Ein Nebel in der Ferne

Über mich selbst frei von der Leber weg Auskunft geben, mehr preiszugeben, als man das üblicherweise macht, ist zur Methode geworden, hilft die eigene Existenz wohltuend zu beleben, kann ich sagen. Es nützt zu tun, was andere lieber vermeiden. Mir geht es gut mit Transparenz. Da kommt auch manches zurück. Reflexion nennt man das wohl? „Wer nicht redet, erfährt auch nichts“, ist eine Weisheit. Die Deutungshoheit beanspruchen, heißt noch nicht, dass diese uns geglaubt, zugestanden wird. Ehrlicherweise zugegeben, bedeutet Selbstdarstellung ja auch nur, dass man sich darstellt, also ein Ego vor sich hin montiert wie ein Plakat. Einblicke in meine kleine Welt bilden das Material für diese Kunst, und das bleibt dann doch Fiktion, gibt eine bemalte Maske um mich herum. Deswegen sei vorweg gesagt, Worte sind nur Beschreibungen, Bilder bedeuten bloß Farbe, Zeichnungen nichts als Linien. Mögen auf diese Weise auch Inhalte transportiert, Denkanstöße bewirkt werden, das ist nicht die Realität. Die Wirklichkeit ist viel mehr.

Ich arbeite hier nicht für Geld. Es ist auch kein Hobby. Das, was ich tue, hilft mir, ein wenig Respekt einzufahren, wenn ich Leute etwa im Dorf treffe. Ich benötige die Anerkennung, weil sich mancher offenbar fragt, was macht der eigentlich, spazierengehen? Ich bin nicht unauffällig. Das bringt auch Leute auf den Plan, die man lieber nicht an seinen Fersen bemerkt, und manche von ihnen arbeiten für den Staat. Wie dieser Apparat nun aber beschaffen ist, das wollen wir als Menschen der Gesellschaft mitbestimmen in der Demokratie. Damit kann ich bei aller Wortmalerei zumindest einen Punkt meiner Notwendigkeit als Mensch einfahren. Ich kann mich ausdrücken, beschreiben, wie es mir ergangen ist. Das sollte ein Stück weit den Laden hier mitgestalten können.

Natürlich sind diese Texte zu lang. Die Inhalte wiederholen sich. Wir lesen aber ohnehin alle quer, wenn es nicht gerade ein Buch ist, das wir in seiner Gänze verstehen möchten. Insofern habe ich den Anspruch, das andere sich meine Ergüsse vollständig reinziehen, längst aufgeben müssen. Dazu kommt, hier wird beständig im bereits online stehenden Text mancher Absatz geändert. Mir selbst kommen Zweifel, ob das eine Verbesserung bedeutet? Einen Vortrag kann man als Zuhörer aufgeben. Man döst ein wenig zwischendrin oder geht unauffällig raus. Auch in netter Runde zusammensitzend, nehmen nicht alle Freunde gleichermaßen am Gespräch teil und wertschätzen, was der Lauteste zum Besten gibt. Ich möchte (mich) gestalten und lernte, dafür einen Platz zu finden, wo sich das weniger aufdrängt.

Meine Auffassung von Kunst ist, dass man mit ihr Geld verdienen kann. Das ist aber nicht zwingend die Bedingung für Kreativität, damit diese so genannt werden darf. Kunst ist ein dehnbares Wort, das schon mal auf die Schippe genommen wird, kann das weg? Mehr als Hobby: Aus mir kann niemand die Schaffenskraft stehlen. Ich fange immer was an, beginne zu malen, zeichnen oder schreiben. Mit der Website habe ich einen Ausstellungsraum, der weitestgehend mir gehört. Präsentierte ich mich auf einer öffentlichen und allgemeinen Plattform, die von einem großen Anbieter betrieben wird, gäbe es einiges an sozialen Auflagen. Damit ist meine Darstellung in dieser Nische vergleichsweise frei – wie unbeachtet. Beim Versuch, in einer Galerie auszustellen, begegnet man als Künstler der Schwierigkeit, mit dem Betreiber konform gehen zu müssen. Da gilt es nicht nur, der Community zu gehorchen. Ein Partner muss an den gemeinsamen Erfolg glauben wie der Maler selbst. Ein Bild ist dann ein Wertgegenstand, bedeutet soundso viel Interesse, und das Positive muss überwiegen. Erfolg heißt für den Aussteller nicht, das Bild zu malen, damit überhaupt fertig zu werden, sondern diese Kunst nutzbringend zu zeigen. Warum das Probleme machte in meiner Vergangenheit, probiere ich zu verstehen.

