Zwangsbehandlung

„Bundesverfassungsgericht erlaubt Zwangsbehandlung von Betreuten auch ambulant. Rechtlich betreut werden Menschen, die wegen Krankheit oder Behinderung nicht alles selbst entscheiden können. Das können zum Beispiel Menschen mit einer schweren psychischen Krankheit sein, mit einer geistigen Behinderung oder mit Demenz.“ Das ist eine Schlagzeile gewesen vom Spätherbst diesen Jahres. Man liest es mit gemischten Gefühlen, wenn die Thematik vertraut ist. Vielen ist ja egal, was außerhalb ihres eigenen Horizonts geschieht. Solche bekommen derartige Meldungen mit und gehen zur Tagesordnung über. Der Normale lebt, ohne zu wissen, dass Normalität typischerweise keine Leistung und somit kein Verdienst ist. Normalsein geschieht dem gewöhnlichen Zeitgenossen einfach, und er weiß nicht, wie fies er denen gegenüber auftritt, die als „Gestörte“ leichthin abgetan werden. Gestört zu sein, sucht man sich nicht aus. Es sind die sogenannten Normalen, die andere so nachhaltig in der Entwicklung stören, bis diese abgestempelt mit ihrer Macke leben müssen.

Wie man sich weniger stören lässt und etwas aus seinem Leben macht, obschon die anderen dem eigenen Tun wenig Anerkennung zollen, ich habe das gelernt. Das ist das Thema dieser Website, eine Zurschaustellung alternativer Bilder und Texte. Alternativ insofern, als dass die Gesellschaft sich mit Stereotypen zu helfen probiert. Nicht nur im Bereich zunehmender psychischer Probleme, Schwierigkeiten insgesamt werden unter den Teppich verbaler Anständigkeit gekehrt. „Lumumba“ ist heute Kakao mit Schuss, und dann ist’s gut? Auch in der Kunst werden eher dekorative Ansätze goutiert, die man loben kann, ohne anzuecken bei den anderen. Meiner Ansicht nach funktioniert es nicht, wie wir gesellschaftlich Relevantes angehen. Dem Ausverkauf unserer Wirtschaft, die nun vermehrt ins Ausland abwandert, weil man da günstiger produzieren kann, folgen Massenentlassungen. Das macht Angst. Mir fällt manches ein zu beschreiben. Ein kreativer Ansatz ist so schlecht nicht. Also weniger ein Ratgeber möchte das hier sein, aber Erfahrungsberichte gelingen mir inzwischen ganz gut. Meine Worte sollten denen, die psychischen Störungen stigmatisieren, vor Augen führen, dass sie selbst vom gleichen Schicksal betroffen sein könnten und nicht unbedingt immer frei und gesund wegen ihres Normalseins davonkommen werden.

Normalität ist nur solange ein Schutz, wie die Bedingungen der Umgebung stabil sind. Eine Welt im Umbruch greift den Rahmen von Menschen an, die darauf bauen, den Laden hier begriffen zu haben. Flexibilität ist viel mehr als Gewohnheit. Es bedeutet das ernsthafte Nachvollziehen einer verwirrenden Situation. Wenn sich die Dinge ändern, muss man neu denken. Es gelingt gar nicht so vielen, alternative Methoden zu erlernen. Leute klammern sich an das Bekannte. Wir rutschen ab in die degenerierte Gesellschaft, die schon frühere Demokratien gefährdete, wenn wir nicht hinschauen und unsere Macken anerkennen. Da ist kaum noch eine Familie, die nicht mindestens ein auffälliges Sorgenkind hat, und der Begriff ist nicht auf das Alter bezogen. Ob man den Burnout der Aktiven nimmt, das Rentenloch, in das die fallen, die scheinbar nicht mehr gebraucht werden, oder die Jugenddepression.

Ihre zahlreichen Entwicklungsprobleme, sich in die Erwachsenenwelt einzugliedern, haben die jungen Menschen ja. Psychische Krankheiten scheinen gerade bei ihnen auf dem Vormarsch zu sein. Wir sind, als gesamtes System gesehen, nicht gut darauf vorbereitet. Das ist ein Fehler. Die Jugend bedeutet unsere Zukunft. Wir alle stehen in der Verantwortung und können mit Schlagworten wie „Klimaziele“ oder „grüner Strom“ kaum übertünchen, wie armselig unser Herumeiern insgesamt ist. Allen, die das bemerken, wird angst und bange. Wir provozieren neue Gewalt im Versuch, mit einem Wort „Angriffskrieg“ etwa das Böse zu brandmarken und als dahinten abzutun, wenn wir andernorts nicht glaubwürdig einordnen, wer böse ist in Nahost? Greta Thunberg, zunächst eine Heldin für alle, macht durch ihre harte, einseitige und unerbittliche Haltung, die sie sich ihren eigenen Ansichten gegenüber scheinbar schuldig ist, deutlich, wie zwiespältig jede allgemeine Wahrheit ist. Diese großartige junge Frau polarisiert. Als Ikone taugte sie nur so lange, wie es einfach war, bei einer Strömung mitzutun. Thunberg selbst ist viel mehr als eine momentane Bewegung. Sie ist der Inbegriff des Einzelwesens, das Ungereimtheiten nicht ertragen kann. Die Mutige folgt ausschließlich dem persönlichen Kompass. Das muss Konflikte provozieren. Sie lässt sich nicht anlügen von der Masse, die bloß behauptet, das Gute zu wollen und beschwichtigt, beschönigt, wo das doch nur neuen Ärger heraufbeschwört. Junge Menschen überhaupt nehmen übliche Kategorien nicht einfach hin. Sie sehen das Leid im Krieg allgemein, den Müll auf dem Meer, die ekligen Absahner, denen wir nichts Besseres als grüne Belehrungen entgegenhalten. Die Jugendlichen verlieren die Perspektive ihrer Zukunft. Wir schon länger hier Lebenden kaschieren unsere Ohnmacht mit verbaler Fassade. Das macht die Furcht nur größer bei allen, die diesen potemkinschen Kulissen misstrauen. Als erstes wäre also die Angst als notwendiges Gefühl zu begreifen. Sie ist der Schlüssel, sich selbst zu verstehen. Darauf kommt es an. Das kann man nicht effektiv mit pharmazeutischen Wirkstoffen wegdrücken, dieses Grundfürchten, wenn tatsächliche Gesundheit das Ziel ist. Ein unproblematisches Leben gibt es nicht.

