Ein Lösungsansatz
Frohe Weihnachten! – und was mich umtreibt, steht hier. Man schreibt vom Punkt aus, an dem man ist. Was früher war, jetzt gilt, was kommen mag, ist immer wieder ein frisches Thema. Im Dezember schauen wir zurück. Das ist nicht verkehrt. Niemand ist rückwärtsgewandt, bloß weil er sich erinnert. „Wer seine Vergangenheit nicht kennt, hat eine relativ dürre Zukunft“, wusste Otto Ruths, mein lieber alter Professor an der Armgartstraße (wo ich studierte), mir mit auf den Weg zu geben. Ein guter Hinweis. Aphorismen prägen das Denken. Wir gehen damit raus auf die Straße. Sie sind unser Rüstzeug für manches Erleben, dem wehrhaft oder tolerant zu begegnen. „Alles Leben ist Problemlösen“, befand Karl Popper, der alte Philosoph, und schrieb sein letztes Buch.
Ein Problem kommt selten allein, könnte man sagen. Fasst man mehrere Übel zu einem Komplex zusammen, ist das bereits ein Lösungsansatz. Die Bezeichnung Long-Covid etwa bedeutet einen ersten Versuch, Menschen ernst zu nehmen, die nach der pandemischen Erkrankung weiter leiden. Sucht man den Kern einer Problematik, ist man einen Schritt weiter, wenn man nicht sagen muss, es gäbe wohl viele Gründe, sondern Themen zusammenfassen kann und diese als Schwierigkeit insgesamt erkennt. Das bringt die Dinge auf einen Nenner. Man muss aber unterscheiden, eine simple Namensgebung bedeutet noch keinesfalls, die Ursache der Problematik exakt ins Auge zu fassen oder sogar zu kennen. Ein Begriff kann auch darüber hinwegtäuschen, dass man als zuständiger Wortführer eher nicht erklären kann, wie die Sache begründet ist. Fragt man also einen Spezialisten in seiner Not, sollte derjenige keiner sein, der bloß wichtig wirken möchte. Andernfalls ist es besser, weiter nach konstruktiven Lösungen Ausschau zu halten. „Selbst ist der Mann“, könnte in diesem Sinne bedeuten, dass neues Denken die übliche Herangehensweisen bestens ersetzt. Dazu mehr in diesem Aufsatz.
Nur eine Skizze …
Ich schreibe aus berufenem Grund. Es geht um ein so grundsätzliches Problem, dass ich schon vom „Lebensproblem“ reden möchte, nämlich meiner individuellen Schwierigkeit, überhaupt klar zu kommen auf diesem (beschissenen) Planeten. Ich habe ihn mir nicht ausgesucht. Vieleicht nutzt auch anderen aufzudrüseln, wozu ich mich gezwungen sah, drüber nachzudenken? Etwas wie heute – und quasi im Hier und Jetzt – nacherleben wollte ich, meine Vergangenheit nämlich, um endlich zu verstehen.
# Die Regatta des Lebens
„Die Regatta des Lebens“ sollte mein Buch heißen, das ich vor einiger Zeit überlegte, irgendwann zu schreiben. Dazu ist es nie gekommen. Aber ein guter Titel: Es gibt immerhin eine Kapitelüberschrift im Text. Ein wenig von früher möchte ich schon erzählen. Kunst ist das Ergebnis einer neuen Kombination aus gesammelten Ideen. Ein Künstler verbindet Gedanken aus seiner Perspektive, eine durch und durch subjektive Angelegenheit also, und mit der Veröffentlichung wird eine sehr persönliche These draus. Ob dafür ein Gemälde, Zeichnung, Text oder eine andere Darreichungsform gewählt werden, spielt weniger eine Rolle. Was eine kreative Lautmeldung tatsächlich bedeutet, ist meiner Meinung nach weniger dekorativ, kommerziell, sondern ein sensibles Insichgehen und wieder Rausklettern. Dabei kommen Fundstücke mit. Das bringt man zu Papier. Oder auf die Leinwand eben. Es darf konsumiert werden. Das ist aber nicht die Hauptsache, man macht es für sich selbst, will Klarheit. Die Sachen lassen einen nicht mehr los, bis sie ihre endgültige, flüssige Form haben und wie eine mathematische Formel einsatzbereit sind, immer wieder durchgegangen werden können. Das Ergebnis ist ein Handwerkszeug. Man hat den jeweiligen Entwicklungszustand des eigenen Selbst im Moment seiner Gültigkeit eingefangen wie einen Fisch in den Tiefen vom Ozean, um diesen genüsslich zuzubereiten wie Miraculix den Zaubertrank, und diese Suppe macht scheinbar unbesiegbar.
