Fisch im Netz

Nackt eingefangen, den Stachel hoch! Das ist der Fisch im Netz. Ausgeschlachtet und zu Filet verarbeitet, eine bloße Ware. So einer kommt in den Topf, wird in die Pfanne gehauen. Auch sonst, ungewürdigt seines Daseins, verspeisen wir den Doofen scheinbar, verhackstücken jedenfalls alles, was einen Sündenbock kennzeichnet. Menschen teeren und federn Idioten, jagen solche durch das Dorf. Seit dem Mittelalter hat sich einiges geändert – immerhin. Oft kommt die Moderne smart daher. Manche Härte gilt heutzutage als verboten. Die Leute wollen aber weiter strafen. Wir reißen wenn möglich noch immer dem Schuldigen die Kleider vom Leib, halten uns für berechtigt zu richten und bessere Menschen. Wer stört, nervt, krank erscheint, den verspeist zumindest verbal die Gesellschaft. Man nährt sich am Bescheuerten, hält sich für klüger, weidet dergleichen aus wie Vieh, füttert die Kanone, hetzt und peitscht, verbrennt die Hexen, wertet sich vermeintlich selbst auf. Toleranz ist nur das Mäntelchen des Anstands.

Wir sind Egoisten. Das ist wohl ganz normal, aber viele halten sich auch für nett? Einen Bruch im eigenen Gutsein mag keiner so wirklich gern zugeben. Man ertappt sich doch gelegentlich dabei, Menschen zu übersehen, ihre guten Werke. Umgekehrt merkt es jeder schnell. So schmerzt wohl allen gleich der Mangel an Anerkennung. Es nützt nicht wirklich, mit dem Finger auf andere zu zeigen, wenn man wieder einmal nicht genügend Aufmerksamkeit bekam. Jeder dürfte sich gelegentlich selbst im Spiegel erkennen als blind, unfair, gemein? Eine nebensächliche Entdeckung während einer kurzen Urlaubsreise gibt mir die willkommene Einleitung für den Text. Mit Betrachtungen aus dem schönen Ländle südlich der Landesmitte dürften Annäherung und allmähliche Vertiefung der bunten Materie freundlich und wie zufällig beim Spaziergang gelingen. In ein Dickicht eindringen und allmählich Teil vom Ganzen werden, dazugehören, so geht Lebenserfahrung. Fasching ist nicht für alle ein willkommenes Vergnügen.

„Come to the Cabaret!“

Die Überschrift hier könnte auch Verkleidung heißen. Es hat sich herausgestellt, dass der gerade Weg selten gangbar ist im Leben, der Blick verstellt bleibt auf manche Wahrheit. Da gibt es nun verschiedene Möglichkeiten. Manches geht niemanden an, anderes tut nicht nötig zu wissen, aber die Gefahr besteht auch, Wesentliches zu übersehen. Die Natur kennt das Chamäleon. Wir glauben zu verstehen, wie schwierig das Zurechtfinden und Überleben im Urwald ist. Menschen erwarten, die Bequemlichkeiten leicht genießen zu können, die ihnen versprochen werden. Das geht mal schief. Das Dasein in einer Metropole und überhaupt modernes Leben, nicht nur eines im sogenannten Großstadtdschungel, ist nicht einfacher. Eine tatsächlich chaotische Umgebung kommt dem Zivilisierten oft gar nicht wie eine vor. Der Mensch hat gelernt, den verbreiteten Tand beim jeweiligen Namen zu nennen. Das gaukelt ihm vermeintliches Wissen vor. Diese Sicherheiten sind oft gar keine. Auf der anderen Seite müssen Lebewesen nicht nur dahinter schauen, sondern selbst auch das Tarnen beherrschen. Mindestens ein klein wenig Theaterdonner sollte jeder können.

Solche Gedanken formieren sich bei mir zum längeren Aufsatz, der letztlich allzumenschliche Blätter vor unsrer Blöße wenden will. Diese Website stellt meine Bilder zur Schau, Texte und Zeichnungen. Das regt dazu an, sich dem Grund dafür anzunähern, der individuellen Intention für dergleichen und allgemein, was treibt die Leute um, sich auszubreiten? Mein Thema, ich möchte gern über das Aufstellen von Fassaden reden. Über schöne Bilder, Kulissen will ich fabulieren, um drum herum verbaute Masken, Kleidung, Selbstdarstellung, Präsentation im Netz.

Während ich schreibe, befinden wir uns also, wie schon angedeutet, zu Besuch in Süddeutschland. Unsere Bleibe ist privat. Das kleine Städtchen liegt räumlich so ungefähr bei Stuttgart, wie man Pinneberg in der Nähe von Hamburg kennt. Wir Nordlichter sind regelmäßig in Baden-Württemberg. Hier wohnt meine Schwiegermutter. Schon oft ging ich viele Wege im Ort, kenne mich ein wenig aus. Aber erst jetzt, nachdem wir bereits mehrere Tage hier sind, bemerkte ich, dass ein großer Wohnblock seinen neuen Anstrich erhalten hat.

Das Gebäude steht an einer den Hang hinabkurvenden Straße, die wir regelmäßig ins Zentrum laufen und – manchmal nach Luft schnappend – auch wieder rauf. Bei uns zuhause beackert die Landwirtschaft ihre schönen Felder auf dem platten Land. Ein „Zwischenäckerle“ bedeutet im Süden, den Berg zu erklimmen. Heutzutage ist ja alles immobilisiert, und die Bauern ackern weiter draußen. Der mittelalterliche Weg ist eine gut ausgebaute Verbindung. Diese führt auf einen Hügel rauf im Norden der Stadt oberhalb eines Flüsschens und windet sich dafür. Aneinandergereihte Wohngebiete gehen ineinander über, erweitern den Ort. Sie kleckern helle Flecken, bunte Dächer ins hochgewellte Grün auf alle Rücken dieser schönen Landschaft. Die Häuser stehen Spalier an Serpentinen. Klassische Altbauten und moderne Wohngebäude mischen sich. Das große Ding mit vielen Fenstern und verwinkelten Dachspitzen ist ein wohlbekannter Anblick auf dem vertrauten Weg. Da hat sich was geändert? Heute Morgen erstrahlte mir das Haus scheinbar zum ersten Mal strahlend weiß in der frischen Sonne eines beginnenden Sonntags. Das war doch immer kackbraun (höflich: ocker) angestrichen, wie viele Blöcke im Süden sind?

„Mit beige und braun kann’s nix versau’n.“

Das wusste in den Achtzigern jeder Malermeister, diesen Spruch dem Lehrling mit auf den Weg zu geben, auch bei uns im Norden. Niemand stellt knallgelb gestrichene Wände hin, der nicht den Ärger der Umgebung provozieren will.

Weiß!

Da war kein Gerüst von noch aktiven Malerarbeiten. Der landestypische Rauhputz funkelte geradezu im morgendlichen Sonnenglanz. Schneeweiß, das konnte erst vor kurzem umgestrichen worden sein. Aber eben nicht gestern und an nur einem Tag wird man fertig mit so etwas. Jetzt erst fiel mir’s auf. Was für ein toller Auftrag mag das gewesen sein. So viel Farbe, so viele Wände und eine Menge Gerüstbau in reichlicher Höhe wird das benötigt haben. Das kostet. Und ich würdigte dem gestern, vorgestern und am Tag davor keinen Blick. Ich habe es tagelang übersehen.

Das Kunstwerk eines fleißigen Kollegen, ich habe es ignoriert.

# Site

Ausstellungen, Kunst, Präsentation – warum werden Websites betrieben? Das weiß ich ja nicht, aber die Motive dürften verschieden sein. Viele möchten verkaufen. Sie preisen eine Sache an und womöglich sich selbst, wollen manche, um Anerkennung buhlend, gewinnbringend vermarkten. Ich jedenfalls möchte gemocht werden, natürlich. Anerkennung ist lebensnotwendig. Das darf einer zugeben, ohne ganz falsch zu liegen. Mir gefällt außerdem, Menschen vor den Kopf zu stoßen, zu provozieren; aber ich habe mir die hinterletzte Ecke vom Internet ausgesucht, damit das kaum jemand überhaupt mitbekommt? Das Ganze hat Methode. Ich brauche Menschen auf der Straße, wo ich wohne, im Restaurant um die Ecke, die mich mögen. Leute, die mich nicht leiden können, habe ich schon. Auf eine weltweite digitale Community verzichte ich gern. Das reale Dorf genügt mir als Spielwiese und Reflexion. Das ist Schenefeld, hier wohne ich, und so ist das fiktive Schönefeld* ganz ähnlich und ein Pseudonym. Manche Wahrheiten schmerzen irgendwie. Hier liest man, was ich schreibe, sieht sich meine Zeichnungen an. Ich bemerke das wie im Spiegel im Gesicht der anderen, wenn wir uns begegnen und „GutenTag!“ sagen – oder eben frostig nichts. Meine kleine Welt.

Das Prinzip funktioniert zu Hause und in Backnang. Es wirkt gut auf Fehmarn, wo wir im Sommer sind und ich einige kenne. Es hilft in Wedel, der kleinen Stadt, wo ich aufgewachsen bin und wird zunehmend am Hamburger Yachthafen mir den guten Boden bereiten, mich als einen Menschen wahrzunehmen, der ich sein möchte. Ich beanspruche hier Deutungshoheit, meine Geschichte auszugestalten, eine besondere Fassade hochzuziehen, welche mich im gewünschten Licht zeigt mit vielen Facetten aber selbstbestimmt. Ich möchte Humor beweisen, meine Vergangenheit rechtfertigen als eine, die ich in weiten Teilen nicht so selbst bestimmen konnte wie andere Zeitgenossen. Es hat bereits Ärger gegeben. Kreativ den bösen Bumerang, mit dem eigentlich ich erledigt werden sollte, zurück wieder fett in die Gesichter der Gegner fliegen sehen, gefällt mir. Deswegen beobachte ich genau, bilde ab, schreibe auf. Ein weiteres Mal lasse ich gern meine Hosen runter. Da können schlauere Menschen sich drüber das Maul zerreißen und werden doch nur im Spiegel sich selbst anschauen.