# Behandelt

Ich weiß einige Sachen, die ins Bild passen beispielsweise von einer schon älteren Dame, die inzwischen im Seniorenstift lebt, wie es heißt. Bis vor nicht allzu langer Zeit hatte diese optisch ein wenig schräge Person noch ihre eigene Wohnung und bekam dort regelmäßig Besuch von einer Pflege. C., die Pflegekraft (so in meinem Alter), ist mir ebenfalls bekannt, weil unsere Kinder zusammen in der Schule hier im Ort waren. Ich schreibe das, um deutlich zu machen, was einerseits ein Dorf, wo man praktisch denkt und andererseits das Gesetz, wie es korrekt sein möchte, tatsächlich für uns alle bedeuten. Sie, C., „sorge dafür, dass K. ihre Tabletten nimmt“, meinte die Vermieterin H. einmal, ebenfalls im Rentenalter, mit der ich genauso wie mit den anderen gelegentlich einen Schnack habe. Das kann man wohl als mental ausgeübten Druck ansehen? Ist es bereits eine Zwangsbehandlung; darüber mögen andere entschieden haben.

Im Laden nebenan tratschte man unverhohlen. K., die abwertend bloß als „die Verrückte“ bezeichnete Nachbarin, nutze das Vermieter-Ehepaar schamlos aus. Es galt als Messie-Wohnung da oben. Auch im unweit gelegenen Restaurant lästerten die täglichen Trinkgäste. Das habe ich mitbekommen. Es sind selbst Leute einfachen Geistes, denke ich, wenn sie alltäglich am Tresen abhängen müssen, aber nichtsdestotrotz welche, die meinen, Bescheid zu wissen. Das glauben sogenannte Normale bekanntlich von sich. Man haut gern einen Spruch raus: Sie, K., habe „im Wahn die Polizisten getreten.“

Was mögen sie über mich reden?

Soweit Zwangsbehandlung, wie ich davon erfahre auch ohne legale Gesetzgebung. Die wurde jetzt „nachgeschrieben“. Das geschieht bloß, um einen rechtlichen Rahmen nachzubessern für Vorgänge, die längst unvermeidbare Realität sind. Davon bin ich überzeugt. K. hatte durchaus ein Arbeitsleben früher, war soweit integriert, dass sie mit Bekannten im erwähnten Restaurant auch essen ging. Ich habe mich, nachdem ich manches mitbekam, ein wenig mit ihr angefreundet, solidarisiert gewissermaßen. Sie war buchstäblich Lokalkolorit. Meine Familie und ich sind ebenfalls Gäste dort nebenan zu Tisch, und eine Begegnung mit einem merkwürdigen Mann beschreibe ich noch, und was es mir bedeutet. Ich möchte zeigen, wie fließend die Übergänge vom Absonderlichen zur gewöhnlichen Normalität scheinbar gesunder Zeitgenossen „von um die Ecke“ sind.

Einige schaffen, dem zwangsweise aufgedrückten Stempel zum Trotz, gesellschaftlicher Stigmatisierung zu entkommen und sich Freiräume zu schaffen. Es gibt die Normalität so gesehen nur graduell und nicht als allgemein messbare Größe. Wie viel Freiheit jemand empfindet und inwieweit die Umgebung ihn bewertet als Teil vom Ganzen, kann deutlich auseinander gehen, was die Wertschätzung der Person angeht.

# Stigma

Wir waren also zufällig Nachbarn in dem erwähnten Restaurant, saßen am Nebentisch von Menschen, von denen ich einen vom Sehen kenne. Dieser erwachsene Mann ist erkennbar unreif. Er wirkt wie ein Kind in meinem Alter vom Geiste her, aber darauf möchte ich nicht weiter eingehen, wie ich zu dieser Einschätzung komme. Dies soll keine Personenbeschreibung sein. Ich bin ein wenig erstaunt gewesen, dass sich überhaupt ein richtiges Grüppchen gefunden hatte, ihn zu begleiten und ganz normal zu klönen. Vier Menschen aßen zusammen, und einer, den ich bislang für eher blöde gehalten habe, ein Einzelgänger, wurde integriert in manche Ansichten, die diese Leute beim Essen austauschten. Eine normale Unterhaltung? Nicht ganz. Einmal schob jemand diesen Satz nach, der wie eine Aufmunterung und als Lob betont wurde: „Das kannst du doch gut“, es schien, oberflächlich mitgehört, kaum mehr als eine Floskel zu sein.