Ich bin in maritimer Umgebung groß geworden. Meine Großväter waren Kapitäne, meine Eltern seglten mit uns Kindern auf der Elbe und in Dänemark. Das prägt. Bald begann ich selbst, mit anderen eigene Kurse zu schippern. Es bedeutete, in einen neuen Lebensabschnitt durchzustarten und das Ende der Kindheit. Als B. und ich anfingen, mit seiner Jolle „Lütt Seeman“ zu segeln, war das (bevor seine Eltern ertranken) erst einmal eine schöne Zeit. Er hatte das Boot vom Bekannten gekauft. Das ist auch ein lebenslanger Freund meiner Eltern gewesen und ein ausgezeichneter Segler, der sich zukünftig auf sein behäbiges Dickschiff beschränken würde. Wir wollten von ihm noch den einen oder anderen Kniff lernen auf einer Rund-Pagen-Wettfahrt. Mein frischgebackener Kapitän und ich planten, die Regatta an der Vorschot mitzusegeln, und zwar mit dem langjährigen Vorbesitzer ein letztes Mal selbst an der Pinne. Leider wurde nichts draus.
Der „Legendäre“ takelte mit uns jungen Leuten das Boot im Schulauer Hafen auf. Das Wetter war ausgesprochen schlecht. Ein Kuhsturm wehte aus West! Wir refften. Mit dem für dieses extreme Wetter gut eingestellten Boot ging es raus auf die Elbe. Das Ziel lag eine Meile westlich. Der Start der Regatta war in der Peilung der Dreiecke vor dem Hamburger Yachthafen. Schon die ersten Wellen auf dem stürmischen Fluss machten klar, was uns erwarten würde. Ich war dritter Mann. Mein Platz bedeutete, ganz vorn an Deck zu sitzen und mit einer Hand am Want sozusagen die überkommenden Wellen zu brechen! Jede zweite klatschte mir voll drüber, und das Elbwasser spülte rein ins gelbe Ölzeug, lief schnell innen runter bis ganz unten. Es drang durch sämtliche Schutzschichten. Ich war klatschnass schon querab vom Tonnenhafen, den wir nach einigen Kreuzschlägen passierten. Das bedeutete bloß die halbe Strecke bis zum Hamburger Yachthafen. Zum Pagen würde noch ein Vielfaches zu segeln sein. Außerdem wird solcher West- oder Nordwestwind bei uns an der Elbe mit jeder Biegung härter. Stürmische Aussichten, aber unser erfahrener Steuermann beherrschte sein Metier. Wir fühlten uns sicher und folgten dem Kommando gern. Dann begriffen wir drei, dass es erst einmal gar nicht losgehen würde, unterbrachen die Fahrt noch vor dem zur angesetzten Zeit anvisierten Startversuch. Als wir uns dem Hamburger Yachthafen näherten – bereits gut eingespielt in die Manöver und geübt darin, riesige Wellenberge mit unserem winzigen Bötchen abzuklettern, drauf zu wenden, runterzusausen oder spritzend durchzutauchen – sahen wir die Hinweise.