# Keine Sterne stehen an meinem Himmelszelt

Das hochgestellte Sternchen* heißt (bekanntermaßen), aus Gründen des Schutzes ihrer Persönlichkeit wurden einige Darstellungen von Namen und Sachverhalten (auf dieser Website) geändert. Menschen machen Maskerade. Wir haben uns an die unscharfen Flecken in der Reportage gewöhnt, verpixelte Gesichter. Das sind weiche Wahrheiten. Der Pinselstrich unserer Maler damals, die Sprache der zeitgenössischen Realität und damit die typische Ausdrucksform geschichtlicher Informanten war exakt, aber man wusste, wie lang es dauert, ein Gemälde anzufertigen. Das bedeutete Zeit für den Künstler, seinen speziellen Duktus oder die vom Auftraggeber gewünschte Wahrheit mit hineinzumalen. Die Belichtungszeit beim modernen Foto ist kurz. Auf den Bruchteil der Sekunde genau frieren wir die Zeit ein. Wir beweisen das fürs bloße Auge Unsichtbare, wer im Sport am Schnellsten ist. Und die Pressefotografie kann ganz hart abbilden. Man benötigt keine künstlerische Ausbildung. Die Kamera dabeihaben und zum rechten Moment auslösen, genügt. Ein lokaler Fotograf knipst die Leiche eines kleinen Kindes, das die Flucht übers Mittelmeer nicht überlebte. So ein Bild geht um die Welt. Das glauben wir. Es bringt die ungeschönte Realität? Manche zweifeln immer. Der Film zeigt noch mehr als das moderne Bild. Jeder kann bewegte Bilder machen, nutzt sein Smartphone. Unsere Videos sind perfekt, und das Deepfake geht darüber hinaus, schließt wieder den Kreis zur künstlerischen Darstellung. Es kann mehr, als schnöde abbilden, kreiert neue Welten. Da möchten unsere Nachrichtenportale Ernsthaftigkeit beweisen, durchs Herummalen in den Gesichtern, wie wahr das Dahinter ist.

Nackt, einmal wollte ich zum Thema machen, wie fadenscheinig diese korrekte und gutgemeinte Grafik auf mich wirkt. Ich hatte bemerkt, als diese Technik noch neu gewesen war, dass die Polizei gelegentlich Öffentlichkeitsfahndung betreibt mit einem Foto des Gesuchten, die Nachrichten aber anderntags genau dasselbe Bild vom mutmaßlichen Täter verpixeln, wenn dieser kurze Zeit darauf gefasst wird. Der böseste Verbrecher hat das Recht auf seine unscharfe Visage, wie diese Leute ja auch einen Aktenordner vors Gesicht klappen bei Gericht, wenn die Presse fotografiert. Zur Fahndung ausgeschrieben, dürfen alle genau hinschauen, und morgen greift dann das Persönlichkeitsrecht des Angeklagten. Vielleicht ist dieser es ja gar nicht gewesen? Das ist wohl doppelbödig und juristisch spitzfindig, eine Instrumentalisierung und Dreingabe von bloß ästhetischer Wahrheit, eine Form von Kosmetik für gut sein wollende Menschen.

Transparenz, das war mir ein Bild wert. Ich malte im großen Format meine Version einer durchsichtigen Welt. Eine fiktive Szene gläserner Zukunft, einszwanzig breit, einen Meter hoch, wie gewohnt. Das ergab ungefähr eine Hamburger Straße mit futuristischen Passanten locker hineingestreut. Die Leute stellte ich alle nackt mit transparenter Kleidung dar und ließ sie keine Schatten werfen. Das war der kleinen Obdachlosen mit Bettelbecher vorbehalten, die ich ganz außen am Rand der Szenerie platzierte. Damit das Bild auch sagen konnte, was es sollte, fertigte ich mithilfe eines Modellbauers ein Plexiglas darüber, montierte es in einigen Zentimetern Abstand. Darauf brachte ich meine unscharfen Flecke vor dem jeweils erkennbaren Geschlecht meiner Figuren an. Ich radelte zum Baumarkt um die Ecke und besorgte mir die entsprechende Folie zum Selbstdraufkleben. Die Leute verwenden das im Badezimmer oder an der Fensterscheibe zum Nachbarn. Ein buntes Bild im Stil einer Illustration im Kinderbuch entstand. Kreativ aufgepeppt mit dem davor gestalteten Schutzglas, konzipierte ich das Ganze als eher humorige Darstellung.

Das hat nicht funktioniert.

Während viele leicht schon über Google blitzschnell in die ganze Welt des Porno eintauchen, darf so etwas nicht in die Öffentlichkeit, wenn ein altes Schrapnell es so will? Das hat mich getroffen, dieses verwirrte Geschoss. Eine verlogene Säuberungsaktion beseitigte meine Kunst, noch bevor diese allgemein für Interessierte zu sehen war.

Das Bild probierte ich – naiv und stolz, der dumme Junge mit dem Pinsel (das bin ich), im Foyer vom Rathaus aufzubauen. Meine Ausstellung fand ihren Platz beim Weihnachtsmarkt eines kleinen Städtchens. Es ist westlich einer bekannten Hafenstadt zu verorten. Diese gilt als tolerant, liberal, modern, ein Tor zur Welt. Der Name dieser Weltstadt und die angrenzende Provinz sollten vernünftigerweise zum Schutz einiger Personen* nicht genannt werden.

Ich scheiterte noch vor der Eröffnung. „Hier kämen ja auch Kinder zu Besuch, das ginge gar nicht“, forderte eine kleine, vertrocknete, aber beharrlich schimpfende Frau, die ich bis dahin nicht näher beachtet hatte – das Bild müsse sofort entfernt werden! Sie konnte mich erfolgreich stoppen, meiner geilen Perversität den ihrer Meinung nach nötigen Riegel vorschieben. Wir, meine Frau und ich, sowie die junge, zuständige Koordinatorin, die von der Verwaltung mit der Organisation des Ganzen beauftragt war („das glaube ich jetzt nicht!“), probierten kurz die Verteidigung des Bildes mit dem Hinweis auf die unscharfen Bereiche, zwecklos.

„Von der Seite kann ich’s aber noch sehen!“

Darin bestand ja gerade mein kreative Gedanke, das Thema dreidimensional modelliert auf die Schippe zu nehmen, und insofern mussten wir die Sache aufgeben. Das ist das Kunstverständnis solcher Menschen. Die hat es schon immer gegeben.

Wir haben an dieser Stelle ein Schneebild mit vereister Straße aufgestellt.

Das gefiel auch der Bürgermeisterin* besser.

Schließlich fand der Weihnachtsmarkt statt. Viel Menschen bestaunten meine scheinbar so naive, bunte, aber offenbar doch unterhaltsame Malerei. Manche kamen wohl erst allmählich dahinter, was das alles beinhalten könnte.

Eine mir nur ungefähr vertraute Persönlichkeit steuerte mich überraschend an, um zu ergründen, was mein Dortsein und Verbleib im Foyer zu bedeuten habe. Andere Besucher spazierten ja bloß durch. Im großen Saal vom Rathaus befanden sich die meisten Stände der Kunsthandwerker. Da wollten die Leute hin. Dieser lange Mann stand an einem Tisch Ehrenamtlicher in der gegenüberliegenden Ecke vom Raum, wo meine Bilder rundherum die Wände schmückten und kam nun, neugierig geworden, auf mich zu. Genau wie ich hatte auch er seinen festen Platz mit dem Arrangement einiger Sachen im Eingangsbereich. Ein Treppenaufgang zum Obergeschoss vor der eigentlichen Verkaufsfläche im Ratssaal ist hier zentral angelegt. Rund um den Wendel und die davon abgehenden Wege in die Aktivitäten oder zu den Sozialvereinen, konnten Stellflächen und Wände zur Darbietung eines Angebotes genutzt werden. Als Repräsentant einer gemeinnützigen Organisation im Städtchen gab mein Gegenüber den Ansprechpartner am dazugehörigen Stand. Tatsächlich, ich geriet so unverhofft mit Hermann Blinkwardt* ins Gespräch. (Es ist wirklich besser, solche Leute namentlich unkenntlich zu machen; ein bekannter Geschäftsmann im Westen der ungenannten Weltstadt mit ihrem großen Hafen und dem schönen Fluss, das kann gesagt werden). Der Neunzigjährige leitete zu dieser Zeit noch immer seine Firma mit rund tausend Angestellten. Der Mann ist nicht irgendwer. Mein Vater und dieser rührige Bauunternehmer waren (vermutlich vom Segeln her und aufgrund der Geschäftstätigkeit, die großen Wägen und Bagger prägen bis heute die Umgebung) mehr als gute Bekannte gewesen. Den reichlichen Abraum unserer Baugrube, die für den Neubau des Geschäftshauses gebaggert wurde, transportieren diese Lastwagen ab. Schon als Kind schaute ich den als Sattelschlepper fahrenden Sandtransportern gern zu. An der Seite ihrer Auflieger prangt fett der Schriftzug mit dem Familiennamen in blauer Schrift.