Mich hat es getroffen wie ein Schlag ins eigene Gesicht.

Ich hatte nicht gelauscht, aber es war unvermeidlich, Wortfetzen aufzuschnappen. Ich weiß also gar nicht, worum es bei den Fremden ging. Aber diesen Satz habe ich auf mich bezogen! Das möchte ich mal erklären. Ich überlegte, könnten Freunde von mir mich selbst genauso ansehen, wie ich diesen debilen Typen betrachte? Von oben herab, man spricht zu solchen Leuten wie zu einem Kind, das eine Aufmunterung bekommen sollte. Der Sprecher kann aber nicht ganz verbergen, dass er gerade probiert (aus seiner Sicht), einen Idioten zu loben. Das kam mir so vor, und da habe ich weitergedacht, mich an ähnliches erinnert, wie ich’s kürzlich selbst erfuhr. Ich reagierte äußerst sensibel, allerdings ohne mir das anmerken zu lassen am Abend neben den unbekannten Mitessern. Innere Alarmglocken schrillten. Warum? Es klang wie gewollte Lobhudelei. Ein Mensch tut bloß nett zum Tischnachbarn beim Essen, der in Wirklichkeit als Partner zweiter Klasse angesehen wird, mir jedenfalls kam es so vor. Sicher überbewertet ist dieser Eindruck, aber es hat sich real schmerzhaft angefühlt. Der Grund ist ein Déjà-vu. Das kann ich erzählen. So eine Preisgabe halten meine Freunde aus?

Die Geschichte passierte einige Monate vor der ganz anderen im Restaurant. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Die Verbindung sehe nur ich allein. Meine individuelle Interpretation schafft eine Brücke. Mir geht es darum, Querverbindungen aufzuzeigen, über die man für gewöhnlich nicht spricht. Es könnte uns allen auf die Sprünge helfen, ein wenig menschlicher zu sein und das Unsagbare wenigstens erahnen machen. Was man von sich hält und wie fest dieses innere Bild dem widersteht, was andere kritisch zu erkennen meinen, wie man den Freund selbst ebenfalls (unausgesprochen) bewertet, davon möchte ich schreiben. Eine sensible Angelegenheit, aber einen Versuch wert, davon zu berichten.

# Wettsegeln

Es war eine spontane Aktion, wieder eine Regatta mitzufahren. Wir wollten segeln, aber mein langjähriger Mitsegler erkrankte, und für ihn sprang ein anderer ein. Damals hörte ich diesen gewollten Ansporn, der sich später – an den anderen, komischen Mann gerichtet – scheinbar wiederholte. Der Mutmacher galt an diesem Tag aber mir. Ich kenne also dieses sonderbare Lob, das eher nicht nützt, sondern auf seltsame Weise irritiert. Es wirkt aufgesetzt. Ein Chef spricht so zum Praktikanten. Aber tatsächlich zu mir hat ein Freund diesen wortgleichen Satz gesagt.

„Das kannst du ja gut.“

In diesem Tonfall, dass ich zusammenzucke, und ich mag es überbewerten. Wir freuten uns doch beide bloß, dass die Bris vom Vortag nachgelassen hatte. Es ist nicht allzu lang her. Ein Tag mit weniger Wind, und tatsächlich, mir liegt dieses laue Wetter mehr als jeder Kuhsturm. Ich bin besser bei leichtem Wind. Wir ermuntern einander als Team, was soll daran falsch sein? Ein: „Gut gemacht!“ unter Sportlern ist ja wohl o. k. – die Macke ist also ganz allein meine.

Es trotzdem beschreiben.

Eine Kunst ist, sich selbst zu bemerken. Der für die Stammbesatzung eingesprungene Vorschoter, eigentlich selbst Steuermann, ist ein eher neuer Freund, möchte ich sagen. Er ist ein wenig jünger als ich und in unsere Bootsklasse gekommen als frischer Besitzer einer eigenen Jolle. Der Neue ist gelegentlich noch unsicher an Bord. Das ist ein großartiger Fockmann ohne Frage und ein perfekter Kumpel. Er hat Einsatz, Geschick für die Manöver und Humor, überzeugt jedoch weniger taktisch. Eigenverantwortlich an der Pinne sind seine Talente ausbaufähig. Mit dem schnellen Segeln hat er’s nicht so, möchte aber ernsthaft besser werden. Der Mann versteht die Bootfahrt aus dem geselligen Schippern seiner Jugend mit Freunden auf dem Wanderkutter. Während mir das Ganze mit dem Gewinnen heute reichlich egal ist, ich kann schließlich segeln und muss es nicht erneut beweisen, investiert unser Freund teuer ins Material und erträumt sich scheinbar, vorn gegen die Besten an der Spitze um den Sieg mitzufahren. Der sucht Anschluss, ist ein lieber Kerl. Das steht mir zu, beurteilen zu können in dieser Szene. Ich bin ein vergleichsweise alter Hase mit reichlich Segelerfahrung, aber ich bin eben auch der, der schon mehrfach psychotisch war. Ich rede offen darüber.

Es ist kein Geheimnis.