# Bilder

„Was stimmt nicht in dem Bild?“

Das ist eine Frage, wie sie in der Rätselecke einer Sonntagszeitung auftauchen könnte. Es ist zu meiner Frage nach Sinn überhaupt geworden.

Ich sehe ja überall was.

Nicht wenige Menschen hätten die Augen nur, um nicht „irgendwo gegen zu laufen“, wusste mein alter, inzwischen verstorbener Professor Otto Ruths. Ich möchte verstehen, was ich sehe. Es ist mir manches Bild wert. Einzusehen als erstes (auch als Empfehlung sei das gesagt), wäre für den Menschen, dass unsere Augen nur abbilden, was das Licht ihnen hergibt, unsere Ohren bloß registrieren, was die Schallwellen im (für uns) hörbaren Spektrum transportieren. Hinzu kommt noch der eigene Erfahrungshorizont, wir ordnen das Erleben individuell ein. Das soll heißen, mehr als eine Vorstellung von der Wirklichkeit hat hier niemand. Wir begreifen unsere Umgebung nicht vollumfänglich, machen uns bloß ein Bild davon. Das ist nie vollständig. Bilder und Lautmalerei geben uns die Basis für Entscheidungen. Wir kennen weder Realität noch den Sinn unseres Hierseins und wären gut beraten, diesbezüglich kleine Brötchen zu backen in unserem Auftreten. Gläubige finden für sich Erklärungen, die andere als banales Wunschdenken entlarven würden. Damit Religion überhaupt Sinn macht, muss manches Kirchenwort weichen.

Täuschungen sind typisch im Leben eines jeden. „Im Trüben fischen, wir loten aus“, so etwa sagen wir auch umgangssprachlich in einer unsicheren Situation, möchten wissen, woran wir sind. Sicherheit bedeutet zum einen Schutz aufbauen und andererseits ausreichende Informationen bekommen. Wer beispielsweise eine Ritterrüstung trägt, schützt den Körper durch das Blech, die Augen mit einem Visier und möchte trotzdem rundum Bescheid wissen? Menschen erforschen die Umgebung aber nur entsprechend ihrer individuellen Bedürfnisse. Deswegen sollte man einsehen, dass notgedrungen einiges übersehen wird. Wie viel Wasser sein Schiff unter dem Kiel benötigt, ist dem Seemann bekannt. Der Kapitän ignoriert die Lebewesen da unten. Er interessiert sich nicht für üppige Botanik im Meer, die ein Biologe wichtig findet, aber ob das Gewässer schiffbar ist, bedeutet ihm viel. Wächst dort Seegras, fragt sich der Schiffsführer vorrangig, ob der Anker im Kraut hält? Menschen schauen, wie ihnen es passt. Der Besitzer einer Yacht bemalt diese untenrum mit Antifouling. Sein prüfender Blick auf den Kiel möge ihm, so hofft es der Segler, eine möglichst glatte Fläche ohne Bewuchs zeigen. Die biologische Vielfalt gilt dem Regattasegler wenig.

„Das bremst.“

Fischen und Quallen, Krebsen und Seesternen ist die Unterwasserwiese Lebensraum.

Taucher erfahren abenteuerliche Erlebnisse, die für Menschen oben im Boot bedeutungslos sind. Manche geben lieber Gas mit einem Mädel an ihrer Seite. Welche möchten segeln, und wieder andere trauen sich nicht einmal in die Nähe vom Wasser überhaupt. Der Mensch selektiert, ignoriert das Gesamte. So kennt man das Echolot an Bord, eine Anzeige für die Wassertiefe. Es ist ein unerlässliches Messgerät und hilft dem modernen Nautiker wie schon das klassische Senkblei. So ein Handlot wird bereits Jahrhunderte vor Christus von Herodot beschrieben. Ein Schiff sucht ausreichend tiefes Wasser, Menschen fragen nach dem Weg, die Kripo sucht den Täter, manche suchen Gott.