Der einsneunzig große und selbstbewusste Manager sprach mich an, wer ich wäre? „Sind Sie hier in der Ecke fürs Klo zuständig?“, frotzelte er humorig. (Mit dem Charme eines Burt Lancaster, dachte ich. Der verfrühstückt welche wie mich als Vorspeise). Das kam ihm grad recht, ein Gespräch so anzufangen. Mein bevorzugter Warteplatz, um leichthin Kunstinteressierte anzusprechen, mich gegebenenfalls bekannt zu machen, wenn Besucher die Bilder kommentierten, ergab sich vor dem Behindertenklo. Ich wusste, wer er war und konnte mich vertraut geben. „Ihre Augen leuchten frisch wie bei unserem letzten Treffen“, konterte ich so selbstbewusst wie möglich, schmeichelte seiner Agilität. Ich probierte, mich ein wenig beliebt zu machen. Er nötigte mir Respekt ab einfach durchs Auftreten. Der alte Mann beeindruckte mich mit seiner unglaublichen Präsenz. „Das ist vor nicht so langer Zeit bei einer Versteigerung gewesen: ,Grüß’ mal Bassi‘, haben Sie mir aufgetragen (der Spitzname von meinem Vater), und jetzt erinnern Sie sich wohl?“

Es gelang mir, familiäre Zusammenhänge ins Spiel zu bringen und dass ich ihn sehr wohl wiedererkannte, deutete ich an.

„Sie haben das hier gemalt?“

„Ja, natürlich. Ich wohne hier im Dorf.“

Er verstand die Gemälde nun erst als meinen dargebotenen Teil des vielseitigen Treibens im Rahmen vom Kunsthandwerker- und Weihnachtsmarkt. Der Alte würdigte das kaum, kritisierte aber das Bild mit dem kleinen Auto, wie’s dem Huhn ausweicht. Die Mädchen haben ja alle ein Smartphone in der Hand. Hier würde Verbotenes idealisiert, meinte er. Er hörte nicht zu, als ich probierte, ihm am Bild zu zeigen, ein entgegenkommendes landwirtschaftliches Gespann mit einem großen Trecker spiegele sich im kleinen Pkw auf dessen Haube. Eine bedrohliche Kollision stünde unmittelbar bevor. Die aufgrund der Telefone und wegen dem possierlichen Federvieh abgelenkten Mädels müssten schon Glück haben, erklärte ich und hoffte, ihm meine guten Absichten nahezubringen:

„Deswegen heißt das Gemälde Schutzengel.“

Ich probierte, ihn für meine Intention zu gewinnen. Das war bereits zu viel verlangt von mir, vom Künstler, dass dieser Senior – ein die Macht des Chefs gewohnter Mann – das noch wissen wollte, verstehen. Zeit ist Geld, und weiter geht es. Der gab mir seine Ansicht mit, fast als Zurechtweisung, wie sich’s gehört, und dann kamen zufällig gerade Freunde meiner Eltern in diese Ausstellung.

Die alten Segelfreunde erkannten einander und begannen, von früher zu schwatzen.

# Fragen, Antworten

Warum gibt es Kunst, werden Bilder gemalt, dieser Frage malend nachzugehen, dürfte bereits eine Annäherung an die Antwort bedeuten. Vielleicht gibt es ja auch mehrere. So viele, wie es Menschen gibt und so viele Antworten auf diese Frage, wie es Bilder benötigt, das herauszufinden, so viele Klamotten sind in diesem Schrank. Wir tragen Kleidung nicht nur gegen die Widrigkeiten des Wetters, auch nicht, weil es bloß zum guten Ton einer zivilisierten Gesellschaft gehört, es ist mehr. Wer nackt rumläuft, wird von der Polizei zurechtgewiesen und vielleicht verhaftet, als krank eingesperrt. Die öffentliche Ordnung hängt davon ab. Das hält die Hüter dieser nicht davon ab, beim großen Lauschangriff dem Verdächtigen auf den nackten Arsch zu schauen.

Ich vermute sogar, es gibt geile Spanner zusätzlich links und rechts der Polizei, die sich dahinein hacken, in den Stream. Die sind clever, wissen Bescheid. Sie spannen mit einem Auge zugekniffen durch das Schlüsselloch. Die peilen, geilen und teilen Informationen, wie’s die geheimen Dienste nur tun dürfen sollten. Die frechen Schmeißfliegen wollen zuschauen selbst beim Kacken. Was kriminell ist und andererseits dem Schutz der Menschen dient, definiert der Nachbar gern selbst. Es macht den Leuten Spaß zu hetzen. „Den“, sagt man einander (am Tresen, leise) weiter, „haben die Bullen unter Beobachtung.“ Mäuschen sein ja, aber selbst im Zentrum vom Spott gefilmt, möchte sich niemand wiederfinden. Dicke Mauern, eine feste Burg sei unser Gott und das eigene Heim. Vor der innersten Seele wenigstens sollen Wächter stehen. Wir möchten das nicht erleben. Darum tragen wir die Kleidung, malen unsere Bilder, stellen Kulissen auf um uns herum, präsentieren das Selbst wohlanschaulich in dem weltweiten Netz.

Als normalgeschäftstüchtiger Mensch verbessert man seine Existenz durch gutes Gespür für den Zeitgeist. Das kommt für mich nicht in Frage. Ich bin erstens nicht normal und zweitens wenig geschäftstüchtig, drittens kotzt mich die modische Gutmenschlichkeit an wie nur was. Ich fühle mich gezwungen, die Fassaden der Normalgesunden zu durchstoßen. Das ist für mich die einzige Weise, die mir passend erscheint, um Anerkennung zu bekommen. Hier bei uns um’s Eck klappt das auf mysteriöse Weise. Das könnte an der Site liegen? So bin ich mein eigener Galerist. Platz ist auch für Geschichten. Leute mit Pinsel sind Katalysator. Wir wandeln um, reinigen und formen flüchtige Fantasie zum Bild. Wen mag das interessieren, was irgendwo im Internet präsentiert wird, frage ich mich und die Antwort, die ich bekomme, ist vielgesichtig.

# Auf Menschen zugehen

Gegenwart, sich Fremden erklären, präsentieren im Netz und draußen in echt: „Was machst du?“ Meine Kunst thematisiert das Erwachsenwerden. Das sage ich, beschreibe. „Und warum malst du dann Mädchen?“ fragt mich Dagmar*, eine neue Bekanntschaft. Sie ist hübsch und Badenserin, es lohnt wohl, ernsthaft zu reden? Wir lernen uns am Wasser kennen, aber in Hamburg am Hafen. Baden-Württemberg ist ein doppeltes Lottchen. Meine liebe Frau, mit der ich lang verheiratet bin, ist Schwäbin, und für manche bedeutet das einen gewichtigen Unterschied, das muss (oder sollte wenigstens) zum besseren Verständnis gesagt werden. Ich probiere also, der schönen wie fremden Heidelbergerin zu beschreiben, dass meine eigene Entwicklung sich durch manches verzögerte, aber wir werden unterbrochen.

„Reffbändel?“

Eine Bootsmesse am Wasser, hier treffen sich Gott und die Welt, Kapitäne. Alle reden.

Rückblick, was ich hätte sagen sollen:

Ich schaue mit meinen alten Augen auf mein Gegenüber, die weibliche Jugend, die ich nun so schamlos begehre, als wäre ich erst jetzt, heute, so jung und dabei erwachsen genug, bereit zu lieben. Das hätte sie nicht begriffen – womöglich, und darum ist es bestimmt besser gewesen, nichts zu sagen.

Schweigen ist Gold.

Wer nichts sagt, redet, erfährt auch nichts! Viele kennen mich, man grüßt und schnackt ein wenig. Ausstellungen meiner Bilder haben sich als zunehmend problematisch erwiesen. Ich habe keine Lust mehr darauf. Die Umgebung stempelt mir meine Vergangenheit des wiederholt psychisch Erkrankten ein ums andere Mal neu auf den Leib. Die Leute haben mehrheitlich das Glück einer stabilen geistigen Gesundheit scheinbar. Das muss wohl so sein. Sonst könnte die Gesellschaft gar nicht funktionieren. Einige verbergen ihre Schwächen. Das liegt mir nicht so. Man fliegt ja irgendwann auf, wenn man lügt. Ich wäre „gradlinig“, zollte mir ein Bekannter vor kurzem Respekt, und es hat gut getan. Der Anteil von Kranken, Illegalen und Arbeitssuchenden wie Kindern und Rentnern muss zahlenmäßig klein sein, damit genügend Leistungsträger vorhanden sind. Aber, wer dem Ideal des Fleißigen nicht genügt; man tut wenigstens alles, sich selbst gut darzustellen, um, wenn auch nichts zu erbringen, doch genügend Lohn einzufahren, der eigentlich nur denen zusteht, die gut sind. Es gibt neben Rentnern und Kindern die wesentliche Gruppe der Schaffenden und welche, die nur so tun als ob und schließlich die der Kranken, die wenig zum Bruttosozialprodukt beitragen. Brotlos ist die Kunst.