Meine Überempfindlichkeit zugeben, ich bin integriert, und hier stellt sich wieder die Frage, was ist eigentlich normales Dabeissein in unserer Gesellschaft? Viele nehmen hin, behandelt zu werden, gehen gern freiwillig in Therapie. Mit einem guten Ansatz in der entsprechenden Einrichtung hilft es auch. Schließlich wird nicht wenigen Menschen durch ärztliche Unterstützung die Teilhabe am Leben trotz psychischer Erkrankung erst möglich. Sie müssten ohne qualifizierte Behandlung stationär in einer Klinik verwahrt werden. Mir genügt dieses begleitete Leben, das auch meine Vergangenheit kennzeichnete, schon lange nicht mehr. Ich habe entschieden, allein klarzukommen und verteidige mich notfalls dahingehend. Es kann keine Pharma geben, die mir hilft, die beschriebenen Denkweisen, die noch Dynamik entwickeln an manchen Tagen, zu dämpfen, ohne weitere Einbußen an Lebensqualität hinnehmen zu müssen. Ganze Ketten von paranoiden Ängsten wachsen in meiner Fantasie an. Solche selbst gezüchteten Monster können lebhaften Zorn kreieren. Das nicht aushalten und mit Pillen unterdrücken wollen, führt in die geschlossene Sackgasse der Psychiatrie, besiegelt das Leben. Man dreht im Wendehammer unter Beobachtung Kreise. Dann segelt man nicht mehr um den Pokal. Man fährt mit der HADAG mit. Freunde begleiten am Sonntag, zeigen auf den Himmel, loben das Blau.

„Wie schön.“

Unsere Vergangenheit ist mehr denn je gespeichertes Material für Menschen, die wissen, daraus etwas zu machen. Diese kleine, mit ein paar Sätzen hingeworfene Skizze, die meinen Gemütszustand wohl durchscheinen lassen könnte, ist geeignet, die Isolation zu beschreiben, in der ich heute (bewusst) lebe. Mir sind meine Mitmenschen vergleichsweise egal. Ich empfinde keinerlei Empathie wie früher.

Mir ist klar, dass mir so oft keine Wertschätzung entgegengebracht wird.

Ich lasse mich nicht behandeln. Gar nicht, ich entziehe mich dem System. Ich nutze keine Medizin. Ich habe nicht einmal einen Hausarzt. Ich nehme nichts ein aus Prinzip. Keine Pillen! Wer mich bedrängt, den schlage ich tot. Das erlaube ich mir, und es ist nicht im Spaß dahergesagt. Leute tun nur so, und es ist noch schlimmer, nicht wenige nutzen mich aus und tun freundlich. Das ist ganz offensichtlich. Würde ich hinschreiben, sie täten mir leid aufgrund ihrer Armseligkeit, widerspräche es dem Vorangestellten; hier geht es nicht um Anteilnahme, eher um Spott.

Jede moderne Gesellschaft definiert die Mitglieder nach ihrer Leistungsfähigkeit. Ein System erkennt sich durch zielgerichtete Funktionalität. Wo Störungen den flüssigen Ablauf behindern, setzen Prozesse ein, sich um Blockaden zu kümmern. Je nach Recourcen stehen Kräfte zur Verfügung, die schwierige Mitglieder integrieren möchten, damit solche dumpfen Blöcke mitspielen im Orchester. Wenn das zu mühsam erscheint, droht ihnen der Rauswurf aus dem Ganzen. Das betrifft so gesehen Menschen in jeder Organisation. Teilnehmer im funktionalen Apparat der konkreten Struktur werden unterstützt. Man lehrt sie das Nötige, und wenn es partout nicht klappt, fliegen sie aus der Gruppe. Innerhalb vom Staat, dem übergeordneten, großen Rahmen müssen Gefängnisse und psychiatrische Krankenhäuser die aufnehmen, die nicht integriert mitmachen. Fremde, die nicht kompatibel sind, werden ganz aus dem Land gedrängt. Das soweit zu verstehen ist leicht, es an sich zu erleben, weniger erwünscht zu sein, kränkt. Es tut weh, nicht dazuzugehören. Hier liegt der Grund aller psychischen Krankheiten, es fehlt am selbstbewussten Verstand, sich sozial so einzupassen in das bestehende Gefüge, dass die eigenen Vorlieben genügend Berücksichtigung finden. Darum, dass wir wertgeschätzt werden, müssen wir uns selbst kümmern. Das nötige Geschick bekommen die einen mit der Muttermilch mitgegeben, und die anderen bekommen es nicht mit.

Das psychiatrische Krankenhaus und der ambulante Therapeut sind mit der Aufgabe betreut, sich um die menschlichen Problemfälle zu kümmern. Das klappt nur ausnahmsweise in der vom Patienten gewünschten Vollständigkeit, dass der Spezialist das jeweilige Problem eines Betroffenen dauerhaft löst. Dem Arzt stehen manche Schwierigkeiten im Weg. Er dient der Gesellschaft wie dem Einzelnen. Dieser müsste Eigeninitiative mitbringen und tut das nur bedingt. Kommt die Behandlung voran, werden kleinste Erfolge bereits durch die tumben Mitmenschen drumherum attackiert. Die allgemeine Umgebung außerhalb des Sprechzimmers ist nicht unser Freund.