Antworten oder auch keine Antworten zu bekommen, ist ein Modell und die Prüfmethode der Wahl, geeignet voranzukommen in der Detektivarbeit. Eine Lüge oder Schutzbehauptung als solche annehmen zu können, hilft weiter wie ein Fakt. Wenn ich beispielsweise eine Leiter nutze mit sicheren Sprossen und eine morsche Schwachstelle meiner Kletterhilfe kenne, kann ich damit dem Ziel doch näher kommen. Habe ich also den Verdacht, und bei mir ist es so gewesen, dass Menschen mich verarschen aus welchem Motiv auch immer, bleibt das Ganze eine paranoide Annahme, bis ich wenigstens einen harten Fakt kenne, dass es tatsächlich geschieht. Weiß ich unwiderlegbar, dass mein Tun im privaten Lebensbereich zumindest in Teilen belauscht wird und mein Dasein also von fremder Seite manipuliert, findet sich hier der schöne Ansatz, am eigenen Verstand nicht länger zweifeln zu müssen. Damit ist das Puzzle nicht komplett. Ein Teil davon zu besitzen, bedeutet aber, dass dieses Bild als solches existiert.

Dass ich mich nicht immer auf meinen Verstand verlassen kann, hat sich in der Vergangenheit gezeigt. Anderen mag es auch so gehen, aber bei mir war das einige Male schlimm, auffällig, unübersehbar, wurde zwingend behandelt, trägt den Namen einer Krankheit, Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Mit mir stimmt was nicht, aber die Fachleute haben sich in mancher Hinsicht als Quacksalber erwiesen. Mich selbst geht wohl an, was mit mir passiert? Ich habe mich auf die Suche gemacht, dachte, ein Bild von der Welt flicken zu müssen, reparieren, vervollständigen und muss heute rekapitulieren, von falschen Größenverhältnissen ausgegangen zu sein. Ich glaubte wie viele, mich auszukennen und einiges nicht zu wissen. Es ist aber andersherum, ich wusste nichts und heute habe ich bloß ein einziges, winziges Detail sicher von dem, was mit mir geschehen ist, der Rest sind Annahmen.

# Auf der Suche

Die vermisste Person, hier als eine fiktive Polizeiarbeit angenommen, wie sie immer wieder einmal Teil von Ermittlungen ist, kann wieder auftauchen oder nie gefunden werden. Sie ist möglicherweise tot, und das kann ein Unfall sein oder wurde, wie es heißt, durch Fremdverschulden herbeigeführt. Mit dieser Ausgangslage konfrontiert, tappt der Kommissar im Dunkeln, bis wenigstens ein belastbarer Anhaltspunkt auftaucht, der den folgenden Überlegungen die Richtung weist. In der Folge kann der Sachverhalt, dass die Vermisste getötet wurde, feststehen, das Motiv jedoch ungeklärt bleiben und ein Unfall als genauso wahrscheinlich angenommen werden und schließlich bleibt der Fall ein ungelöster. Zu wissen, jemand ist tot und das geschah durch Fremdeinwirkung (durch einen oder mehrere andere Menschen), wäre viel mehr, als nur sagen zu können, jemand sei vermisst. Fehlen nun aber Leiche und Täter, könnte die Kripo zwar den zufälligen, selbstverschuldeten oder versehentlichen Tod (und möglicherweise auch Suizid) mit einem ihr bekannten Detail ausschließen, dass zwingend Fremdeinwirkung bedeutet – und doch den Fall niemals aufklären. So etwas wäre denkbar.

Schiffe, die nicht wieder nach Hause kommen, man schaut auf die Kimm und wartet. Ich kenne ein paar Brocken unserer maritimen Vergangenheit, das ist tatsächlich Familiengeschichte und passt irgendwie. Von dem verschollenen Großsegler „Admiral Karpfanger“ wurden später, lange nach seinem Verschwinden doch einige Wrackteile gefunden. Damit lässt sich der unwiederbringliche Verlust des Schiffes beweisen, das Seegebiet, wo das Schiff verloren gegangen sein muss, einkreisen. Der Rest einer traurigen Episode der Seefahrt wird für immer im Dunkeln bleiben.