Die Leute verbindet ihre pauschale Abneigung und unklare Angst vor den psychisch Kranken. Das ergibt ganz unterschiedliche Haltungen. Wir suchen oft und irren, fallen auf manche trübe Type herein, benötigen mutige Menschen, die uns kompetent helfen, wenn wir krank im Kopf sind oder tolerant, wenn wir’s mal waren. Die Formen psychischer Störungen sind vielfältig. Es gibt unzählige diagnostische Ansätze. In jedem Fall steht hier eine gesunde Gesellschaft gegen die Menschen mit ihrem besonderen Problem. Wir haben es mit einer Konkurrenzsituation zu tun. Ein immer wieder psychisch Kranker nutzt dem Ganzen und sich selbst zunächst nicht. So funktioniert aber das Leben, eine Hand wäscht die andere. Das ändert sich ab dem Moment, wo das System seinen Ansatz zu helfen etablieren kann auch gegen den Willen der Betroffenen. Arbeitsplätze machen nur Sinn, wenn die dort geforderte Tätigkeit einen Wert hat und Lohn gezahlt wird. Der willkommene Schwachpunkt dieser zunächst unnützen Zeitgenossen, als Gruppe gesehen, findet sich, wenn man die Leute der Hilfe bedürftig erklärt und sie es akzeptieren müssen. Solche Patienten werden zum Material. Sie sind eine Handelsware, die hier- und dorthin geschickt, behandelt wird, eingelagert, bevormundet. Man kann mit ihnen arbeiten wie mit dem Köter im Tierheim, der Seniorin im Stift ohne Verstand. Psychisch Kranke können sich nicht effektiv zu ihrem eigenen Vorteil einbringen. Das ist der Kern jeder dieser Erkrankungen. Man nutzt solche Menschen aus.

Damit bekommt nicht nur das Gesundheitssystem mit seinen Helfern eine Aufgabe, sondern die Pharmaindustrie wirft sich in die Brust, ihre Lösungen anzupreisen. Diese Leute sind geschäftstüchtig. Das haben wir bei Corona gesehen. Beispielsweise jetzt, wo die Pandemie kein Thema mehr ist, im Spätsommer 2023, und ich diese Zeilen schreibe, erklärt man (auf den kommenden Herbst schauend) eine neue Variante als aktuell gefährlich. Neuer Impfstoff wird angepriesen wie ein leckeres Lebensmittel. Ist diese Impfung nötig? Fernsehen, es geht wieder los: Eine Ärztin erklärt mit sorgenvoller Miene die Not eines Schwerkranken auf ihrer Intensivstation. Der wird unscharf gemacht gezeigt, ein Mann in meinem Alter. Diese blind gemachten Persönlichkeiten nerven. Er ist bereits dreifach geimpft – und trotzdem todkrank. „Er wird durchkommen, aber das dauert“, sagt die Medizinerin. Ja, was nützte dem die dreifache Impfung? Das fragt niemand im Beitrag. Die Mehrheit bemerkt Corona nicht mehr. Das zeigt sich als eine Sorte Schnupfen unter vielen. Unsere Geschichte hat ein neues Kapitel bekommen. Das war. Nur die Ewiggestrigen kauen weiter ihre Gummi deswegen. Longcovid ist das Leiden derjenigen, die dieses benötigen, es auszuleben. Sie kämpfen um die Anerkennung ihrer Probleme wie jede Randgruppe. So sind manche beschäftigt.

Biontech spielt mit dem Gesundheitsapparat, solange es geht. Den angepassten Stoff gibt die Pharma in Sechserpackungen an die Ärzte und begrenzt die Haltbarkeit. Kommt gelegentlich ein Impfwilliger in die Praxis, gibt es den Piks. Fünf Dosen aber schmeißt der Doktor gezwungenermaßen weg. So läuft das Geschäft weiter bei nachlassendem Bedarf. Besonders Ältere sind eine dankbare Zielgruppe, allerlei Vorsorge mitzumachen. Auch wenn ich fernsehe oder YouTube schaue, kommt nun ständig:

„Gürtelrose! Lassen Sie sich impfen!“

Penetrant.

Vor der Pandemie war diese scheinbare Notwendigkeit, das gerade tun zu müssen (glaubt man der dramatischen Stimme), allgemein unbekannt. Da sind Trittbrettfahrer der Pandemie unterwegs, Kriegsgewinnler, wenn man so will. Die Angst vor Krankheit ist ein gutes Geschäftsmodell für diejenigen, die verstehen, damit zu spielen und in der Politik, den Behörden sowie vielen Ärzten Unterstützer finden. Das Mitlaufen für eine Sache, in einer Bewegung kann nicht durch den Fortschritt der Menschheit als schädliches Tun überwunden werden, weil es auch der Motor einer Gesellschaft ist. Wir sehen die zum Hitlergruß hochgereckten Arme in alten Filmaufnahmen und sind entsetzt, müssen aber erkennen, dass immer noch Menschen andere mitschnacken und massenhaft die Leute dem jeweiligen Populismus folgen. Weil das menschlich ist, bleibt dem Einzelnen nur seine Bewusstheit der eigenen Lage als Schutz und letztlich Ideengeber für den besten Weg nach vorn in eine gesündere Zukunft.

# Die Masse ist normal

Doofe hetzen kollektiv, sich gegenseitig bestärkend, man benötige das unbedingt, etwa (und beispielsweise) mit Skistöcken paarweise durch den Sommer. Die stochern rum, laufen ansonsten verkrümmt, das Smartphone immer in der Hand ihres Weges. Frauen sind besonders soziale Wesen und trainieren bevorzugt zusammen im Fitnessstudio. Sie haben Kläffer, gehen in die Hundeschule, sammeln eifrig Kacke in kleine, schwarze Beutel. Das ist die moderne Masse. Gute Menschen von heute werfen keine Kippen mehr auf den Bürgersteig. Sie rauchen nicht, sondern dampfen Einweg. Es gilt als gesünder. Menschen fürchten, was gerade allen gemeinsam Angst macht. Sie leiden am selben, jeweils aktuellen Thema zusammen. Was jetzt frisch dran ist, nötig zu kennen, kommt auf sämtlichen Medien ähnlich aufbereitet daher. Einer schreibt beim anderen ab. Auch die künstliche Intelligenz ist nur so schlau, wie bereits woanders was veröffentlicht wurde. Das ist intellektuelle Inzucht.

Alle haben heute Krebs. Das ist ein florierendes Geschäft für die moderne Medizin, glaube ich und wird forciert. Mit der Angst der vielen spielen unsere Doktoren. Eine Einzelmeinung von mir und deswegen falsch? Man macht Vorsorge, bis endlich der Tumor gefunden wird. Überzeugungen, der Mensch hat’s verstanden. Wir wissen Bescheid. Man trägt Helm und gelbe Weste mit Reflex, fährt elektrisch, ich nicht. Haut muss glatte Fassade sein. Die Leute cremen ohne Unterlass. Sonne macht Krebs, weiß und böse: schwarz. Sie nehmen den Urlaubsflieger an den Strand und vergessen kurz die Umwelt, Mülltrennung, Greta usw. – und cremen weiter. „Bloß nicht die alte Tube vom letzten Jahr nehmen. Sie erhöht ebenfalls das Risiko, an Krebs zu erkranken“, heißt es, weil sich eine drin enthaltene Chemie verflüchtige, sobald die Creme angebrochen würde. Das und vieles mehr ist paradox. Das stört die Leute nicht. So ist die Mehrheit unterwegs, man tut wie gesagt.

„An der nächsten Abzweige biegen Sie rechts ab.“

„Biegen Sie rechts ab.“

„Biegen Sie jetzt rechts ab.“

Normal sein, bedeutet blöde mitlaufen? Haben wir psychisch Gestörten einmal begriffen, und das kann dauern, in Konkurrenz zu den anderen Menschen zu stehen, beginnt womöglich die Heilung? Nun können wir von unserer Intelligenz Gebrauch machen. Wenn ich nicht falsch liege mit meiner Behauptung, die gesunde Gesellschaft stünde geschlossen gegen uns, bedeutet das im Arzt und der Pharmazie nicht den helfenden Freund zu erkennen, sondern zunächst einen Apparat, der vor allem für sich selbst steht. Die Pharmaindustrie ist eine vielgesichtige Firma, die wir in keinster Weise als Patient beeinflussen können. Unsern Arzt hingegen suchen wir leichter aus als ein Medikament, das dieser vorschlägt. Es bleibt dem Patienten ein minimaler Einfluss erhalten, die Treppe aufwärts aus den Schwierigkeiten zu finden. Den Psychiater können wir wechseln. Das Ziel, ganz ohne Pille klarzukommen, verliert ein Gedemütigter schon mal aus den Augen. Da sei der Mediziner in der Pflicht und nicht bequem, die Leute einfach zuzudröhnnen und ein wenig zu reden vierwöchentlich. Glück benötigt der Patient allemal, um sein Schicksal wieder selbst in die Hand zu nehmen und an einen kreativen Partner zu geraten.

Gesetzt den Fall, die Gesunden stehen also gegen uns (ein Überlebenskampf), sollten wir nach einer Schwachstelle der Angreifer Ausschau halten. Uns gibt der Arzt das Blech einer Rüstung an den Leib mit seinem Medikament. Man erklärt die Patienten für ungeschützt in feindseliger Umgebung. Wir gelten als vulnerable Gruppe. Und die anderen Menschen, die den Psychiater nicht benötigen, schlagen die sich nackt oder ist ihnen das dicke Fell angeboren? Der Konsens allgemeingültiger Ansichten bildet ein Instrument, das, ungeprüft hingenommen, jede Eigeninitiative blockt. Unser Problem ist, pauschal betrachtet, das System zunächst insgesamt und weniger der einzelne Mensch gegenüber. Es besteht aus einer funktionellen Struktur und beweist seine Gesundheit durch die vernetzten Zellen mit ihren Aufgaben. Wirtschaft, Transport, Verwaltung und Sicherung der Ordnung, Definition einer Außengrenze; das ungefähr ist ein Staat. Man kann auf die Mängel vom Ganzen hinweisen, die Welt als krank beschimpfen, es wird nicht nützen. Krank bleibt, wer nicht funktioniert und gesund sind übereinkommend diejenigen, welche klarkommen. Menschen, die auf eine Weise stören, dass sie auffällig sind, bekommen Hilfsangebote, und jagen sie anderen Angst ein, auch gezwungenermaßen. Die Sache wird einfacher, wenn wir uns das einzelne Gegenüber vornehmen für eine differenzierte Betrachtung. Gegen den diffusen Block allgemeiner Überzeugungen verlieren wir den Blick auf unseren individuellen Weg in die Zukunft. Der Einzelne jedoch kann unser Helfer werden, dem wir ein wenig Vertrauen schenken oder unser Gegner, dem es gefällt, gerade uns zu blockieren. Wir sollten lernen, sozial genau hinzuschauen. Da verschwimmt die Grenze klarer Unterscheidung kranker Patienten von ihren normalen, gesunden Mitbürgern drumherum. So öffnet sich manche Tür.