Mir schenkt niemand der beruflich Integrierten echtes Interesse im Sinne, mich als denjenigen zu sehen, der etwas lernte, was solche Menschen nebenher draufhaben. Sie funktionieren und können nicht verstehen, dass ich lernte, was sie unbewusst machen. Ich musste etwa lernen zu atmen. Sie machen es irgendwie und wissen nicht, dass Atmung zu tun hat mit Angst und überhaupt Leistungsfähigkeit ohne Funktionalität unmöglich ist. Ärzte, die das draufhaben sollten, können es denen nicht vermitteln, die dazulernen müssten. Die Doktoren schauen nur isoliert auf die Psyche und begreifen nicht, dass das ein bloßes Wort ist, ein Begriff. Ein Mensch ist mehr als das. Ein Mensch ist auch mehr als ein Patient. Ich darf die Psychiatrie kritisieren, weil ich manches lernte, das diese Institutionen verzögerten, mir doch endlich beizubringen. Leute wie mich ordnet man diagnostisch ein, trottet mit ihnen beiseite und gibt einen Wirkstoff, redet von manchem Kniff zu leben, aber lehrt den Kranken nicht die Grundfunktion. Der Psychiater weiß oft gar nicht, dass am kranken Geist ein individueller Körper hängt, dem sich manche Macke eingefleischt hat. Da nützt zu reden wenig, wenn diese über Jahre vom abstrusen Verhalten geprägten und so demolierten Gebeine und ihr Rumpf nicht miteinbezogen werden in die Behandlung. Unsere Gesellschaft könnte viel gesünder sein und brächte auch insgesamt mehr Leistung und Freude ins System, würden wir mehr tun, psychisch angeschlagene Menschen vollends zu integrieren. Uns genügt die Moderation der Probleme, das therapeuthische Begleiten, ein Leben im Kanal abseits des Hauptfahrwassers gestehen wir den Verwirrten zu.

Mich kränkt bereits ein hingeworfener Satz, aber die Leute traben einfach weiter und nennen mich vulnerabel. Man möchte behandeln und sogar zwangsbehandeln, schafft neue Arbeitsplätze in der Pflege, statt die zu Behandelnden als ganze Menschen fit zu machen. Trampler bestimmen und die, die sich mit Hochglanzplakaten beloben, bekommen einen Platz oben. Ich habe mehr vom Ganzen mit all meinem Frust als diese.

Die Masse ist blöde: Sie wählt sich eine Politik, die Deutschland beschädigt. Eigentlich selbst schuld am Ungemach, was sie so quält, geben die Menschen zudem nicht nach, andere zu belangen? Jeder straft jeden ab. Nie wurden so viele Anzeigen geschrieben wie heutzutage. Das gegenseitige Fertigmachen als grundsätzliches Problem am eigenen Leib gespürt zu haben, eine praktische Lösung bereitzuhalten, nicht mehr psychisch zu erkranken, zeichnet mich aus. Darüber muss ich mich allerdings allein freuen. Die anderen glauben ja noch, sie müssten wohin im Leben?

# Suchtkrank

Geltungssucht ist nun gerade nicht, was mich schreiben lässt, aber die Masse hat diese Macke. Sie postet ohne Unterlass und nicht bloß in einer Nische. Die Menschen möchten gesehen werden. Robert Habeck, unser noch im Amt befindlicher Wirtschaftsminister, der gerade seine Ambitionen vom Küchentisch aus proklamierte, als Kanzlerkandidat der Grünen anzutreten, wird nicht von so vielen bewundert, wie das nötig wäre, um tatsächlich Kanzler zu werden. Es ist als legitime Befürchtung öffentlich bekanntes Thema. Auch die Politik von Robert Habeck wird vielerorts kritisiert, seine Fachkompetenz im Ressort stellen namhafte Zeitgenossen unwidersprochen in Frage. Das darf man schreiben? Es gilt dem Minister wohl noch nicht als Beleidigung. Er ist bekannt geworden als einer, der gern mal Strafanzeigen verfasst, wenn eine (rechte) Dumpfbacke auf den zahlreichen Plattformen lästert, die breit gelesen werden. Da kommt die Polizei nach Hause. Sie ist der lange Arm der Politik. Das lief in den Nachrichten. Ein Rentner hatte sich weit aus dem Fenster gelehnt mit einigen Frechheiten. Beleidigung, Volksverhetzung standen als Vorwurf im Raum; Hausdurchsuchung! Da wird so ein Lautmaul zwangsbehandelt, und das ist Recht bei uns. Es macht mir bedingt Angst. Aber halb so schlimm, mich findet man kaum mehr auf Google. Ein zusammengestutzter Rest an Info im Vergleich zu früheren Ergebnissen wird dem Suchenden noch gegönnt. Sind meine Wortmeldungen Beleidigungen? Man bekommt es ja nicht mit. Ich bin inzwischen unbedeutend. Der Algorithmus übersieht mich. Könnte aber auch sein, dass ich digital manipuliert werde? Jemand fühlt sich berufen, löscht die Suchergebnisse händisch bei Google „zum Schutz der Person“, nimmt sich das Recht, glaubt, dies zu dürfen, wehrt Gefahr ab, sagt so einer. Ein psychiatrischer Gutachter könnte das erwirkt haben, ohne überhaupt mit mir in Kontakt zu treten.

Das halte ich für möglich.

