Zeitmaschine

Ich weiß nicht, wie man mit einem Bild beginnt, kann aber erzählen, wie ich selbst das mache. Es gibt nicht die richtige Methode. Viele Wege führen nach Rom, und einige Herangehensweisen sind denkbar, erfolgreich in eine Malerei zu starten, fertig zu werden, auch das.

Es ist wie mit dem guten Trimm für’s Boot. Es gibt zwei oder drei Alternativen, eine Elb-H-Jolle schnell zu segeln. Man kann die Gaffel ganz dicht am Topp fahren oder doch ein wenig lose, dann müssen aber andere Dinge entsprechend passen. Zu weit abgefiert jedenfalls darf man sie nicht trimmen. Dann ist das Segel zu offen, der Twist zu stark, der Bauch oben zu gering. Man fährt keine Höhe. Nicht zuletzt segelt man das Boot bei verschiedenen Wetterbedingungen und Kursen zum Wind insgesamt mit einer guten oder eben nicht so guten Einstellung. Ein wenig muss der Neuling schon probieren und mal bei den anderen schauen, wie die das machen? Da sind individuelle Vorlieben dabei. Man kann es so oder so hinbekommen. Auf jeden Fall dürfte es eine Million oder mehr Varianten geben, mit denen das Boot leider nicht gut läuft! Um langsam zu sein, bietet uns die Natur unendliche Alternativen an, zum schnellen Segeln nur ein paar.

Malerei, also Kunst und Natur erleben wir in wechselseitiger Beziehung, wie ja überhaupt künstliches Material in die Natur intigriert ist. Beim Segeln ist da etwa das Boot mit seinem Steuermann unterwegs. Das Beispiel mag zunächst weitere Gedanken illustrieren. Ein Mensch, der als natürliches Wesen sein von Menschenhand gebautes Boot durch die Natur segelt und danach trachtet, eine Wettfahrt zu gewinnen: Die Besatzung einer solchen Rennjolle hat eine soziale Regelstruktur zu akzeptieren, die Naturgesetze hinzunehmen, die mit darüber entscheiden, ob man vorn landet oder am Schluss. Was am Bildermachen die Kunst ist, darüber gehen die Ansichten auseinander. Als Maler und Mensch ist man ein natürliches Wesen und so gesehen im Widerpart oder als Nutznießer der Umgebung zwischen einigen Gegebenheiten unterwegs. Deswegen der Vergleich zum Segeln und nicht nur dem einfachen Herumfahren. Ich spreche ja von der Herausforderung, schnell zu sein, verglichen mit anderen.

Ein gutes Bild muss nicht schnell fertig werden, aber jede Malerei ist auch ein Kräftemessen mit dem, was die Welt in dieser Hinsicht bereits gesehen hat. Schnell steuern, gut segeln oder ein schnelles Boot zu konstruieren, überhaupt ein erfolgreiches Produkt erschaffen, also auch ein Gemälde, eine menschliche Leistung zu erbringen und diese in unseren sozialen Strukturen zum Glänzen bringen, bedeutet nicht nur Naturgesetze beachten. Man schaut auf die nötige Schnittigkeit beim Boot, damit es den Wellen wenig Widerstand bietet, steuert dieses mit Augenmaß und respektiert weitere Verbindlichkeiten wie überall im Leben, kontrolliert die Qualität einer Ware, damit sie dem Konsumenten nützt, im Wettbewerb überzeugt.

Man kann sich selbst ein Problem sein und muss es lösen.

Gutes Segeln ist heute Sport. Früher wurden Kriegsschiffe unter Segeln bewegt. Die Motivation der Romane um den fiktiven Seehelden Horatio Hornblower war laut seinem Schöpfer C. S. Forester „der auf sich gestellte Mann“. Selbstständigkeit ist eine typische Voraussetzung beim Herangehen an ein Kunstwerk. Wir reden hier nicht von Schülerarbeiten oder dem Zusammenwirken einer Band, einer Theatercrew, dem Team, sondern über die Einzelleistung in der Kunst und in meinem Fall dem Malen von einem größeren Bild. Das kann zu einer Aufgabe werden, die es in sich hat.

Bei aller Verschiedenheit von Herausforderungen, den unterschiedlichen Qualitäten der Kunst, muss man gewisse Fertigkeiten erlangen, um mit einer größeren Leinwand klarzukommen. Virtuose Musikstücke vor Publikum spielen oder eine Künstlerpersönlichkeit mit großer Individualität zu entwickeln, die eigene ästhetische Sprache draufhaben –, das alles benötigt auch pragmatisches Handwerk. Ein großes Gemälde malt man nicht an einem Tag. Da heißt es, die Kräfte einzuteilen. Ich möchte nicht Haare spalten, was Kunst an sich ist. Wir hatten eine Gastprofessur Eun Nim Ro zur Zeit, als ich studierte. Die Künstlerin beschrieb ihre stunden- oder tagelange mentale Vorbereitung auf eine Arbeit, bei der die eigentliche Ausführung in wenigen Minuten erledigt wäre. Das erklärte sie so: Die Fläche ihres Papieres, das sie mit nur einem einzigen Pinselschwung in ein Kunstwerk verwandelte, war ähnlich dem, was ich so mache heute; also sie tauchte den Pinsel in die Farbe, achtete auf die Atmung, ging in sich, was das werden sollte und donnerte dann drüber – fertig. Damit möchte ich hier in keiner Weise konkurieren, eine Debatte, ob Kunst Tempo benötige oder so.

# Malen nach Zahlen

Ich weiß gar nicht, was richtige Kunst ist und halte so eine Rechthaberei auch für Unfug. Meine Arbeitsweise ist das Ergebnis vieler Jahre voller Beschäftigung mit den eigenen Themen. Da habe ich inzwischen gemerkt, was bei mir besser funktioniert. Meine Website bietet mir genug Schaufensterplatz, die unfertigen Sachen ebenfalls zu zeigen. Während es also mit „Nudisten“ ganz gut voran geht, habe ich jetzt Anfang Januar die ersten Spuren auf einer zweiten Leinwand hinterlassen. Das möchte ich hier gern zeigen. Das Bild wird meinen Vater in seinem Fischauto zum Thema haben, wie er damit am Markt unterwegs ist, und ich bin auch im Wagen als kleiner Junge. Ich arbeite schon sehr lange an dieser Komposition. Nun pause ich einfach.

Schaun wir mal.

🙂