Wir erkennen, dass auch andere sich rüsten. Menschen stellen sich besser dar, als sie sind. Manche Fassade ist vergleichbar mit dem bunten Karton und seiner Werbebotschaft. Eine Pappe, die oft groß bemessen ist, angesichts der beinhalteten Ware eines Produkts im Handel. Menschen hinter dem Plakat können sich nie ganz sehen lassen. Es sind Leute mit Hut, die diesen sogar im Bett schlafend aufbehalten. Der bloße Anschein von Gesundheit (als eine mögliche Form der Verteidigung in unserer intellektuell definierten Zivilisation) kann anstelle wirklicher Belastbarkeit treten. Für uns ergibt sich gerade deswegen dem Blender gegenüber (weil bei ihm nichts dahinter steht), die beste Chance voranzukommen. Für einen kreativen Geist sollte das hinter die Kulissen schauen tägliches Programm sein. Wir gewinnen an Selbstvertrauen, bemerken, dass der Feind ein lappriges Schild aus Papier vor seine Blöße hält und sein Schwert nur aus Holz ist. Als Geisteskranker sollte man sich selbst helfen mit der Erkenntnis, dass Empfindsamkeit von Vorteil ist, Geschicklichkeit über andere siegen kann, die nur mit harten Bandagen hauen. Wer lernt, dem Wettkampf dort aus dem Weg zu gehen, wo dieser so aufgezwungen wie unnötig für das persönliche Glück ist, kommt eine Treppe rauf.

# Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert

Viele Menschen fürchten Peinlichkeiten. Sie schämen sich für ihre Fehler. Solche gewöhnen sich an, wie hinter einer Maske zu leben. Das geht nur solange gut, wie diese dicht hält. Unsere moderne Welt ist transparent. Das führt dazu, dass viele beständig an ihrer Selbstdarstellung herumflicken müssen. Plötzlich offen stehende Fenster ins Innere bedeuten Gefahr. Der vermeintliche Schutz ihrer Persönlichkeit ist in Wahrheit das Nichtmerkenwollen von Angst. Hier irrt die Gesellschaft kollektiv. Angst ist individuell. Wir scheitern mit dem etablierten Fortschritt, wenn dieser bedeutet, dass wir alle dasselbe fühlen möchten. Da sollen Psychopharmaka bewirken, dass der Patient seine Angst nicht mehr merkt und im Alltag angepasst funktioniert. So kommt es wohl zu der eigenständigen Diagnose „Angststörung“. Angst stört die funktionellen Abläufe einer Denkweise, die sich nach einem allgemeinen Tempo richtet. Auch sonst gilt weitermachen, funktionieren als das Wichtigste überhaupt. Man glaubt wohl, in einem Rennen unterwegs zu sein.

„Bekämpfen sie den Schmerz!“

So lautet die Überschrift einer Anzeige für eine entsprechende Medizin, die so tut, als wäre das Weh vom einen dasselbe wie die Schmerzattacke beim anderen. Angst und Schmerz verselbständigen sich, weil wir ihnen dieses Wort gegeben haben und können nun angegriffen werden mit einer Pille, wenn wir zulassen, dem Begriff ebenfalls Stofflichkeit zuzuschreiben. So spielen beide Gegner scheinbar in derselben Liga. Die Menschen, um die es ja eigentlich geht, verlieren den Kampf. Zerstörtes Terrain ist der Boden, auf dem Schmerz und Angst niedergemetzelt werden.

Das alles zu begreifen, hat meinen Weg, besser, gesünder und insgesamt zufriedener zu leben, wirklich beschleunigt. Mir ist es gelungen, meine Funktion an sich zu verbessern durch entsprechendes Training. Psyche gesundet nicht ohne die dazugehörige Physis. Ich fand heraus, dass im eigenen Tempo Abläufe zu üben, Verhalten nachhaltig positiv beeinflussen kann. Das gelingt nur im längeren Prozess, nach und nach auf Abstand zu gehen vom helfenden Arzt und seinen Pillen. Der Doktor ist viel zu sehr mit seiner eigenen Arbeit verheddert, als dass ihm möglich wäre, für uns individuell alles zum Besten zu leiten. Ohne die Medikamente ist das Leben möglicherweise riskanter, weil die schützende Wirkung ihrer emotionalen Dämpfung wegfällt, aber die offene Flanke gegenüber der Umgebung kann auch genutzt werden für Kreativität. Ein sensibler Mensch merkt mehr. Nackt zu sein in einer Welt, die sich verbergen möchte, belebt den Mutigen!

Der Zeitgeist ist das Instrument, noch besser voranzukommen für Leute, die bereits gut im Geschäft sind. Es ist die Methode auch für andere, die wenig leisten aber gut wirken möchten, trotz Faulheit mit abzusahnen. Die Politik nutzt ihre plakative Selbstdarstellung. Das möchte verbergen, wie die Verwalter unseres Gemeinwohls Lobbyisten sind und mitnichten kollektives Wohl anbieten. Sozialdemokraten sind nicht bessere Menschen, obschon sie das behaupten, sie unterstützten etwa Sozialschwache. Indem beispielsweise Mieter gestärkt werden, blockiert man die Unternehmen, welche vermieten. Jede Partei verbirgt sich, indem sie andere zur Opposition erklärt. Es kann keine Politik für alle geben, weil Gerechtigkeit immer auch das Verlieren miteinschließt. Werte werden für dahinter verborgene Interessen instrumentalisiert. Dafür eignet sich die modischen Anpassungen unserer Sprache, das aktuelle Geschehen mit neuen Schlagworten als willkommenes Schild einzusetzen in der Argumentation. Ein frisch etablierter Begriff, eine alberne Masche wie das Gendern, das Dramatisieren neuer Kriegsnöte, Pandemien, Umweltgifte oder der Klimawandel werden populistisch in Szene gesetzt. Man verbalisiert die eigene Wichtigkeit und verschleiert die eigentlichen Schwächen der jeweiligen Kampagne. Das zwingt mich als Künstler, die Mode generell anzugreifen als unehrliche Malerei. Ich möchte auch anerkannt werden wie jedermann. Mir bleibt es verwehrt, sozial mitzuplappern. Ich kann meine Psychosen nicht verbergen. Sie mögen Vergangenheit sein, bleiben aber eine Achillesferse. Mein Geld verdiente ich nur zum Teil durch meine Illustrationen, sondern auch aus unserem kleinen Familienbetrieb, Vermietung einer für uns alle ausreichend großen Immobilie. Meine finanzielle Existenz scheint heute gesichert, ohne dass ich auf eine großartige Leistung zurückblicke, die ich dafür zustande brachte.

Wie wird Erfolg definiert, ist eine Frage, die ich mir gestellt habe. Was ein Lebenserfolg ist, mag man sich vom Allgemeinen vorschreiben lassen oder selbst bestimmen, aber andere werden darin bloß sehen, was es für sie bedeutet. Wie man’s dreht und wendet, behauptet glücklich zu sein, die Masse torpediert mit breit aufgefahrener Artillerie: Meine Frau, Job, die Kinder, ihre Ausbildung, Haus, Auto, Boot usw. Und was das alles kostet. Äußere Kritiker nisten sich auch innen im Geist ein. Denken geschieht in Worten. Hier kann einer ansetzen, gesünder zu werden, der das bemerkt. Meine Form der Erkrankung, die schubweisen Ausfälle, sollten medizinisch in den Griff bekommen werden durch Tabletten und Therapie. Das hat viel Zeit vergehen lassen. Während ich meine Existenz ausgestalten konnte, so gut das unter diesen Umständen gelang, wurden die Rückschläge harmloser, und schließlich erklärte der Psychiater meine Gesundung als erreicht. Ich funktionierte scheinbar normal. Ich hatte Frau, Kind, Haus und das kleine Boot, schien integriert.

# Eine wahre Geschichte wird erzählt 

Als meine Eltern erkrankten, waren meine Frau und ich hier im Norden wohnende, durch räumliche Nähe gegebene Pflegekräfte. Familien sind größer. Menschen haben mehr miteinander verwandte Angehörigen als diejenigen, wenigen, die sich in so einem Fall intensiver kümmern. Das sei nur nebenbei erwähnt, weil es immer ähnlich geschieht, und beim anschließenden Erben ist es dann umgekehrt, alle wollen vom Kuchen abbekommen. Ihnen stünde dies und das zu, auf diese oder jene Weise zu bekommen, sagen sie. Anwälte werden nötig und verdienen gern mit. Es bildet sich eine geifernde Rotte, hackt ihre Zähne in das Fleisch einer gemeinschaftlichen Beute, diese zu zerreißen. Man fetzt sich, bis das Werk der Ahnen zerstückelt ist oder verkauft. Lapprige Geldscheine flattern im Wind der Inflation davon, wo fruchtbarer Boden, Haus und Geschäft seit Generationen den eigenen Namen trugen. Ich habe es nicht kommen sehen. Gutgläubig bin ich schon mein ganzes Leben lang gewesen.