Eine Flaggenkombination wehte an Land anstelle der üblichen Signale: „Kommen Sie in Rufweite“ oder Ähnliches war dort zu sehen und jedenfalls der Wimpel „Startverschiebung“ beorderte alle Teilnehmer, sich zunächst mit der Wettfahrtleitung zu besprechen. Dafür galt es, hier nochmals anzulegen. Wir schossen mit Gischtfontänen seitlich vom Rumpf durch die Hafeneinfahrt, glitschten mit halben Wind wie ein echtes Schnellboot daher und machten nach Luv hin vorn am Schlengel fest. Der Hafen gab etwas Schutz. Wir ließen wohl das Großsegel stehen? Es machte sich vergleichsweise ruhig, weil es ja durchgelattet ist und gerefft auch kleiner als gewöhnlich. Wir rollten die Fock ein. So genau weiß ich es nicht mehr. Dann gingen wir erst einmal hoch an Land in Richtung der Wiese am Walknochen, wo einige Segler die Lage diskutierten. Alle standen im bunten Ölzeug geschützt mit ihren Kaputzen oder Südwestern auf dem Kopf herum. Sie machten ernste Gesichter. Der Wind orgelte in den Riggen. Der Himmel war grau. Regen schüttete immer wieder rein, dann lockerte es ein wenig auf bis zum nächsten Schauer mit heftigen Böen.
Es war das Jahr mit meinem Realschulabschluss, glaube ich. Das wäre dann 1981 gewesen. Es könnte auch ein Jahr früher im Herbst mit uns begonnen haben, dass wir zusammen segelten. Ich war also etwa sechzehn und B. bereits achtzehn Jahre alt. Er hatte den Führerschein gemacht, war Malergeselle im elterlichen Betrieb, und ich sah mich auf dem Weg, am Steinhauerdamm zwei Jahre Schule dranzuhängen für ein Fachabitur. Vor diesem Hintergrund fanden wir uns zusammen, eine Jolle gemeinsam zu segeln und sollten hier heute eine gute Einweisung bekommen. Aber wie gesagt, klappte die Sache nicht. Man startete die Wettfahrt ohne uns Jollen – wegen Wind.
Das soll keine Autobiografie werden, dieser Text, kommt aber nicht aus ohne intime Einblicke. Die Erkenntnis am Ende ist, spontanes Verhalten bringt den Menschen voran, zwanghaftes wirft ihn zurück. Der problematische Hintergrund ist also, dass ein zwanghaft Handelnder gar nicht weiß, dass seine Aktivität Tag für Tag unter Druck geschieht, während ein selbstbewusster Mensch sehr wohl registriert, dass ein Gefühlsausbruch ihm womöglich Ärger einbringt, er sich selbst aber dergleichen zugesteht als nötige Lebensanpassung. Insofern probiert ein gewohnheitsmäßig unter Zwang Reagierender nicht aus, was geht, arbeitet sich reflexartig am Geschehen ab (auf stereotypische Weise). Der Antrieb in beiden Fällen ist zum einen Angst und andererseits der Versuch, Wohlbefinden zu erreichen. Das Ergebnis ist jedoch verschieden. Die zwanghafte Lebensanpassung erreicht das angestrebte Ziel weit weniger gut als die spontane Einstellung zum Gegebenen. Ein zwanghaft guter Mensch mag zudem auf Lob von oben warten, eine Anerkennung, sei es vom Chef, vom Partner, vom Herrn im Himmel und müsste wohl ein ums andere Mal ausblenden, dass dies keine Erfolg versprechende Haltung ist. Die Belohnung, das Geliebtwerden für’s Gutsein bleiben ja leider oft aus. Auch kümmert sich die Umgebung (oder ein Gott) nicht drum, böse Menschen, die uns Leid zufügten, abzustrafen oder solche aus dem Verkehr zu ziehen.