Mein Vertrauen in den Rechtsstaat geht gegen Null. Das Gesetz ist biegsam. Rechte hat, wer sich traut, für sie einzutreten. Wer das nicht kann, weil er nicht begreift, verarscht zu werden, der wird verarscht. Unser Staat, das sind Menschen. Und Menschen sind mal Arsch. Menschen profilieren sich, indem sie vorgeblich helfen. Sie helfen nur sich selbst, bekannter zu werden, wichtiger. Scheinbar sind es Helfer einer guten Sache. Tatsächlich geben Eitelkeiten vermeintlich guten Menschen das jeweilige Motiv. Angeblich Benachteiligte wissen oft nicht einmal, dass ihnen aufgenötigt Hilfe geschieht. In Wahrheit ist es noch schlimmer, Schaden wird angerichtet, ganzen Bevölkerungsgruppen die Eigenständigkeit abgesprochen. Da werden Opfer kategorisch stilisiert nach Bedarf. Man kreiert Gefährder, um sie betreuen zu dürfen. Schließlich entdeckt der Psychologe den sensibel Gestörten, der als Opfer seines Verhaltens gesehen wird und zugleich eine Gefahr als Täter für die Allgemeinheit bedeutet. Man erschafft tickende Zeitbomben durch schlampiges Observieren selbst. Der Staat ist so dumm wie selbst eine Gefahr für alle. Das gibt man nicht zu. Der paranoide, sich selbst gefährdende Gefährder müsste verdeckt geschützt werden, mahnen moderne Ordnungskräfte an. Sie machen Menschen erst zu Verrückten. Polizisten und selbsterklärte Blockwarte mancher Nachbarschaft rütteln am Selbstwert von Labilen, bis diese aus der Gesellschaft rausgerückt, faktisch verrückt werden, kollabieren, voller Hass überreagieren.

So herum ist es und nicht, dass Gewalt einfach aus sich selbst erwächst. Menschen entwickeln Motive. Gewalt hat eine Geschichte. Migranten etwa sind beliebtes Kanonenfutter. Auffällige haben keine Freunde, sprechen die Sprache nicht, sind sexuell überpotenziert. Da schafft man schon mal Beweise, denn solche finden den Weg zum Anwalt kaum. So ergeben sich die Erfolge der Wachsamen, wenn wieder ein „sich selbst“ Radikalisierter noch gerade rechtzeitig in Obhut genommen wurde. Die Zeitung macht gern mit. Phrasen werden gedroschen, Kommentare erklären die Welt. Die Bummler genießen den Weihnachtsmarkt wieder. Man schaut hin! Behörden verfolgen nur das Ziel, sich neue Arbeitsfelder zu erschaffen, Leute „auf dem Schirm“ zu haben. Wenn’s tatsächlich wo knallt, ist es leider oft der bislang unbekannte Einzelgänger. Ein netter Junge von nebenan. Der Behörde ist nur wichtig nachzuweisen, dass sie entschlossen handelte und die Fehler anderswo passierten. Die Waffen sitzen locker.

# Der N-Mensch, der I-Mensch, und solche wie ich

Noch nicht lang her: Als der Ravensburger Verlag sein Buch vom „jungen Häuptling Winnetou“ entfernte, weil ein Shitstorm die Verantwortlichen mahnte, das Werk sei rassistisch, zog das Fernsehen nach, gab bekannt, wer ihnen im Zweiten auf Facebook schriebe und das neuerlich bekanntermaßen verbotene I-Wort nutze, dessen Posting würde umgehend gelöscht. Ich habe es erst jetzt mitbekommen. Auch in diesem Fall wurden die nötigen Opfer als solche erst erfunden. Um sich als Weltretter zu profilieren, ist den vermeintlich besseren Menschen jedes Terrain recht, ihren Claim abzustecken, verbale Deutungshoheit zu beanspruchen. Die vorgeblich Geschädigten bemerkten gar nicht, dass ihnen rassistisches Unrecht geschah durch falsche Worte im Ausland. Das Thema nahm seinerzeit die Bildzeitung zum Anlass nachzufragen in Amerika, der Heimat der I-Menschen. Ein echter Ureinwohner äußert sich auf YouTube. Ich fand den Beitrag der Bild in den Vorschlägen. Das klang dort etwa so: „Er, Robert Packard, vom Stamme der Sioux, sei verärgert und auf der Seite von Winnetou. Soll heißen, seine Stammesleute und er selbst, und das seien nicht wenige, sprächen kein Deutsch. Sie hätten noch nie etwas von Karl May gehört, geschweige denn von diesem Apatschenhäuptling. Sie würden also nicht irgendwie geschützt durch ein Verbot in Deutschland. Seine Leute empfänden auch keine rassistische Beleidigung, weil sie dergleichen schlicht gar nicht mitbekämen. Er jedenfalls fühle sich durch ein Buchverbot wie ausradiert – und keinesfalls diskriminiert durch die Bezeichnung Indianer.“

Ausradiert bin auch ich.

„Denen man nicht vergibt“, ein alter Film mit Burt Lancaster kam gerade im Fernsehen. Ich denke, der Wilde Westen, das ist hier. Unser schönes Feld ist ein Schlachtfeld. Das Dorf, das Land will mich nicht. Das ist deutlich geworden. Die Leute hier haben sich manches ausgedacht für ihre Provokationen. Ich bin fertig mit „denen“. Ich unterstütze umgekehrt niemanden. Die totale Blockade: Zur Wahl gehe ich nicht, und schon gar nicht wähle ich die Sozis. Meine Erfahrungen mit der roten Partei sind bekannt. Politik ist Lüge. Allgemein eine Enttäuschung. Es gibt keine ehrliche Partei. Gerechtigkeit und Fairness sind hohle Schlagworte von Menschen, die damit gern protzen. Das wird gerade deutlich, wo die Ampel zerbrochen ist und die Liberalen zugeben müssen, was dabei ihr Anteil war. Mich wundert es nicht, wie alles bloß Fassade ist in Berlin. Ich habe persönliche Erfahrungen gemacht mit denen, die nur so tun als ob.