Zunächst wurde meine Mutter todkrank. Die Versorgung meines Vaters war ihr nicht länger zuzumuten. Ein Pflegeplatz fanden wir noch alle gemeinsam schnell. Die Übernahme der Buchhaltung vom, ich sage mal, kleinen Familienbetrieb ging auf mich über. Nach jahrelang guter Gesundheit kollabierte ich anschließend des Todes meiner Mutter erneut (wie früher) und fand nach einigen Tagen (im Wahn) erst in einer Klinik wieder zu Verstand. Das mag sich herumgesprochen haben auch in meiner Wohngegend?

Ich bin zwar schnell wieder am Platz ganz der Alte gewesen, besser womöglich, aber nun schwangen sich ungefragt Helfer in vieler Zahl auf, mein Leben zu manipulieren. Für mich wurde kein Sternchen hochgestellt. Mein Name blieb unverpixelt. Mein Himmel wurde demontiert: Keine Geigen, keine Sterne. Kalle und Willy zogen Alex ab. Vetter, Tante, Schwester hetzten, um schneller Beute zu machen. Mir andererseits selbst wurde erst jetzt klar, dass ich in der Liste Job, Frau, Kinder, Haus, Auto, usw. einen blinden Fleck vorzuweisen hatte, der mir bislang entgangen war. Ich erkannte, dass der Lösungsansatz des Psychiaters absichtliches Verdrängen meiner Probleme gewesen ist. Verschleiern des Pudels Kerns war seine Methode. Anzunehmen ist, dass die Spezialisten glauben, alle normalen Menschen machten es so. Die Leute haben es besser, wenn sie nicht so genau hinschauen? „Einfach leben“, war dann auch der Rat vom Doktor* (in meiner Heimatstadt). Es hat nicht funktioniert. Mir fiel wie Schuppen von den Augen, das eigene Leben geradezu verpasst zu haben, da es ja eines an der Hand vom Therapeuten gewesen ist. Ich begriff, wie die größte Liebe ausgesehen haben könnte und so weiter …

# Mein Leben ist nicht die Mode von heute

Eine gute Selbstdarstellung passt sich der Allgemeinheit an. Aktuell ist man gegen Russland, für die Ukraine, unterstützt die Demokratie, brandmarkt die Extremisten, verhöhnt die aktuelle Politik. Man gendert, unterstützt die Gleichberechtigung. Klügere treten aus der Kirche aus und heiraten trotzdem kirchlich, weil das romantisch ist. Man ist queer. Wichtig ist eine ambivalente Haltung zur grünen Ideologie. Was man nicht machen darf, ist genauso schnell aufgezählt. Man darf kein Querdenker sein, Klimakleber oder Reichsbürger, verlangt Menschen mit klarer Kontur und greift doch jeden an, der Eigenes zum Besten gibt. Man darf der Politik die Schwierigkeiten mit der Migration, dem Bürokratieabbau, dem leidigen Problem Schule, Gesundheitssystem, Energiewende nicht zugestehen, könnte alles besser machen als die da oben.

Was man nicht sagen darf, betrifft oft Details zur Sexualität als ein heikles Thema. Ich zum Beispiel könnte mir nicht vorstellen, einen Mann körperlich sexuell zu lieben. Das zu tun, und sei es für eine Rolle als Schauspieler im Film, löste bei mir Ekel aus. Nun verlangt unsere Gesellschaft eine pauschale Toleranz. Alle lügen. Es gibt mehr Porno als je zuvor, aber niemand möchte davon wissen. Man erwartet allgemein Lobhudelei sämtlicher Queerness. Da bin ich nicht dabei. Ich möchte nicht als intolerant verstanden sein, weil ich nur Menschen mag, die mir persönlich gefallen aus vielerlei Gründen und nicht pauschal begeistert die Parade mitmache, weil es sich gerade gehört, Homoerotik toll zu finden. Ich kenne einige schwule Männer wie lesbische Frauen persönlich und ein Fall von angestrebter Geschlechtsumwandlung beim jugendlichen Kind im Freundeskreis ist mir bekannt. Ich bin intellektuell freigeistig und weiß um die Sorgen, die ein Mensch mit seiner Individualität haben kann. Mir liegt eine breit aufgestellte Kommunikation, Schwierigkeiten auszuräumen, aber manche wollen nicht reden, sondern verdeckt anprangern. Mein früherer Klassenlehrer war mutmaßlich schwul. Das ist mit der wichtigste künstlerische Wegbereiter für mich gewesen. Auch als Mensch eine absolute Vorbildfigur. Das nur nebenbei. Ohne Gerd Kröger (ohne Sternchen) wäre mein Leben komplett gescheitert. Da bin ich mir ganz sicher.

Was mich anwidert ist, dass der vermeintlich toleranten Gesellschaft die jeweils andere Sexualität in Wahrheit vollkommen egal ist. Man probiert nur, sich selbst aufzuwerten durch entsprechende Lautmeldungen. Wehe, einer sagt, was er denkt oder fühlt ehrlich, spontan heraus. Ich erinnere Friedrich Merz (er hat tatsächlich eigenes Profil), der habe nichts gegen Homosexualität, meinte dieser Politiker so ungefähr, solange es nichts mit Kindern sei, was die Männer miteinander machten. Das gab einen Shitstorm. Dann war da der Fußballer Lehmann, der etwa befand, beim Duschen (nackt nach dem Spiel) neben einem vermeintlich schwulen Mitspieler zu stehen, wäre ihm vermutlich unangenehm, wüsste er davon, dass der andere Männer liebe. Das regte die Leute auf. Nun komme ich und bringe die These, der überwiegende Teil gleichgeschlechtlich Liebender sei psychisch labil; da kann ich wohl von Glück sagen, wenn’s niemand liest. Ich bin nicht wichtig. Sich über mich aufzuregen, bringt demjenigen, der das tut, wenig Aufmerksamkeit ein. Mir haben in der Öffentlichkeit stehende Politiker wie etwa Jens Spahn oder Guido Westerwelle stets Respekt abgenötigt. Die finde ich authentisch. Ich kenne genauso einen schwulen Künstlerkollegen und begreife den mittlerweile einfach nur als armselig.

Zwischen der gesellschaftlich aufgedrängten Toleranz und meinen persönlichen Empfindungen, wem ich Empathie schenken möchte, klafft eine weite Lücke, die ich durch meine individuelle Ausrichtung definiere. Ich glaube, dass zum Wunsch nach gleichgeschlechtlicher Sexualität ein inneres Bedürfnis bei denjenigen diese motiviert, entsprechende Partner zu finden. Das ist weder krank noch umzutherapieren, und insofern sind die früheren Haltungen der jeweiligen Zeitalter menschenverachtend. Das gibt es ja weiter in Staaten, und natürlich haben wir uns als freiheitliche Demokratie dagegen zu verwehren wie auch gegen Rassismus, Antisemitismus, Extremismus. Das zu tun, muss mir aber meine eigenen Gefühle frei vorbehalten. Ich liebe Frauen. Mir gefällt, junge Mädchen anzuschauen, das erregt mich, und ich möchte gern betonen dürfen, dass ich in sexueller Hinsicht bei sogenannten reifen Frauen wenig empfinde. Das gehört sich nicht hinzuschreiben? So habe ich es bereits erfahren. Verheiratete, ältere Männer müssten so gesehen korrekt kommunizieren, dass alles ins geforderte Bild passt; das wird verlangt, und Gefühle lebt so jemand heimlich aus, damit andere diese Existenz akzeptieren können?

Man nennt mich, mindestens hinter vorgehaltener Hand, pädophil.

Tatsächlich, ich habe meine psychischen Erkrankungen ja bereits öffentlich zugegeben, mich machten diese Eingeständnisse individuellen Empfindens letztlich geistig gesund. Mich kränkt die Gesellschaft kaum noch. Die Masse ist so primitiv. Im Widerpart mit einer vermeintlich gesünderen Umgebung zerlegte sich diese schließlich als mitnichten tolerant. Das Böse als Klebstoff hält nicht gut. Lügen haben kurze Beine.

# Der Lebensentwurf als Fake

Ich möchte wahrhaftig und authentisch leben. Das passt nicht in die Welt? Warum immer faken, wenn das sowieso nicht funktioniert: „Claas-Hendrik Relotius ist ein deutscher Autor, der bis 2018 als Journalist tätig war. Er schrieb vorwiegend für den Spiegel, seine Reportagen wurden vielfach ausgezeichnet. 2018 wurde bekannt, dass er große Teile seiner Reportagen und Interviews erfunden hatte, was einen Medienskandal auslöste“, schreibt Wikipedia.

Weniger spektakulär machen alle ihre Erfahrungen mit dem Betrug, dass ihr Gegenüber nicht ganz echt ist. Es scheint für manche die Karriere als Kunstfigur besser zu gelingen. Worte und Wirklichkeit verschwimmen schon mal in der modernen, auf Kommunikation basierten Welt. Das eigene Leben zum Buch machen, Erlebtes ausschlachten für den Roman oder sogar die Fiktion real in die Wirklichkeit und unmittelbare Nachbarschaft implantieren, man fragt sich, könnte das möglich sein? Einmal wurde von einem Vermisstenfall berichtet. Eine Frau hatte viele Jahre innerhalb Deutschlands gar nicht so weit vom früheren Lebensmittelpunkt entfernt eine neue Existenz gefunden. Das wäre erlaubt, jeden Kontakt zur Familie abzubrechen, die Freunde aufzugeben, hieß es. Die Beamten, die sie schließlich nach Jahren als woanders gesuchte Person entdeckten, respektierten den Wunsch der Vermissten entsprechend. Sie behielten die Information, wo sie sei, für sich. Haben wir die Freiheit zum künstlichen Lebensentwurf und wie weit geht der, ist keine neue Frage.