Gerechtigkeit ist nicht von selbst gegeben. Es bedarf mancher Initiative und persönlichen Einsatz, um die Dinge in diesem Sinne zu ordnen, die Einhaltung sozialer Regeln einzufordern und nicht selten Mut. „Rechte hat, wer sich traut, für sie einzutreten“, heißt es und ist nicht nur der Leitspruch jeder Kanzlei, sondern eine Wahrheit. Damit wird auch manche Glaubenslogik in den Bereich des Wunschdenkens verbannt. „Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat“, wurde etwa mir zur Konfirmation mitgegeben. Das sind hohle Worte eines Vereins Kirche, Mitglieder an das System zu binden und in der Praxis wertlos. Ich denke, der Alte hat seinen Telefonapparat ausgeschaltet, ist unerreichbar, wenn man nicht weiter weiß im Leben. Beten bedeutet eine mentale Kraftanstrengung. Das meint, sich den Blödsinn einzureden, erfolgreich an den eigenen Haaren wo rausziehen zu können. Man glaubt, zu besonderer Kommunikation berufen zu sein. Das heißt anzunehmen durchs Einschleimen beim Herrn, den milde stimmen zu können, er möge für kurz mal die allgemeinen Naturgesetze abschalten. „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott“, sagt uns ein anderer Rat, und das ist ein guter. Wir sind jeder als ein Teil der Welt nicht weniger Gottes Sohn als der Herr Jesus, dessen größte Leistung darin bestand, dies für sich zu erkennen, und uns zu lehren, dass wir alle „ein Fleisch sind“ und somit bereit, zu fühlen wie die anderen.
Mit dem Zwang verhält es sich so, dass man deswegen Alternativen nicht bemerken kann und viele bessere Handlungsweisen ignoriert. Angst und Zwang bilden ein symbiotisches Gespann, es sei denn, ein Lebewesen wird sich seiner selbst bewusst. Dann bleibt die Angst als unerlässliches Gefühl zwar nach, aber nun behält das System die Oberhand vielfältiger Lösungsansätze und wird sich unter Umständen blitzschnell entscheiden. Das Ergebnis dürfte in jedem Fall einen Schritt vorwärts bedeuten. Der spontane Reflex unterscheidet sich vom zwanghaften darin, dass die Folge fast unweigerlich eine positive Entwicklung nach sich zieht, während eine unter Druck rausgepresste Handlung durchaus weitere, nachteilige Reaktionen einleitet, falls hier etwas eskalierte. Man darf fühlen und dazu stehen, das auszuleben. Der Wunsch nach einem Leben ohne Konflikte kann in eine totale Sackgasse führen. Es ist der bessere Lebensansatz, empfindsam zu reagieren, dazu zu stehen, was das zukünftig bedeutet. Mit einer weiteren Episode unserer Bootfahrten lässt sich das Thema näher beschreiben, und ich möchte deutlich machen, worauf es ankommt.
Wir hatten wohl mindestens ein gutes Jahr zusammen mit „Lütt Seeman“, bis die Eltern von meinem Freund im kalten Wasser der österlichen Nordsee treibend erfroren und alles anders wurde. Wir fingen begeistert von allem an, es endlich selbst auszuprobieren. Der erste gemeinsame Sommer mit dem kleinen Boot bedeutete ein typisches Abenteuer der Elbsegelei, recht harmlos, verglichen mit mancher Expedition, wie man es heute aus Videos kennt, die große Herausforderungen thematisieren. Wir hatten zwei Wochen Zeit eingeplant. Das erträumte Ziel hieß Neuwerk. Ich weiß nun gar nicht mehr, ob das noch klappte? Ich bin oft auf der Insel gewesen. Genau erinnere ich, dass wir tagelang in Cuxhaven eingeweht lagen und jedenfalls nicht rüberkamen. Es schüttete und stürmte. Unser Persenning leckte. Wir spazierten wiederholt durch ein scheinbar ödes Städtchen, gingen ins örtliche Kino, retteten kleine Optimisten, die des Nachts Wind fingen, reihenweise in den Hafen klappten. Da trieben sie ab in Richtung Modellbaubecken, und wir holten sie zurück. An Bord der Tropfsteinhöhle war an Schlaf nicht zu denken. Alles war nass. Wir saßen einsam im Treppenhaus vom Club. Da war es trocken. Helle Neonlichter machten das Schlafen unmöglich. Wir kochten Dosengerichte. Als junge und unerfahrene Neulinge bekamen wir’s nicht besser hin.