Es wirkt noch nach, letztes Jahr hat ein neuer Webdesigner der Gemeinschaft unsrer Bootsklasse mich mit meinem Beitrag aus der Site gekickt. Ein launiger Text „Ankern“ war verlinkt gewesen mit meiner eigenen Homepage hier. Diese digitale Brücke verbot sich augenscheinlich angesichts gewerblicher Kunden, die nun die bislang spendenfinanzierte Darstellung unserer Jollenvereinigung unterstützen sollten? Das hat meine Freundschaft zum in jeder Hinsicht besten Freund der Szene, mit dem mich so viel verbindet, arg beschädigt. Familie, Segeln, sich gegenseitig zu helfen und unzählige gemeinsame Erlebnisse, da ließe sich manches aufzählen. Unser Obmann P. hat dabei – dieses feige Spiel, mich smart abzukündigen – einigermaßen unauffällig mitgemacht. Es hat mich getroffen. Ich habe nachgebohrt. Wir haben uns zusammengerauft. Man verträgt sich, weil Uneinigkeiten nun mal dazugehören zu einer solchen, intensiven Freundschaft, und würde man es nicht schaffen, wieder zusammenzukommen, bedeutete es nur die Schwäche der Verbindung. Dann trauerte man dem wohl kaum nach. Nein, wir segeln wieder weiter. Es hat aber gezeigt, wie eklig modernes Abstrafen wirkt, übrigens auch hier im Dorf.

Ich hab es erlebt.

Eine klebrige Wichse hält zusammen. Mein Ehrenamt bei der Kirche habe ich aufgegeben, als die Pastorin nicht mit mir zusammen auf der „Seelsorgebank“ sitzend (hier auf meiner Website im Blog) abgebildet sein wollte. Die Bank durfte ich ihr gestalten, ein großes Ohr aus Styropor und ein Straßenschild fertigte ich dafür zum Dranschrauben. Mambo hat mir extra noch einen Ring geschweißt zum Befestigen, als die handelsüblichen Beschläge nicht passen wollten. Das ist ein Freund. Und die Profis in der Druckerei, der liebe Herr R. selbst, sie sorgten dafür, dass wir das korrekte Blau der typischen Straßenschilder wie in Hamburg üblich und die richtige Typo gedruckt hinbekamen. Vielen Dank! Scherzen und einander umarmen, das fand die Kirchentante in Ordnung, aber mit mir zusammen Arm in Arm im Internet erkennbar wollte die Scheinheilige nicht sein. Unter stockender Stimme gestand mir diese schwache Glaubensfrau anderntags am Telefon den Druck, den es innerhalb der kirchlichen Struktur gebe, wie makellos das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit sein müsste. Andernfalls verlöre man Pastorat und Wohnung im Ort. Cancel-Culture wird so tatsächlich effektiv betrieben. Als eine Kette umfallender Dominos erleben wir nur den hinterletzten, armseligen Stein, der auf uns runterkracht, letztlich wenn wir schließlich ins Grab fallen, liegt diese Platte drauf, die unser Schicksal besiegelt. Das hat so schon der heilige Stephanus erlebt. Die Macht tritt zu von oben. Sie cancelt den Gemeinen der Gemeinde ab, schießt von der Kanzel unserer Kirche in die Bänke, wie es die königliche Dorfoberste befiehlt. Staat und Kirche sind absolut vereint im Kaff westlich der bekannten Metropole.

Mir wurde klar, so schlimm bin ich wirklich! Immerhin, nicht jeder hat das mitbekommen. Meine Nachbarin fragte kürzlich, ob ich nicht im Willkommenscafé bei der Flüchtlingshilfe die Leute unterstützen möchte? Könne ich „leider nicht machen“, antwortete ich, ich hätte zwar Zeit und Interesse, aber dort helfe auch die Schwester von A. (weil sie russisch spricht), und deswegen ginge es nicht. Meine Verwicklungen in eine verfahrene Beziehung zu einer Studentin dürften zum Drama ihr Übriges beigetragen haben. Davon ist auszugehen. Meine Fehler sind bekannt. Nicht A. allein, gleich mehrere junge Frauen haben sich instrumentalisieren lassen, behaupte ich, für eine zweifelhafte Rettung der kleinen Welt hier. Das dürfte auch Teil der Überlegungen im Kirchenumfeld gewesen sein? Prüde Weibsen werden zudem meine Bilder hassen. Meine Gefährlichkeit ist scheinbar legendär. Eine Tat (oder gleich mehrere), die diese Mädels zum tatsächlichen Opfer meiner Bedrohung machen könnte, wird sich aber nicht finden lassen. Darum ist der Budenzauber vom „schlimmen Künstler“ zur Lachnummer verpufft. Mein Spaß! Das habe ich dann noch ein wenig beschrieben. Ich sagte Lyddi etwa, das ich Persona non grata sei in der Verwaltung bis ganz oben im Turm, da besonders, und deswegen engagierte ich mich gar nicht und nirgends. Nun hilft jemand anderes. So ist dieses Dorf. Ich halte es aus.