Max Frisch – das wurde ihm vom Landsmann und Kollegen Friedrich Dürrenmatt vorgehalten – käme von sich selbst nicht los, obschon ihn eine wunderbare Sprache kennzeichne. Das habe ich mal irgendwo gelesen. Ein bekanntes Problem für Schriftsteller. So ähnlich, aber trivial, beinahe als nur besseres Groschenheft, möchte auch der Old Shatterhand vom Volksschriftsteller Karl May uns vom Pferd erzählen, alles wäre wahr gewesen. Den Roman „Stiller“ von Frisch erinnere ich als den faszinierenden Versuch, mit einem Nicht-Ich durchzukommen, und das war vor der Erfindung von Internet, Smartphone und Künstlicher Intelligenz. Das Buch gab damals ein cooles Fake für bibliophile Menschen ab.

Ein Leben zwischen den Kulissen führen wir allemal. Niemand kann sich ganz sicher sein, was andere betrifft. Es gibt Brüche, die nur schwer erklärlich bleiben. Wenn Beziehungen scheitern, kann der Grund im Dunkeln bleiben, weil schließlich zu reden keinen Sinn mehr macht. Das bietet aber auch den Nährboden für neue Geschichten. Wir können uns immerhin einen Erklärungsversuch schaffen mittels Fantasie. Bücher werden geschrieben, weil Menschen es verstehen, die Lücken ihres Erlebens kreativ auszufüllen. Das ist auch eine gute Methode, die Schwächen unserer eigenen Lebensanpassung weniger isoliert zu betrachten. Wenn wir anderswo ebenfalls kranke oder dumme Herangehensweisen an das soziale Miteinander erkennen und besonders, wenn diese kaschiert werden für eine gehobene Existenz, hilft das wohl, dem eigenen Selbstbewusstsein ein Stück weit in die Gänge zu kommen, solche Brüche zu enttarnen.

Ein Absatz aus der Mottenkiste meiner Fantasie taugt kaum zum investigativen Roman. Das mag zur Illustration genügen, eine Skizze bloß, unsere zeitgenössischen Labyrinthe sichtbar zu machen. Es ist vor allem die Achterbahnfahrt durch meine Gehirnwindungen. Ich stelle mir vor, mal dahingesponnen, eine Frau designt sich wie ein zarter, kleiner Mann.

Sie tritt schick auf, ist taff unterwegs und ausgestaltet mit Kurzhaarfrisur. Eine intellektuelle Brille komplettiert sie für das moderne Büro. Ganz schwarz ist diese Mode, glatt und perfekt wie eine Kunstpuppe, geschlechtlich dazwischen fokussiert, passt alles. Sie steigt beruflich auf bis ins Management einer Abteilung – irgendwas mit Büchern. Die Frau leitet ihr Team scheinbar. Man darf aber nicht so genau hinsehen hinter die Person. Das mag auf den ersten Blick ein beachtlicher moderner Lebensentwurf sein. Ein individueller Erfolg sowohl in der Firma als auch privat an der Seite einer ebenso empfindenden lesbischen Frau ist das! Gesetzt den Fall, dahinter verbirgt sich die vor der Welt verborgene, dazugehörige Lebenslüge, tatsächlich als Analphabet zu lavieren? Die moderne Managerin kann keinen Geschäftsbrief allein hintippen, geschweige denn mailen oder eines der Bücher fließend lesen, die diese Filiale, deren Leitung sie ist, im Programm hat. Falls es bislang klappte, diese Schwäche zu verbergen, sämtliche Verpflichtungen zu delegieren, Inkompetenz zu kaschieren, toppte die Homosexualität noch ein ohnehin schon potemkinsches Fake.

Das wäre der Plot, den ich hinbekäme zu schreiben.

Ich wüsste ein inneres Bild lebendig auszugestalten. Mit dergleichen Wesen konfrontiert, muss ein Mann scheitern, dem an Aufrichtigkeit zuerst gelegen ist. Das möchte als Skizze unspezifisch bleiben, treibt mich aber manchmal um und würde, als modernes Märchen weitergeschrieben, mein erster Roman.

Weitere Nöte kommen einem beweglichen Geist in den Sinn. Da müssen einfach mannigfaltig Menschen sein, die ihre liebe Not mit der Anpassung an die Gesellschaft haben, weil sie homoerotisch oder trans empfinden. Nur ein kleiner Anteil dieser Gruppe wird es schaffen, frei und selbstbewusst die besondere Sexualität auszuleben. Es kann gar nicht sein, dass mit mancher Liberalisierung und m/w/d Anzeigen ihre Welt komplett in die allgemeine integriert gelingt. Trifft man auf ein überzeugendes Paar solcher Vorkämpfer für einen toleranten Planeten, so machen gerade diese Menschen wegen ihrer Ausnahmeerscheinung der breiten Masse deutlich, dass queer immer eine soziale Herausforderung ist. Das gelingt so oft nicht, sich zu befreien aus einem Netz von Werten und Belehrungen, die wir nun mal entwirren müssen, alle, dass ich mir erlaube zu behaupten, die meisten Schwulen werden auf eine Weise als beknackt wahrgenommen. Dies enthält den Kern der Wahrheit, dass ein besonderes Leben schwierig ist und deswegen zu scheitern typisch. Wie viele Heterosexuelle finden nie die große Liebe ihres Lebens oder sie misslingt? Da können alle weiteren, speziellen Formen des individuellen Glücks schon deswegen nur geringere Chancen bieten auf Erfüllung. Das greift die Psyche an. Damit nähern sich die Randgruppen einander an, welche, die wie ich als Psycho tituliert, ihren eigenen, sehr individuellen und schwierigen Weg zu gehen haben. Klappt das schließlich besser, ist Zeit des Lebens vergangen, die nicht zurückkommt. Das hinnehmen können, bedeutet Glück unter der Prämisse anzunehmen, dass Reife mehr ist als der schönste Traum, wie man ihn bloß als Jugendlicher träumt.

Künstler sein, heißt immer auch einer zu werden. Es hört nie auf mit dem Weiterentwickeln im Leben, wenn wir so drangehen, dass dieses uns erfüllen möge. Betriebe ich ein florierendes Geschäft, müsste meine Site anders konzipiert sein. Ich sollte dann mehr Wert auf Fehlerlosigkeit legen. Damit will ich nicht sagen, dass Perfektion mir nichts gibt. Gerade bis zum Besten zu gelangen und eine Sache so lang zu verfolgen, bis ich sie nicht mehr weiter steigern kann, ist mein Anspruch. Das führt kurioserweise dazu, dass diese Website voller Fehler öffentlich präsentiert wird.

Es gibt einen alten Witz, der das Leid beschreibt.

Der Maler unterhält sich mit dem Chirurgen. Dieser Arzt streicht seine Wichtigkeit heraus, Verantwortung, Leben und Tod. Der Künstler nivelliert. Womöglich auf einer Vernissage plaudern die so unterschiedlichen beruflichen Charaktere?

„Ihre Fehler bedeckt der grüne Rasen, meine hängen ein Leben lang an der Wand.“

Besonders, was die vielen Texte betrifft, muss ich leider zugeben, dass diese nicht nur oft zu lang sind und deswegen ungenießbar, auch wiederholt sich inhaltlich alles. Was mich selbst am allermeisten belastet, ist die Tatsache, dass zu lange und unverständliche Sätze vorkommen. Ich möchte besser werden. Das heißt, immer wieder drüberzulesen, um solche Satzsaurier auszumerzen. Das geschieht leider nach dem Onlinestellen oft. Es kommt vor, dass ich mir Absätze vornehme, die wochenlang der weltweiten Leserschaft (!) frei einsichtig gewesen sind und erst sehr viel später von mir eine deutliche Überarbeitung erfahren, die ich doch wohl gleich hätte kreieren sollen.

Das macht mir zu schaffen.

Darum schreibe ich nicht auf einer öffentlichen Plattform. Man könnte mich kritisieren, und das mag ich nicht. Ich möchte recht behalten. Ich probiere, totale Logik zu etablieren. Meine Formulierungen mögen die anderen zwingen, wünsche ich mir und vermeide zu erfahren, dass dies nicht wahr ist. Kann sein, mit mir ist das Zusammensein unerträglich, Monologe. Meine Freunde wissen das, und deswegen habe ich nur wenige. Sie mögen mich, weil ich Fehler habe, glaube ich, sehen selbst ein wenig besser aus deswegen, könnte sein? Man braucht einen in der Gruppe, der nicht ganz richtig ist, mindestens anders. Es ist unterhaltsam. Das kennt man auch vom Fernsehen. Der Quotenneger sitzt in jeder Jury. Oder im Management einer Firma, man nimmt eine Frau mit rein. Der Handwerksbetrieb beschäftigt den Mongoloiden und sagt aber, dieser habe das „Down Syndrom“, sei gehandicapt und dergleichen. Behindert war früher. Das macht solche Menschen besser. Es gehört sich heute so. Man ist alkoholkrank, hat „ein Problem“ – und nicht etwa Säufer. Wer den biologischen Fußabdruck im Auge hat, Klimaziele definiert, bekommt seine Chance.