Das will ich eigentlich schreiben, davon erzählen, während dieser Zeit begannen wir, uns für ein Mädchen zu interessieren. Sie lief über die Schlengel, fiel uns auf, eine hübsche Fremde, so alt wie wir selbst ungefähr. Wir fanden heraus, die Eltern segelten einen kleinen Spitzgatter. Das Schiff lag nicht weit entfernt. Es waren Leute aus Hamburg oder Wedel, im Urlaub unterwegs, die genau wie wir das unmögliche Wetter akzeptierten, indem sie für einige Tage liegen blieben. Heute ist K. eine Bekanntschaft gelegentlicher Treffen und eine Freundin im Austausch mancher Gedanken, damals sahen wir sie das erste Mal. Sie müsste also etwa mein Jahrgang sein, und noch ein wenig schüchtern ist sie mitgefahren bei ihren Eltern an Bord, Teil der Besatzung gewesen. Ein Familienurlaub auf der Elbe, wie es üblich war. Wir Eingewehten begannen bald, mit den Alten zu fachsimpeln, was die Wetterlage betraf, interessierten uns aber in Wirklichkeit für ihre Tochter, sie wie nebenbei kennenzulernen. Tatsächlich ist sie in Wedel aufgewachsen. Wir sind uns später noch einige Male begegnet. Ich wüsste ein paar Sachen zu erzählen. Zunächst war die junge Frau an der Grenze zum Erwachsenwerden wie wir selbst eine Entdeckung in Cuxhaven.
B. und ich machten lange Spaziergänge, etwa zur Kugelbake oder den Deich nach Dunen raus liefen wir, schauten über das Watt westwärts nach Neuwerk rüber und diskutierten, wie wir sie fanden. Das Mädchen war hübsch, aber mit einer Besonderheit, die wir nicht verstanden. Sie hatte ein süßes Teeniegesicht, würde ich heute sagen. Dunkle, lange Haare, vielleicht mit Zopf, so genau erinnere ich es nicht mehr. K. kniff damals immer wieder einseitig schräg das Gesicht zusammen, dass es schon auffiel, sollte das ein Lächeln darstellen? Dazu müsste ich sagen, bei mir ist es genau dieses Übel, was ich bis heute in auch meinem Gesicht begreife. Wie das passiert, ich ziehe einseitig den Mund zum Grinsen! Das geschieht mir seit der Kindheit. Damals bemerkte ich es nie, bis mich jemand drauf ansprach. Ich wollte es aber nicht wahrhaben, als Jugendlicher war’s unangenehm, das zu hören. Es half ja nichts.
Ich finde wichtig, diese Angewohnheit genau abzubilden. Ähnliches machen viele und wissen womöglich nicht, dass sie’s tun. Dieses fremde, eigentlich attraktive Mädchen war betroffen, sich alle Augenblick zu verwinden, nicht schlimm, aber ein Zwang, als müsste grad’ geblinzelt werden oder eine altkluge Grimasse wäre gefragt. Sie wurde nicht hübscher dadurch, fanden B. und ich. Aber es war interessant, drüber zu reden über diese einzige weibliche Person in unserem Alter an diesem verwehten Platz.
Eine Art unbewusster Krampf, das gewünschte Gesicht, einen nötigen Ausdruck hinzubekommen? Das ist nicht Offenheit, sondern eher der Versuch einer Anpassung. Jemand nimmt an, die Verrenkung gäbe den günstigsten Ausdruck her für eine Situation, der man eher nicht so ganz gewachsen ist. Nur eine Einschätzung und ohne medizinisch fachlichen Hintergrund? Mir ist daraus ein gutes Werkzeug geworden, mich selbst ein wenig besser zu verstehen.
Das möchte ich mal ausführen.