Der Karpfanger ging im März 1938 verloren, meine Mutter wurde 1941 geboren. Hätte mein Großvater das Schiff nicht knapp vor seiner Ausreise im September 1937 verlassen, wäre mein lieber Opa Heinz mit untergegangen und mich gäbe es gar nicht? Diese Gedankenspiele noch ein wenig auszumalen, macht deutlich, wie ungewiss unser Dasein ist. Das fängt damit an, dass ein Offizier mehr in der Schiffsleitung an Bord (oder nicht) möglicherweise einen Unterschied macht, wie die Reise verläuft. In seiner Dokumentation über den Kauf von L’ Avenir durch die Hapag, die Ausrüstung der Bark im Hamburger Hafen mit der größtenteils unerfahrenen Mannschaft und das Seeklarmachen vor der Abreise nach Australien, schreibt Heinz über seine Schwierigkeiten, die er mit dem Ersten Offizier hatte. Mein Großvater ging kurzfristig von Bord, aber wann genau? Wahrscheinlich kam er nur etwa einen Tag, bevor das Schiff zu seiner langen Reise losgefahren ist, mit der S-Bahn (zur Überraschung meiner Oma Anni) mit Sack und Pack wieder in Wedel an und musste sich erklären. „Das hat ihm die Karriere bei der Hapag versaut“, hieß es bei uns. Der von meiner Mutter geäußerte Verdacht, ihr Vater habe womöglich erst vor Cuxhaven die allerletzte Möglichkeit wahrgenommen, den übernacht ankernden „Admiral Karpfanger“ zu verlassen, bleibt eine noch wesentlich abenteuerliche Spekulation. Diese Variante fußt auf ihrer Erinnerung, ein verstörendes Gespräch mit meiner Großmutter habe mal stattgefunden, Anni hätte in Wedel am Willkomm Höft dem seewärts geschleppten Schiff zusammen mit anderen zugewunken, und ihr Mann Heinz wäre ja an Bord gewesen. Auf Nachfrage, dass es nicht stimmen könne, habe meine Großmutter sich schnell korrigiert, sie habe das bloß geträumt.

Tatsächlich schreibt mein Opa im „Albatros“, wie es in der Elbmündung noch zu einem kurzem Stopp kam. Der Bericht ist sachlich gehalten, eine Dokumentation. Dabei wurde letzte Post einer Barkasse mitgegeben und ein Seemann, namentlich Hans Buscher, habe das Schiff tatsächlich noch verlassen. Ein Grund wird nicht genannt. Buscher ist später mit der Pamir untergegangen. Meine Mutter hat kurz vor ihrem Tod eine alternative Sicht entworfen: Die Suche nach einem geeigneten Ankerplatz (bei ablaufendem Wasser) habe die Schiffsführung mit den ursprünglich beiden Zweiten Offizieren und dem menschlich nicht einfachen Ersten bereits in der Norderpiep (oder wo das denn war) Differenzen bereitet, mutmaßte meine Mutter. Und erst da, vor Cuxhaven übernacht vor Anker habe ihr Vater vielleicht die Reißleine gezogen, dem Großsegler im allerletzten Moment den Rücken gekehrt?

Was könnte man noch herausfinden, da ist zunächst die Mannschaftsliste vom verschollenen Segelschulschiff. Sie beinhaltet weder Buscher noch meinen Großvater (laut Wikipedia), aber es ist die Aufzählung der mutmaßlich Ertrunkenen, wie sie ja auch im Michel hängt als Gedenktafel. Hans Buscher war definitiv 1957 an Bord der Pamir – und starb im Rettungsboot. Das findet man im Netz. Von der Hapag eine Liste der ursprünglichen Mannschaft aus dem Jahr 1937 zu bekommen, dürfte nicht einfach sein. Enthielte diese keinen Buscher, gäbe das der Spekulation, gleiche Initialen könnten einer Vertuschung dienlich gewesen sein, neuen Raum. Zunächst einmal müsste ich wohl nach Bremerhaven fahren und sämtlich die kleinen, beigen Heftchen studieren, um wenigstens den nur halbseitigen Absatz zu finden, wo beschrieben ist, wie die letzte Post von Bord ging, einige Journalisten und dieser Seemann das Schiff verlassen. Das wäre möglich. Ich habe das selbst gelesen, weiß wo diese Literatur archiviert ist, aber die wenige Worte beweisen nichts. Alles darüber hinaus Gehende, Licht ins Dunkel meiner Familiengeschichte zu bringen, dürfte sehr schwierig sein.