Ich erinnere, die Pastorin etwa meinte noch, sie habe mir bislang niemals eine persönliche Seelsorge gegeben, und da wurde erst klar, was die Frau von sich vernünftigerweise glaubt zu sein. Sie will den Leuten helfen und hält sich dazu befähigt, kraft ihrer Ausbildung und Position. Ich habe das gar nicht respektiert. Tut mir leid. Mein Fehler, noch einer. Ein grundsätzliches Missverständnis in unserer Beziehung. Mir kann niemand Beistand geben, den ich persönlich für unsicher, ja menschlich als unfertig einschätze. Ein Mädchen nur, habe ich gedacht, was will die denn? Ich baue dir Sachen, und du kannst einen Maulschlüssel nicht vom Türschlüssel unterscheiden, rufst deinen Gatten deswegen an: „Haben wir sowas?“

Was soll das sein, dein Gott?

Mir ist jede Christmette egal, seit dem ich das erlebte.

Jetzt ist es ja wieder soweit. Am Montag vor Heiligabend, wenn Norbert und die anderen am frühen Abend mit „Don’t give up the Ship!“ loslegen, bin ich nicht mehr dabei am alten Steinweg im Club zuzuhören. Eine lange Nacht, und ich bin nicht mit an Bord bei den Jazzern. Es macht keinen Sinn, an früher zu denken. Ich schütze mich vor dem Grübeln, das mir bloß den Abend versaute. Um diese Zeit gehe ich bereits zu Hause zur Koje. Mein Schiff, meine kleine Jolle ist ja nicht das Boot der anderen. Es liegt in der Halle und fordert im Winter einige Arbeiten von mir. Ich denke daran beim Einschlafen. Meine Frau schaut wie allabendlich noch einige Weihnachtskrimis im Fernsehen, parallel das Smartphone in der einen Hand mit irgendwas drauf, was sie ablenkt, und daneben liegt die Zeitung mit ihrem Sudoku, wo sie mal was einträgt. Wir sind lange verheiratet. Ich stehe üblicherweise um vier oder fünf Uhr schon wieder auf und ändere ein wenig an einem Text (wie diesem) oder transkribiere Noten für tägliche Übungen.

Manchmal beim Schreiben denke ich, das Internet sei selbst ein Fake, für mich so installiert von Jan, dass ich glauben soll, es wäre wahr, und meine Texte lese nur ich ganz allein selbst (außer den Polizisten, die sie unkenntlich machen für das weltweite Netz). „Do not found“, lesen die wenigen, die mich aufrufen womöglich oder es würden aktuell Wartungsarbeiten durchgeführt, der „Fehler Nummer soundso“ sei leider eingetreten, was weiß ich? Es gibt ja nie Rückmeldungen. Ich bin tot. Ich kultiviere meine Paranoia.

Noch eine Abwahl, mein Steuerberater, ein Segelfreund seit der Jugend, hat uns überraschend die Mandatschaft gekündigt. Angeblich geschah das bei bis zu hundert weiteren Kunden der Kanzlei, die sie wegen personeller Überlastung spontan kündigten. Ich habe getan, als ob ich das glaube. Ein anderer macht es nun. Daran denke ich, dass ich’s nicht herausfinde, was wahr ist und was nur meine eingebildete Befürchtung sein könnte, wenn ich morgens in die Gänge komme. Ich mache mein Feldenkrais, koche Kaffee und solche Sachen, und der Tag beginnt. Danach folgt dann wieder ein Tag, dann der nächste usw.

# Normale sind krank

Die normalen Leute: Wenn ihnen was nicht geheuer ist am Leib, gehen sie zum Arzt, ich nicht. Wenn ihnen die Politik nicht passt, gehen sie zur Wahl, ich nicht. Wenn sie einsam sind, machen sie WhatsApp, ich nicht. Menschen machen was zusammen.

Ich bin nicht dabei.

Ich male mir was, übe Trompete.

Ganz schön öde, aber was soll’s? Ich werde sozial gemobbt, schon deswegen, weil mir selbst ehrliche Freundlichkeit der anderen wie Verhöhnung in den Ohren klingt. Ich wähle das kleinere Übel und bleibe für mich. Das ist meine Störung. Mich kann man nicht zwangsbehandeln, aber diese Einstellung verunmöglicht auch, freiwillig zum Doktor gehen, wenn mich was plagt. Ich fürchte, der Arzt betrügt mich sowieso! Ich gehe nicht zur Wahl, weil ich nicht mehr an die Politik glaube. Ich gehe nicht in die Kirche, nicht in Konzerte, nicht in Kunstausstellungen. Ich habe jedes Vertrauen in diese Gesellschaft verloren. Da bin ich sicher nicht der Einzige?

Eine brandgefährliche Entwicklung.

Wir sind viele. Denken wir mal weiter, jeder von uns kann scheitern und den Verstand verlieren. Ich weiß das nur zu gut. Mit mir gibt es unzählige Menschen, die auf eine Weise immer mal wieder psychisch erkranken. Wenn sich die Masse intensiv wie nie zuvor als normal definiert, alles korrekt machen möchte, ist das kollektiver Selbstbeschiss. Falls jemand wie ich, einer, der schaffte, gesund zu werden, wie wenige das hinbekommen, die Contenance doch verliert aufgrund einer psychischen Ausnahmesituation (obwohl man eigentlich lernte, sein Leben im Griff zu haben), dürfte eine Eskalation gegen zufällige Helfer wahrscheinlich sein.

Da bin ich tot, aber diesmal richtig.

🙂