# Ganz und gar
Unsere moderne Medizin erlebt eine inzüchtige und degenerative Blödheit, sich selbst auszubremsen. Der Arzt behandelt stumpf nach Schema, wie im Studium gelernt, läuft er blind der Pharmazie hinterher. Die etablierte Medizin könnte kreativer weiterdenken und erstickt aber am System selbst, das auf Symptome zu schauen gewohnt ist. Man nimmt Diagnosen wichtiger als den Menschen im Ganzen. Nur allmählich wird bei der Behandlung psychischer Erkrankungen begriffen, wie wichtig es ist, Körperliches nicht außer Acht zu lassen. Geht man der Grundproblematik aller, früher noch Geisteskrankheiten genannten, psychischen Störungen nach, sind die sozialen Verbindungen der Patienten schwierig. Probleme bereiten ihnen ihre Beziehungen, die Anpassung an eine bestehende, von Menschen strukturierte Umgebung. In die Gesellschaft mit ihren bekannten Regeln können sie sich nicht ohne weiteres einfügen. Unsere Normen werden manchen Menschen zu Mauern, gegen die sie anrennen. Offene Türen nicht als solche zu erkennen, ist wohl in erster Linie Dummheit. Ein dummer Mensch mag sich vom kranken darin unterscheiden, dass er nicht anders kann, aber nichtsdestotrotz machen psychisch Kranke dumme Sachen. Wo nun die typische Therapie im Trostspenden ihre Wurzeln hat, mag man den Säufer zum Alkoholkranken umbenennen und den im Volksmund sogenannten „Bekloppten“ mit einer tollen Diagnose blenden, es bringt uns kaum voran. Die Fehler, die wir Psychos machen, werden unsere Angewohnheit bleiben, wenn uns die medizinischen Wirkstoffe, die uns verabreicht werden, benebeln. Um die Erkrankten vor sich selbst zu schützen, verabreicht der Psychiater seine Pillen, und im Notfall einer Eskalation sind dies Geländer für ein entgleistes Gehirn. Es ist eine großartige Methode, zurück in die Spur zu finden. Gehen wir aber vom Alltag aus, könnte dieser für uns alle besser laufen mit weniger Zwang, die Dinge auf nur eine bestimmte Weise zu tun. Wenn schon viele nicht einmal über das eigene Gesicht frei verfügen, könnte, ihnen das beizubringen, der bessere Ansatz sein und helfen, Probleme zu lösen?
Ich glaube das.
# Fassade als Maske
Jungen Menschen eine überzogene Erwartungshaltung beizupulen, geschieht ihnen immer wieder von Eltern, Lehrern oder sonst welchen Personen, die Einfluss haben in einer Zeit, wo die Anpassung an die anderen von Abhängigkeit geprägt ist, die nicht mal eben geändert werden kann. Dem gegenüber wird ein System Lösungsansätze entwickeln. Als solches begreift sich jeder Organismus, der eine Außengrenze erkennt und innere Struktur, die beeinflusst werden kann wie der Weg durch den Raum, den man nimmt. Diese Anpassungen machen Sinn innerhalb der Rahmung zu ihrer Zeit, können aber falsch sein mit dem Eintritt in das selbstbestimmte Leben anschließend der Adoleszenz. Um die inneren Vorgänge zu kontrollieren wie den täglichen Weg, nutzt ein Lebewesen seine Muskulatur. Es gibt keinen Geist oder eine irgendwie geartete Seele, die mehr ist als eine Definition, damit wir darüber reden können. Das ist intellektueller Spielkram, verglichen mit dem Ernst des Leides, das einer erfährt, dem man sagt, eine seelische Erkrankung soundso habe er. Das Leid betrifft ihn als ganzen Menschen. Der Grund seiner Probleme sind die Fehler seiner Anpassung. Und an den Ort seiner Kümmernisse bugsiert sich einer mit dem gesamten Wesen, das er ist. Es würde also höchste Zeit einzusehen, dass grundsätzliche Besserung nur gegeben ist, wenn Helfer ihre Patienten vollständig respektierten. Das finge schon an mit der Frage, ob sie Patienten, also krank sind sowieso – oder als Menschen gelten dürfen, die zur Zeit erkrankt sind? Dann hätten sie ein Anrecht darauf, insgesamt gesehen zu werden. Als psychisch kranker Patient stigmatisiert sie der Arzt aus Gewohnheit, dass man diese Leute eben begleitet, weil man es so macht und manchmal ein Leben lang. Selbst viele Fachleute fassen die Möglichkeit, dass jemand insgesamt gesundet, gar nicht ins Auge. Man geht einen gemeinsamen Trott und nennt es Therapie. Damit wird eine Abhängigkeit geschaffen, die einer Weiterführung oder Wiederaufnahme der Verhältnisse mancher absurden Erziehung bedeutet. Der auf seine Eltern fixierte Mensch kommt mit Ach und Krach in den Beruf, probiert, auch dort zu gehorchen, folgt dem Chef, scheitert – und folgt anschließend seinem Psychiater. Das ist so selten nicht.