Meine eigene Vergangenheit steht für mich so weit fest, dass ich Kenntnis darüber habe, mich erinnern kann oder Belege vorweisen, beispielsweise ein Zeugnis oder den Führerschein. Aussagen meiner Angehörigen könnten das Bild vervollständigen, aber was ist, wenn ich Zweifel anmelden dürfte, an der mich umgebenden Realität und entsprechend nachfragte? Das könnte nötig werden, als Detektiv in eigener Sache unterwegs zu sein? Die ausbleibenden oder ausweichenden Antworten sind fehlende Landmarken an Orten, wo diese zu erwarten wären. Eine nicht auffindbare Fahrwassertonne gibt Rätsel auf. Ein nicht existierendes Kap, der Felsen von Gibraltar fehlt scheinbar?

Das macht einen Unterschied in der Navigation.

Wenn Helgoland offenbar nicht dort am Platz ist, wo es sichtbar werden müsste, während man sich der Insel (im Nebel) nähert, sollten ernsthafte Bedenken beim Skipper aufkommen, dass ihm möglicherweise ein Navigationsfehler geschehen ist? Das bedeutet Gefahr. Wenn eine Pricke in der Reihe anderer am Rand vom ansonsten gut erkennbaren Priel fehlt, kann der Verlauf vom Fahrwasser noch interpoliert werden, und hier ist der Fehler in der Umgebung zu verordnen. Der Kapitän seines Bootes muss nicht an den eigenen Entscheidungen zweifeln, obschon das fehlende Seezeichen für ihn gleichwohl gefährlich ist.

Der eigene Fall Bassiner ist für mich als Kommissar Bassiner, der ich mich damit herumschlagen muss, insofern abgeschlossen, als dass von mir nicht Helgoland oder der Felsen von Gibraltar (beispielsweise) vermisst würden, sondern die Ehrlichkeit anderer. Wahrheit und Wirklichkeit sind so gesehen zweierlei. Das wüsste ich nicht zu unterscheiden, wenn ich naiv bliebe, Menschen einfach so zu glauben, was diese mir sagten. Heute könnte ich Unterschiede aufzeigen, die auch vielen anderen in ihrer allgemeinen Gültigkeit bei jedem Sachverhalt nicht recht klar sein dürften. Meine Geschichte bietet reichlich Facetten, die lohnen, Bilder und Texte daraus zu kreieren. Die Realität kann immer noch ein wenig größer sein als das Wissen darüber.

Da liegen ausreichend Fahrwassertonnen am Wegesrand auf meinem Kurs wie gewohnt und wie es zu erwarten ist. Aber ein bestimmtes Seezeichen liegt definitiv falsch, am anderen Platz, mit verkehrter Bemalung, einem unrichtigen Toppzeichen. Nicht wenige Tonnen, Pricken, Leuchttürme fehlen scheinbar, so stellt sich bildlich gesprochen die Lage dar. Vertriebene Bojen begrenzen den Weg, geben das Bild einer schlampig gepflegten Einfahrt in den sicheren Hafen. Entsprechend beschädigt ist mein Wertegefüge von der Umgebung, mehr als angekratzt das Vertrauen in die Menschen, die ich doch brauche. Wer will mir einen Zugewinn an Selbstvertrauen verdenken und eine abfällige Haltung gegenüber Heuchlern? Insofern ist meine Arbeit, wie ich sie vor Jahren begonnen habe (als nicht wie im Beispiel oben eine Person vermisst wurde, sondern die Wahrheit an sich Risse bekommen hat), zu Ende.

