Meine Motive

Aktuelle Bilder: Einer kurzen Beschreibung ist das noch unvollendete „Selfexecuties“ im Atelier (auf der Staffelei) vorangestellt. Ich male seit vielen Monaten daran und werde womöglich bald fertig damit. Es ist exemplarisch in seiner Bildsprache, erweitert ein Programm. Als Illustrator habe ich nicht über atmosphärische Stimmungen den Weg in die Malerei gefunden und bin, was das betrifft, bemüht geblieben.

Ich koloriere und erzähle lieber.

Vor der Staffelei habe ich gerade ein Bullimodell in der Sonne platziert für ein Foto vom Schattenwurf. Das möchte ich wissen, wie dieser Schatten aussehen könnte, für ein neues Bild „Fischmarkt“, das ich aktuell probiere, in Skizze zu entwickeln – ein neuer Entwurf. In einer anderen Ecke vom Atelier befindet sich eine Leinwand, die ich letztes Jahr gekauft habe. Erste Linien einer Untermalung sind bereits übertragen. Das angefangene Bild soll „Nudisten“ heißen. Ich arbeite parallel an drei großen Bildern. Darf man das? Dieser Frage muss sich ein Maler stellen, wenn progressive Entwicklung das Ziel ist. Die Antwort heißt, sich schließlich zu kennen, ob man abschließen kann, weitermachen und zum Ende kommen.

Warum diese Thematik? Ganz einfach, ich möchte von bestimmten Leuten nicht gemocht werden. Es sind Menschen, die einen loben, wenn man Landschaft mit Hund malt, Brandung bei Sonnenuntergang oder Segelschiffe im Sturm. Darauf verzichte ich gern. Ich erfinde also geschmacklose Geschichten, habe Freunde, die mich bereits länger kennen (und bemerke Idioten sofort, auf die ich nur hereinfallen würde, wenn sie mir Honig um den Bart schmierten). So konnte ich der Politik den Rücken zukehren, der Kirche, den Galeristen und dem Kunstkreis; allesamt dumme Menschen ohne Rückgrat.

Jeder ist auf belastbare Beziehungen angewiesen. Das bedeutet, dass unsere Rahmen individuell passen müssen. Man gestaltet seinen Lebensentwurf, möchte zwischen Freunden, beruflichen Partnern und der lieben Ehefrau sein Nest bauen. Die spezifischen Mängel der eigenen Persönlichkeit (soweit sie nicht zu ändern sind) beeinflussen die Überlegung, was überhaupt möglich ist. Ich möchte gemocht werden, bin nicht hart genug im Nehmen, um unbeirrt allein voranzumachen. Das kollidiert mit dem Ergebnis (und ist eine Erfahrung, die sich bereits wiederholt hat), beim Gegenteil des Gewünschten anzukommen. Das nennt man eine krank machende Fehlanpassung. Ich erwarte viel ganz offensichtlich und bin scheinbar nicht bereit, die anderen zu respektieren, dass ihre Weltanschauungen und Bedürfnisse mit meinen zusammenkommen für gute Partnerschaften. Aus dieser Not und weil ich’s nicht ändern kann, entsteht diese absurde, unpassende Malerei. Produzierte ich Gefälliges, würde ich unweigerlich ausgenutzt. Den Sprung ins Geniale, also soweit zu verstören, dass es gerade deswegen bejubelt würde – dafür hüpfe ich zu kurz und habe auch zu spät begonnen mit dem eigenen Weg. Es ist viel Arbeit vonnöten, um ein wirklich berührendes Gemälde zu schaffen. Damit meine ich weniger die Stunden, die es braucht, es zu Ende zu malen, sondern genauso die Erfahrung, die ein Künstler insgesamt benötigt. Und vielleicht kommt man trotzdem nicht in der Gesellschaft an. Meine Bilder verstecken sich am Rande des gewohnten Universums und sind möglicherweise banal. „Das findet man nicht“, beschreibt eine liebe Kollegin meine Site. Aber das weiß ich ja selbst. Mir muss gefallen, was ich mache. Mit Blick auf viele Langeweiler der Szene gehöre ich da definitiv nicht hin.