Meine Bekannte, die ich übrigens schon jahrelang nicht mehr gesehen habe, hat anfangs in Italien gelebt. Wir trafen uns zufällig, als für sie absehbar wurde, bald wieder ganz in Deutschland zu wohnen. Zu der Zeit konnten wir schon als junge Erwachsene gelten. Ich vermag das jetzt gar nicht genau einzuordnen. Möglicherweise bin ich im Studium gewesen, als wir unsere längere Aussprache hatten, die aufwühlte, uns beiden gut tat, weil wir Schwierigkeiten begriffen, die Menschen haben, ihren Platz zu finden. Es ist lange her. Es dürfte Anfang der Neunziger gewesen sein. K. erzählte mir, sie wäre als Kind im Rahmen einer Freikirche aufgewachsen, zu der ihre Eltern sich bekannten, und die regelmäßige Predigt habe sie – aus heutiger Sicht, sagte sie mir damals – extrem beeinflusst. Dort war ihnen gesagt worden, dass für jeden Menschen ein besonderer Partner bestimmt sei, ein Mensch, der auch irgendwo auf der Erde zur selben Zeit lebte, und nur ganz genau den müsse man finden, da jede andere Bindung scheitern würde als nicht gottgewolltes Fehlgehen. „O weh“, habe ich gedacht, ohne zu begreifen, dass es mir ja nicht viel anders ging. Es ist ein typisches Übel, an eine ganz besondere Liebe zu glauben, die geschehen müsse und deswegen braucht es keine bessere Sekte, die’s uns noch extra eintrichtert. Es zeitigt eine Macke der Zivilisation insgesamt und auch das bedeutet, eine überzogene Erwartungshaltung zu pflegen, der man gerecht werden möchte. Ich weiß nicht, wie das bei ihr weiterging mit ihrem Leben. Wir haben uns aus den Augen verloren. Ich erinnere, ihre Züge hatten sich entspannt. Sie war schon sehr hübsch geworden als junge Frau. Das zeigt wohl, worauf es ankommt beim: „Erkenne dich selbst“. Jedenfalls gehört Befreiung vom Ballast mancher Überzeugungen dazu.
Es hat ein wenig gedauert, sich zu mancher Erkenntnis durchzuringen, die Dinge heute anders einzuordnen. Eine geänderte Anpassung bedeutet neue Reibungspunkte. Man muss einigen Ansichten, denen viele auch heutzutage folgen, weil sie etablierte Denkweisen sind, nun widersprechen. Es heißt, einige Fehler einzusehen. Die hinzugewonnene Stärke sollte besser im geschärften Profil erkennbar werden. Recht haben wollende Menschen nerven. Ich glaube, wie gesagt, nicht an das Vorhandensein einer Seele und schon gar nicht, dass jemand ganz Bestimmtes auf uns wartet. Meine Macke hat aber gerade darin bestanden, bestimmte Verhältnisse unbewusst schaffen zu wollen. Das kommt dem gleich, nach einer ganz besonderen Frau, die alle Bedingungen erfüllt, zu suchen. Ich wurde krank: Wenn diese Sache zu einem Zwang geworden ist, den man nicht begreifen kann, nützt keine Pille, kein therapeutisches Wirken, falls dem Psychiater nicht gelingt, dieses Problem im Detail nicht nur herauszuarbeiten, sondern eine Lösung bereitzuhalten, mit der es pragmatisch abgestellt wird. Das musste ich allein lernen. Daraus folgt entsprechend Kritik am System und einige Beschreibungen.