# So groß war meine Einbildung gewesen

Von außen, also mit dem Blick auf jemand, der psychisch labil ist, scheint die Lage eindeutig, Kranke müssen zum Arzt, das macht man so. Die Realität für mich war gewesen, diese Krankheit erwischte mich schubweise. Zwischendurch schien das Leben erträglich, normal. Diese Zeit könne ich nutzen, mein Verhalten zu ändern und meine Anpassung an die Umgebung neu auszurichten, denn das würde helfen, sagte mir der Arzt. Das verschriebene Medikament verhindere nach Möglichkeit psychotische Phasen, die mich zurückwerfen würden, so seine und die gängige Einschätzung. Aus meiner Sicht heute ist das eine nur minimale Hilfe und diese wirkt nicht selten kontraproduktiv, verlängert das Leid, da die Problematik viel zu komplex ist. Ich lebte in der ständigen Befürchtung, erneut dramatisch krank zu werden, ob nun mit Medikament versorgt und trotz regelmäßigen Arztbesuchen, weil das als Realität in meinem Fall so sei, befanden Fachleute. Je höher die Dosis, desto sicherer könne ich sein, nicht krank zu werden. Die Nebenwirkungen potenzieren sich allerdings mit einer höheren Medikation, und so handelt man versuchsweise aus, was sinnvoll ist mit dem Ergebnis, dass trotzdem eine neue Krankheitsepisode folgt. Das geschah mir immer wieder.

Heute, nachdem die wesentliche Lebenszeit und Schaffensperiode hinter mir liegt, schaue ich abfällig auf diese Fachärzte und fröhlich in die verbleibende Zukunft. Ich gehe zu keinem Arzt und nehme nichts ein, nicht einmal Aspirin oder sonst wie Medizin, ist meine Haltung. Ich verabscheue Ärzte als mehrheitlich unfähige, manipulative Menschen. Voller Zorn rekapituliere ich, dass mein Leben weitestgehend vorbei ist und ich die meiste Zeit idiotischen Annahmen folgte. Da bleibt nur, das tägliche Erleben wegwerfen zu müssen im Bewusstsein, nicht allzu viel erreicht zu haben und das auch nicht korrigieren zu können. Die Zufriedenheit stellt sich ein mit dem Begreifen, schließlich einen konkreten Ansatz gefunden zu haben, wenigstens die Furcht vor neuen Schüben scheinbar besiegt zu haben. Falls das ein Feind war, konnte ich den in die Flucht schlagen. Ich sehe es allerdings noch differenzierter. Schwierig zu beschreiben, aber ich habe mich ganz gut kennengelernt als System und würde mehr von Integration reden wollen. Angst zu schätzen als notwendig und ernst zu nehmen, ist etwas anderes, als diese ausrotten zu wollen.

Medikation und ärztliche Begleitung zerstören das Selbstvertrauen nachhaltig. Das Problem des psychisch Kranken ist bereits seine Abhängigkeit von der Umgebung, die ihm wohlgesonnen sein muss, damit so jemand überhaupt zurechtkommt. Als eine Krankheit des Erwachsenwerdens bezeichnete ein Facharzt meine Probleme. Das trifft, wie es mir ergangen ist. Ich konnte mich nicht von meinen Eltern lösen. Wenn Jugendliche zu Erwachsenen werden, müssen sie Risiken erkennen und einschätzen lernen für den besonderen Weg des Individuums. Solange diese individuelle Furcht, entwickelt aus der persönlichen Perspektive – die bei allen speziell sein dürfte und offensichtlich das Problem darstellt – eine unklare Sache bleibt, trägt ein labiler Mensch seine Ängste mit sich rum, ohne sie exakt verorten zu können. Selbst zu entscheiden als Erwachsener, heißt für das gesunde Dasein aber, genau das drauf zu haben. Damit ein psychisch Erkrankter trotzdem den Weg finden kann, begleitet der Facharzt seinen Patienten. Der Psychiater schützt diesen doppelt mit tröstlichen Worten und bietet zusätzlichen Halt durch die Rahmung des Alltags mit dem verordneten Medikament. Das sei durchweg als ein Geländer anzusehen, meint man, soll mehr bedeuten als nur eine Krücke in der Not. Der Arzt behauptet, uns damit sicher einzustellen, wie eine Maschine, die nur mit einem ganz bestimmten Öl korrekt läuft? Das sei eine Art Puffer gegen emotionale Überreizung, so lautet der einleuchtende Ansatz dieser Medizin.

Es funktioniert aber nicht.

