der Autobahn im Gegenverkehr oder bei der Bahn, das hält die Urlaubsfahrt auf. Kein erlaubter Spaß, das zu schreiben, aber die Ansätze, die ernsthaft diskutiert werden, erschrecken. Ich denke leider, hier sollen bereits etablierte, gesellschaftliche Mobbingstrukturen gegen Auffällige legalisiert werden, weil die Bevölkerung an ihre Grenzen stößt. Die alltägliche Berichterstattung von Gewalttaten mit psychischem Hintergrund irritiert. Wir reagieren verstört, dass echter Handlungsbedarf entsteht. Das Ergebnis dürfte den Prozess der Ausgrenzung forcieren. Das führt dazu, dass die Leistungsträger der Gesellschaft noch weniger werden im Vergleich zu denen, die wir mitnehmen müssen.

Der Polizei sind rechtlich die Hände gebunden. Das ist auch gut so. Das hindert Kollegen nicht, private Kanäle zu öffnen. Das nennt man „die Arbeit mit V-Leuten“ oder Hinzunahme der Informationen durch „einen ausländischen“ Geheimdienst. Ich denke, wenn ich’s lese, quer: „Dürfen wir bei uns keine Küken schreddern, vergasen wir sie eben in den Niederlanden. Dort ist es erlaubt.“ Die jetzt häufiger wie nebenbei beim Polizeieinsatz erschossenen Migranten könnten einfacher entsorgt werden bei angepasster Gesetzeslage: Das spart ihre Remigration? Ein Viertel der Deutschen unterstützt die ganz rechte Partei. Man kann nicht länger vom extremen Rand reden. Immer weitere Verrenkungen sind denkbar, die dem Duo aus Kommissar und Staatsanwalt Möglichkeiten zu sein scheinen, einen ins Auge gefassten Aspiranten für ein Leben in der Anstalt festzunageln. Das möchten manche abkürzen? Die Gegenwart tut bereits weh. Die Polizei kommt nicht in Uniform freundlich daher, als netter Helfer, der sich gleich zu erkennen gibt und fragt mal an, wie’s geht, wie der sympathische Herr Columbo im Krimi. Manipulation ist Methode. Das Vertrauen in den Staat ist längst verspielt. Notfalls provoziert man verdeckt, aber eben doch so, dass derjenige paranoid in Fahrt kommt, bis man im rechten Augenblick den Plan betritt, das Schlimmste zu verhindern. Er „war polizeibekannt“, heißt es dann, aber die Beamten hätten vorbildlich reagiert.

Schöne neue Welt.

🙂