Unwählbar

Der erste Februar dieses Jahr ist quasi der Tag danach. Eine politisch katastrophale Woche ist zu Ende. Friedrich Merz, der derzeit wahrscheinlichste Kanzler nach der bald folgenden, vorgezogenen Bundestagswahl, hat, wie ich finde, ohne Not eine dramatische Aktivität entwickelt. Sein Versuch, Änderungen in der Migrationspolitik ultimativ einzufordern, misslang. Der künftig als sicher im Amt geltende Spitzenpolitiker ließ sich hinreißen, alle unter Druck zu setzen, nun sofort zu machen, wie er’s wolle. Dabei ist die vorhergehende Regierung unter Führung von Olaf Scholz gescheitert, weil diesem Kanzler nicht gelang, die unterschiedlichsten Strömungen der Ampel zum gemeinsamen Handeln zu einen. Jetzt noch schlimmer: Die nächste Regierung muss um so mehr Geschlossenheit üben.

Wie soll ein mutmaßlicher Kanzler Friedrich Merz das schaffen, fragt man sich? Was nützt, die Bevölkerung in der Frage des Problems Zuwanderung hinter sich zu glauben, wenn man das Ruder selbst nicht fest in der Hand hält für den künftigen Kurs der staatlichen Gewalt?

So wird das nichts.

# Schon mal gewesen

Das ist entweder absolutes Unvermögen, menschliches Versagen, das sich wiederholen dürfte, oder beinhartes Kalkül: Die zukünftige Regierung in Schwarzblau zu rechtfertigen. Das dürften nicht wenige Menschen wollen im Land. Es sind aber zu wenige, um mit der erwartbaren Politik inneren Frieden und effektive Problemlösung zu schaffen. Der feste Glaube daran, zu wissen was gut für alle ist, bedeutet den Wahn dieser Einbildung zu kultivieren – und schließlich dennoch zu scheitern. Demonstrationen gegen Rechts, Angriffe auf Parteibüros und Wahlkämpfer, Zerstörung von Plakaten machen deutlich, wie ernst die Lage ist.

Die Demonstranten retten die Welt nicht. Wenn eine Million Menschen demonstrieren, und die Menge skandiert, das sei die Mehrheit im Land, ist das falsch gerechnet. Zwanzig Prozent der Wähler, und so viele mindestens werden rechts wählen, sind viel mehr Menschen als diese Leute, die nichts wollen, als gesehen werden. Dazu kommt eine formbare Herde voller Schafe, die noch glaubt, sie stütze die Demokratie, die Klimaziele, die soziale Gerechtigkeit. Die gehen nicht auf die Straße, haben keine Zivilcourage und sind so gesehen keine Mehrheit für die Demokratie. Die Schwäche dieser zahlenmäßig großen Bevölkerung ist ihre latente Beweglichkeit eines Wackelpuddings. Fragt man nach, sind viele Menschen noch gar nicht sicher, wen sie wählen werden, dass die also entweder unfähig sind, erwachsen zu entscheiden oder eben doch erkennbar keine Wahl haben angesichts der Inkompetenz des Angebots.

In Deutschland sind sechzig Mio wahlberechtigt. Zwanzig Prozent davon bedeuten zwölf Millionen Menschen. Davon dürften nicht wenige gewaltbereit für ihre Ziele kämpfen, und die Gegenseite rüstet ebenfalls auf. Man legitimiert sich scheinbar, Gutes zu tun? Das Land benötigt keine weitere Spaltung. Das aber lebt uns der Bundestag vor. Geradezu albern anmutende Auseinandersetzungen, wenn unsere Außenministerin mit Thorsten Frei die „Kindergartendebatte“ vom Zaum bricht – kindisch. Das macht keinen Spaß anzuschauen. Lächerliches Theater ist fehl am Platz. Die bisherige Regierung ist nicht grundlos gescheitert. Der eigentliche Fehler, der die aktuelle Dramatik befeuert, ist die Unsicherheit dieser schwachen Demokraten in Rotgrün. Jetzt kracht es im Bundestag, und man redet vom Einsturz einer Brandmauer, wie blöd. Hier zeigt sich mitnichten die lebhafte Diskussion, die wir so bislang vielleicht noch vermisst hätten. Das Verhalten der Politik ist dekadent, gefährlich und egoistisch. Es macht Angst. Ein Spiegelbild draußen ist das künftig unausweichliche Erleben für jeden täglich und nicht nur an Silvester. Schärfere Gesetze bedeuten größere Härte beiderseits. Man probiert, die Böller zum Jahreswechsel zu verbieten und dürfte damit jederzeit explodierende Kugelbomben provozieren. Wir steuern auf zunächst moderaten und schließlich allgemein eskalierenden Bürgerkrieg zu. Täglicher Terror ist die wahrscheinlichste Folge dieser hilflosen Idiotie an der Führungsspitze. Es beunruhigt. Der Ruf nach einem neuen (An)führer kommt absehbar.

Der findet sich.

🙁