Die Erkrankung kehrt regelmäßig wie ein leibhaftiges Monstrum als Angreifer zurück und schmeißt unsereinen aus der Bahn. Das wird auch so lange so bleiben, wie die Psychose als vom Träger der Krankheit losgelöstes Element bezeichnet wird, das man ähnlich missversteht wie etwa den Krebs. Die vom Arzt propagierte Annahme, wir Patienten wären als besondere Form des Menschseins hochsensibel, extrem oder mindestens erhöht vulnerabel ist falsch. Hier wird ein Begriff eingeführt, der eine Scheinwahrheit festigt und in die Irre führt. Der Doktor arbeitet auf der Basis einer nicht haltbaren Theorie. Das könnte ich, und an anderer Stelle habe ich es getan, noch weiter ausführen.

Die Medikation benebelt mehr, als dass sie uns schützt, verhindert das Wahrnehmen von Angst und verewigt das Problem, dass der Patient wie aus dem Hinterhalt von seinen Gefühlen überrumpelt wird. Ein Lebewesen, dass sich nicht bewusst ist, wie ihm alltäglich geschieht, kann nicht gleichzeitig hochsensibel sein und deswegen Besserung durch Betäubung erfahren. Die Gespräche mit dem Arzt verpuffen zur Moderation des Erlebten und erwirken kaum Änderungen im Verhalten des Patienten. Würde die Medizin davon abkommen, geistige Abnormen behandeln zu wollen und den Leib des Erkrankten mit einbeziehen, statt das System zuzudröhnen, käme man schneller voran. Das Ziel einer vollständigen Gesundung wird nicht angestrebt. Man ist zufrieden zu tun, wie man eben tut.

# Mein Spiel, mein Bild

Meine Methode schließlich war gewesen (und ich finde, es hat funktioniert), ein Modell der Vergangenheit zu kreieren im Selbstversuch. Die Verhaltenstherapie möchte unseren Alltag im Hier und Jetzt verbessern. Psychoanalyse probiert, die Ursache in der Vergangenheit zu beleuchten, und ich wollte die Vergangenheit im Heute nachspielen. Ein Teil vom Puzzle schien mir bloß zu fehlen, bis ich endlich begriff, das ganze Bild an sich suchen zu müssen und mit wenigstens einem Element schon zufrieden nach Hause gehen zu können. Ich wollte wissen, was mich kränkt, krank macht und habe mir manche Trainingseinheit ausgedacht, mich selbst ganz bewusst in Schwierigkeiten manövriert. Das Unbewusste wollte ich schließlich wenigstens als einen unscharfen Fleck erkennen, statt nur zu ahnen, es gäbe das möglicherweise und überhaupt. Das sagt einem jeder. Wie aber ist dieses Ding Wahrheit und mit anderen Worten: die vermisste Person also, individuell beschaffen? Eine Suche nach der blauen Blume fing an.

Was ist das, der heilige Gral?

Den Beweis meiner Blindheit müsste es doch geben, fand ich, ein Eingeständnis der eigenen Dummheit und das Maß ihres Umfanges sollte sich darstellen lassen. Mehr als eine Wolke hinter der Kimm wollte ich dort erkennen, wo die Liebe zu fehlen schien. Nebel von etwas zu erahnen, schließlich definitiv sehen können, unscharf zwar, aber unverkennbar vorhanden, das dort ganz weit weg lauert, ist wohl ein Heureka wert, dass dem unserer Astronomen entspricht, wenn unser neues Weltraumteleskop die fernsten Galaxien zeigt. Ein Fleck, der kein Fehler in der Linse ist, bedeutet gezielt auf die richtige Stelle schauen zu können – und das ist ein Erfolg! Mit einem Sprung in der Schüssel hingegen jagt man seiner Fata Morgana hinterher, die omnipräsent das Bild besetzt.

Ein Ziel zu haben, kann sein, einen Traum leben zu wollen. Träumen ist ein notwendiger Teil des Lebens, aber nicht gerade am Ergebnis orientiert. Den Beweis für das Vorhandensein des Ziels erbringen zu können, heißt nicht länger Spinner sein. Am Boden bleiben, obwohl es einen Mond gibt, ist für viele die richtige Entscheidung. Man muss nicht hinreisen können. Manches darf gern im Dunkeln bleiben, so kann man leben. Wo sich das Ungewisse als solches zeigt, ist diese Erkenntnis schon viel mehr, als bloß ein Buch darüber zu lesen, einen Krimi im Fernsehen schauen, und anzunehmen wie viele, in seinem Dorf sei man eben sicher.

🙂