# Monolog

Erzählen heißt nicht diskutieren. Ein Bild oder eine Erzählung wird in Gänze dargeboten und allenfalls hinterher bewertet, selten von den Betrachtern mitentwickelt. Das passt nicht gut in eine Kultur, die daran gewöhnt ist, zu unterbrechen und sich auch abzusichern, dass öffentliche Inhalte konform zur gewöhnlichen Sichtweise sind.

Alles wird kommentiert.

Eine Herdenbewegung treibt die Gestalter, presst jeden kühnen, individuellen Gedanken in die allgemeine Form. In geselliger Runde sprechen alle abwechselnd, aber beim Vortrag hören die Leute nur zu. Sie sind auf anderer Ebene nicht berechtigt, das Thema gleichzeitig mitzugestalten. Das Publikum im Konzert bringt selbst keine Instrumente mit, ist insgesamt kaum so musikalisch oder existentiell wagemutig unterwegs wie die Stars. Wenn man Bilder macht und zeigt, steht diese Kunst von vornherein außerhalb vieler Betrachter, die nicht lenkend eingreifen können wie im Gedankenaustausch. Die müssen es hinnehmen oder wegschauen, haben womöglich den Ehrgeiz, Unliebsames (und was sie nicht verstehen) zu verbieten?

Malerei ist nicht die Wirklichkeit selbst. Kunst schafft eine eigene Realität und ist kein wahres Abbild der Umgebung. Dieses ästhetische Medium ist geeignet, mit einer ganz eigenen Erzählsprache aufzuwarten. Das sprengt so manchen Rahmen. Mir jedenfalls würde nicht gefallen, als „Landschafter“ fremde Wohnzimmer zu bebildern. Das sollen andere machen! Ich verstehe meine Arbeit als absurdes Theater, im aktuellen Motiv könnte das deutlich werden. Tatsächlich, meine Bilder möchten keine Vorlage zur Selbstbefriedigung sein. Das gibt es, und das sollen wieder andere malen. Ich mache Inhalte sichtbar, die ich als Reflexion unserer Umgebung begreife. Umgekehrt bin ich an Einordnung und Bewertung dieser Umgebung kaum noch interessiert. In gegenseitiger Entfremdung habe ich Markt und Gesellschaft aufgegeben. Ich bin produktiv und allein zufrieden mit meinen Schöpfungen.

Die auf der Website gezeigten Gemälde „Cast“, „Sport“, „Europa“, „Edinburgh“ und „Erich“ haben dieselben Maße 120 x 100 cm und sind ebenfalls mit Acrylfarbe auf Leinwand gemalt (wie die beiden anderen auf der Site). Etwa das Bild „Kalte Küche“, aus dem Jahr 2018, welches hier in der Reihe einfach nur „Kalt!“ heißt, um die Menüleiste nicht zu überladen. Das symmetrische „Cast“ wurde im Sommer 2019 fertig. Sie bilden eine Klammer und sollen Raum geben für Geschichten vom Erwachsenwerden. In diesem Sinne verstehe ich meine Version einer modernen Europa aus dem Jahr 2021.

# Persönliche Bilder

Im Jahr davor wurde „Gurken und Rosen“ (in den Maßen wie die anderen) fertig. Dieses hier nicht eingestellte Bild folgt meiner Idee, die fiktive Geschichte zwischen „Cast“ und „Kalte Küche“ zu bereichern und illustriert persönliche Erfahrungen in Schenefeld, transportiert in eine felsige Gebirgslandschaft auf einem fiktiven Guttenberg. Dazu findet sich auch „Mal kurz für immer“ in der Reihe, das hier einfach nur „Edinburgh“ heißt. Das kann man zeigen. Die Bilder „Malen hilft“ und „Vorsicht Startbahn!“, die damit zusammen eine Einheit aus drei Gemälden bilden, sind Erfahrungen, die ihrem Zweck entsprechend nicht mehr öffentlich sind. Mit ihnen habe ich wesentliche Ziele erreicht, um unsere Welt besser zu verstehen. Sie haben ihre Schuldigkeit getan und mich von einer belastenden Vergangenheit befreit. Ich konnte den schwarzen Peter weitergeben. Das vergleichsweise ansprechende „Mal kurz für immer“ wurde verschenkt, den beiden anderen die Signaturen herausgeschnitten. Sie stehen in meinem Atelier. Persönliche Erfahrungen prägen unser Leben, und ich habe gelernt, das zu malen. Ja, es hat Streit gegeben.