Meine Macken machen mich liebenswert? Damit andere diese bemerken, gebe ich freizügig Einblicke in mein Leben und weiß nun, wie die Umgebung sich fremdschämt. Man merkt das. Deswegen, genau aus diesem einen Grund gibt es diese Website. Ich kann so die Spreu vom Weizen trennen. Wir treffen uns immer zweimal. Von mir unbeobachtet im Netz und dann real begegnen mir die Leute. Ihre Zuneigung ist, glaube ich oft, in Wahrheit bloß verschleiertes Mitleid. Sie möchten mir auf einer Treppe von oberhalb gönnen, dass ich (auch) klarkomme.

„Du bist wohl jetzt gut eingestellt, so gefällst du mir.“

So probiert sich eine Freundin meiner verstorbenen Eltern im Lob. Es hört sich an, als spritzte mich der Psychiater wöchentlich gekonnter als andere Zombies. Ich nehme gar nichts, nicht einmal Aspirin gegen Schmerzen. Ich bin nicht gegen Corona geimpft. Auch habe ich keinen Hausarzt, verachte Mediziner, gehe nie hin. Die doofe Alte hat nie ein Wort von dem hier gelesen, tut aber wie die liebste Tante. Eine sogenannte Krankheit des Erwachsenwerdens sollte schließlich mal aufhören. Fertig. Die beiden Psychiater, die mich nach dem katastrophalen Lebensstart anschließend meines Studiums betreuten, wurden, erst der eine, dann sein Nachfolger in dieser Praxis, Rentner. Man trifft sich in der Bahnhofstraße, plaudert. So ist es auch mit Wiegand. Der alte Internist hat sein Bötchen im selben Segelverein wie ich beheimatet. Die Schiffchen liegen nebeneinander im Winterlager und unweit voneinander im Yachthafen. Der liebe Doktor, mein langjähriger Hausarzt und Vertrauter, ist ebenfalls im Ruhestand, allenfalls ein medizinischer Freund und dabei lockerer Ratgeber.

Wir sagen jetzt du.

Ich bin ganz normal. Meine Mitmenschen bekommen gern die Gelegenheit, mir im kleinen Kreis freundliche Worte zu gönnen – und abzulästern, wenn ich nicht mehr im Raum bin.

# Menschen sind scheiße

In meiner Nachbarschaft wohnt eine, über die manche sagen: „Die Verrückte.“ Was reden sie über mich? Ich erfahre es nie. Mir fallen aber weitere Beispiele ein, die entsprechend Rückschlüsse zulassen. „Melli ist Psycho“, wurde ich gewarnt, als ich eine Kollegin (im Nebenjob) privat zum Besuch auf dem Jahrmarkt treffen wollte.

„Pass auf!“, hieß das?

„Psycho bin auch ich“, habe ich geantwortet.

Epilog – oder da passt noch, ein quasi Sahnebonbon primitiver Überheblichkeit zu erzählen. Das geht leider nicht, ohne ein weiteres Mal (ich gebe es zu) die Hosen herunter zu lassen. Ich schäme mich nie mehr wegen was und kenne weder Reue noch Empathie, wenn das nicht unbedingt nötig ist.

Vor gut sechs Jahren verbrachte ich einige Wochen in der Psychiatrie in Elmshorn. Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Das war nach Gretas Tod; meine Mutter, ich habe es erwähnt. Ich kenne das schon, ist aber besser geworden. Meine Ausfälle sind furchtbar, ein Teil meines Lebens. Ich war beim Nachbarn übers Dach geklettert und glaubte, von der Mafia verfolgt zu werden. Das soll nicht heißen, ich wäre immer so. Jeder Mensch kann unter außergewöhnlichen Umständen psychotisch erkranken. Wie hoch das Risiko ist und ob auf einen Schub weitere folgen, kann anfangs gar nicht genau vorausgesagt werden. So ist es auch im weiteren Verlauf. Manche Menschen erleben die nicht enden wollende Berg- und Talfahrt ihr Leben lang, oft trotz andauernder Medikation und Therapie, meiner Meinung nach gerade deswegen. Psychiater sind mehrheitlich verplant, nicht selten dumme Ärzte geradezu. Man benötigt viel Glück, trotz ihrer Behandlung gesünder zu werden. Die Hilfe im Notfall ist heutzutage prima, eine langfristige Therapie funktioniert aber nur, wenn der Patient Eigeninitiative mitbringt.

Wer bestimmt über unsere Gesundheit? Die Medikamente wirken bei mir ausgezeichnet hochdosiert. Man kann nicht nach einer Nacht fixiert im Gummizellenraum gehen. Sie glauben dir nicht, wenn du nach drei Stunden (dank genügend Risperdal) vernünftig kommunizierst, dass du nun grundsätzlich vernünftig bist. Ein Beschluss wird aufgehoben, aber:

„Nach Hause dürfen Sie so noch nicht!“

Da verlangt der Arzt, seine Einsicht zu akzeptieren. Der hat diesen Job deswegen. Das gibt ihm die Anerkennung, durch Macht zu glänzen. Die Kollegen der anderen Fakultäten respektieren den Psychiater nicht. Die Gesellschaft verspottet ihn? Der Kranke aber ist ihm ausgeliefert. Es bedeutet eine Zeit lang zähe Verhandlung mit den Weißkitteln, bis man entlassen wird.

Man schlägt Zeit tot.

Einmal trank ich also einen Kaffee dort in der Cafeteria vom Krankenhaus, das auch allgemein ist. Eine kleine Gruppe trutschiger Tanten betrat den Eingang, als eine der Frauen die anderen stoppte.

„Nicht da rüber!“

Die Frau erklärte: „Das da“, meinte sie – und zeigte mit dem Finger auf alle von unserer Station, die wir zufälligerweise in einer Ecke vom Raum zusammen saßen –,

„ist alles Klappse.“

Sie setzten sich zu ihresgleichen.

Solche Menschen lesen die Bildzeitung?

# Ein Blatt davor halten

Resümiert, ein Wort zum Schluss. Der Boulevard, was man allgemein sagt, weitersagt, ist für die Menschen ohne eigenes Profil gerade rechtes Zeug. „Bild dir deine Meinung“, wirbt dieses Portal bekanntlich. Eine eigene Publikation kann sich unabhängig davon profilieren und – wenn das bloß den einsamen Rufer zu geben heißt – es bedeutet, selbst denken zu müssen und natürlich ein individuelles Bild (wie zum Schutz) vor sich selbst hinzustellen. Meine Marke, das ist Hausmarke, Homepage und Home, das Zuhause.

Heimat schaffen können, durch eigenes Drumherum, die Erweiterung des Selbst über den nackten Leib hinaus mit Kleidung, Haus und Familie zu gestalten, ein individuelles Werk; das alles bedeutet Grenzziehung hinbekommen.

Es gibt wohl keine Beziehungen, die, schaut man genauer hin, dem Glück so vollumfänglich entsprechen, wie die wahre und größte Liebe sein könnte. Abendessen im Lieblingsrestaurant, direkt nebenan: Wir sind aus dem Ländle zurück, resümieren, wie es mit Oma weitergehen soll und haben plötzlich Krach wegen genau dieser Website. Eine Wespe fliegt auch noch rum. Dann sticht die mich in den Hals, als meine Frau das Tier fortwedelt, und ich haue vor Schreck mein Bierglas um, quer über den Tisch spritzt ein guter Rest davon über ihre Kleidung. Pavlos gibt mir ein Stück Zwiebel für den Hals. Der junge Mann, noch neu im Laden, sammelt die Scherben auf. Gut, dass es schon spät ist und die meisten Gäste inzwischen gegangen sind. Auf dem Tisch dreht sich das kleine Tier angeschlagen in der Bierpfütze. Ich bin nicht allein hier: Meine liebe Frau Gemahlin nimmt den Bierdeckel daneben und drückt die Wespe tot.

„Wer mir zu nahe kommt, muss sterben“, denke ich.

Pauschal, und weil sich das so gehört, Empathie für sämtliche, alle anderen Menschen und überhaupt Lebewesen vorrätig zu haben, wäre zwingend gleichbedeutend wohl eine Überlastung der sensiblen und jedenfalls eigenen, emotionalen Kapazitäten. Es macht krank. Das ist reine Verschwendung. Es bedeutet Perlen vor die Säue kippen, und es gibt gar keinen Grund, sein Licht unter den Scheffel der Leute zu stellen, die wir gewöhnt sind, als normale zu huldigen. Sie sind nur zufällig gesund. Ich musste mir das erarbeiten. Meine Zuversicht ist das Ergebnis eigener Initiative. Nicht zuletzt meine Malerei und die vielen Texte haben mich gesund gemacht, Vertrauen in die Zukunft ermöglicht. Im Dorf herumzulaufen, mehr freundliche als verstockte Nachbarn zu kennen und diesen Flecken als Heimat zu begreifen, gibt mir das Bewusstsein an die Seite, nun tatsächlich dazuzugehören.

Die Bild lese ich übrigens selbst sehr gern am Sonntagmorgen zum Frühstück. Das kann man wohl zugeben, ohne sich das nicht selten primitive Gedankengut mit anzueignen. Oft trifft zu, was hier provokant plakatiert wird, das auch noch! Es gibt ja kein anderes Blatt mehr am Tag des Herrn. Andere Wochenendzeitungen erscheinen bereits am Sonnabend. Immer mehr Informationen sind ausschließlich online verfügbar, schade. Digitale Ästhetik funktioniert elektrisch. Das ist toll. Man darf aber das Natürliche nicht außer Acht lassen. Als Mensch sind wir eine fleischgewordene Konstruktion, ein intelligentes System, was tatsächlich in der Lage ist, sich selbst zu reparieren, zu heilen. Das ist unsere Natur. Ich male mein Bild händisch, schreibe und zeichne, denke mir meinen Teil. Und das kommt hier freimütig erzählt in euer Netz.

🙂