„Ein schönes Leben noch!“, denke ich über diese Menschen, die ich kannte.

Das Bild von der Beerdigung ist älter wie auch das Bild „Beine“, das ein flacheres Format hat. „Beine“ ist von 2017, einer Begegnung in Wedel bei „Junge“ (in der Bahnhofstraße) nachempfunden. Dieses Bild ist nur 80 cm hoch, aber 120 cm breit wie die anderen. Es zeigt eine junge Frau, mutmaßlich ganz ohne Beine, allenfalls kurze Stümpfe sind ihr geblieben. Eine Operation? Warum auch immer das geschah. Es waren nur wenige Minuten, die ich sie sah. Das musste ich szenisch am selben Platz nachentwickeln, unbedingt, wo ich tatsächlich Zeuge des Geschehens war. Die anderen im Café zuckten sämtlich kurz zusammen. Alle schauten wie im Reflex sofort weg. Und ich starrte nur hin, und das Wasser schoss mir schon in die Augen. So viel Zorn und Hilflosigkeit und Trotz! So vorgeführt kam sie mir vor und doch bleibt keine Wahl. Zuhause einmauern ist keine Alternative. Auch dieses Leben mit vielleicht langer Zukunft musste angenommen werden oder – ja, was sonst? Ich probierte, mich zu erinnern, und für das Drumherum habe ich anderntags Fotos gemacht. Dann habe ich das fertig gemalt.

Im selben Jahr verstarb mein Vater. Daraufhin entwickelte ich das nächste Bild: „Erich“. Die Beerdigung fand in Wedel auf dem Waldfriedhof statt. Während eines Schauers anschließend der Trauerfeier nahmen wir Unterschlupf in der Waldkapelle, die vor ihrer Renovierung nicht mehr genutzt wurde. André, der Bestatter, hat uns die Türen geöffnet, damit wir den Regen abwarten sollten. Während er selbst mit Trauernden am Leichenwagen Schutz suchte, fand ich Gelegenheit, meinen Sohn um einige verstohlen gemachte, unauffällige Handybilder zu bitten, die diese skurrile Szene festhalten sollten. Wie Augen hingen die seltsamen Lampen von der Decke! Von links nach rechts stehen auf diesem Gemälde meine kleine Nichte, Florian vom Seniorenstift, meine Frau, die Schwiegermutter meiner Schwester und mein Neffe. Rechts stützen sich noch die alten Segelmädels Ilse und Karin, Bassi die letzte Ehre zu erweisen – wenn denn nur der Sommerregen zu Ende ginge.

Meine Mutter ist im Dezember 2016 gestorben, mein Vater schon im folgenden Juli. Er mochte nicht mehr leben. Nachdem ich mir die Prozedur von Siaquiyah abgeschaut hatte, unserem lieben Herrn Pastor, der ein halbes Jahr zuvor Greta ins selbe Grabloch gesenkt hat, konnte ich diesen Gang selbst gehen. Ich sprach zu den Gästen und ließ dem Ganzen vom Bestatter einen guten Rahmen geben. Eine Beerdigung im kleinsten Familienkreis. Nur wenige Segler, Freunde hatten überhaupt Bescheid bekommen. Die letzten Wochen meines Vaters waren gruselig, dem nahenden Tod gewidmet, dass keine Besucher ihn noch sehen wollten und das aushalten konnten mitanzusehen. Zu Gott fand Erich nicht zurück, jedenfalls zu Lebzeiten, und so konnten wir das wohl gut allein auf den Weg bringen. Der Herr nimmt alle Menschen auf, auch die verstockten, glaube ich.

🙂