# Etikettenschwindel
Die bipolare Störung nannte man früher manisch-depressiv. Das zeigt ein weiteres Mal, wie viel Wert darauf gelegt wird, alles mögliche umzubenennen. Es geht dieser Medizin nicht um den erkrankten Menschen. Man hat so seine Wirkstoffe, und gut ist. Den Fachleuten ist das Fach wichtiger, in das sie jemanden stecken. Dem Kern des Problems auf den Grund zu gehen, das Übel an der Wurzel packen, und diesen Zugriff so hinzubekommen, dass es auch zukünftig klappt im eventuellen Wiederholungsfall, sollte unser Ziel sein. Meiner Erfahrung nach ist die Psychiatrie aber nicht daran interessiert, ihre Patienten mit dafür nötigen Fähigkeiten ins Leben zu entlassen. Man hat resigniert, und die Gesellschaft unterstützt diese Haltung noch. Ein psychisch kranker Mensch wird doppelt alleingelassen. So beginnt auch diese Erkrankung. Junge Menschen suchen ihren Weg. Das gelingt mal so, mal so. Die Probleme späterer Erkrankungen sind bereits in der Jugend angelegt. Wie gut Integration gelingt, ist die Schwierigkeit des Individuums. Wir folgen unseren Bedürfnissen und unsere Ziele sind geprägt von der Erwartung, was um uns herum zu haben ist, wo der Weg sein könnte, und diese Annahmen müssten wir regelmäßig abgleichen mit dem, was wirklich da ist.
In meinem Fall, kann ich sagen, passte ich mich anfangs perfekt an die Bedingungen im Elternhaus an. Ich entwickelte individuelle Angewohnheiten entsprechend meiner Erwartung, der speziellen Umgebung bestens zu genügen. Ich mochte die besondern Essen der Älteren. Ich schwärmte bereits als kleines Kind von Matjes wie sie. Ich aß Steckrüben, Rosenkohl, Thunfisch, Karpfen. Ich begann, Schiffe „schräg von vorn“ zu zeichnen, nachdem mein Vater mir beibrachte, wie das ging. Damit wollte ich punkten und tatsächlich, als ich in den Kindergarten kam, glänzte ich bereits mit meinem unübersehbaren Talent. Die anderen Kinder reagierten sauer, weil ich von den Erzieherinnen gelobt wurde. Meine Lösung bestand eben darin, eine Kopie der Erwachsenen, meiner Eltern besonders nachzubilden – mit später fatalen Folgen. Das zunächst lange unbemerkte Problem entwickelte sich aus der für mich nicht beherrschbaren Dynamik jeden Lebens, die unweigerlich sämtliche umgebenden Bedingungen und auch die eigenen Ansprüche relativ zum Ganzen ändert. Ich kam nicht klar (allerdings ohne die Auswirkungen zu verinnerlichen), weil das Tempo wie aufdiktiert rüberkam, und das geschah, weil ich, fixiert auf meine Eltern, deren Erklärungen übernahm. Eine Angewohnheit, die mal perfekt zu sein schien, sich aber schnell überholte. Das war ja in den ersten Jahren bestens gegangen, alles gut zu finden, wie meine Eltern vieles behaupteten, den Jazz, das Segeln, ihre Ansichten überhaupt. Ich goutierte ihre Meinung, wo immer das ging und passte mich auch in der Schule an die dortigen Autoritäten auf ähnliche Weise an. So war ich nicht bereit zu begreifen, dass die Umgebung ihre Meinung ändert, die Anforderungen unerwartete Wendungen nehmen.
Bald veränderte sich alles Gewohnte, und meine Schwierigkeiten wurden glattgebügelt. Ich lernte, mich selbst zu übergehen, wie viele das machen, die auf eine Weise glauben, gehorchen zu müssen. Man selbst wächst. Kinder werden älter. Die Erzieher ändern sich ebenfalls, die Umgebung wandelt sich täglich überall. Wir eröffneten ein Ladengeschäft. Meine Schwester kam hinzu. Ein größeres Boot ersetzte das bekannte. Unser Haus rissen meine Eltern ab. Wir bauten neu. Jetzt waren wir doppelt Unternehmer. Eine Erwartungshaltung trieb alle an, die ganze Familie musste rauf, nach oben. Der so befohlene Leistungsdruck verlangte scheinbar, ich müsste ein Gymnasium bewältigen, was mir schon zu Beginn nicht gelang. Ich blieb sitzen, fing neu an auf der Realschule. Das wurde als erfolgreiches Experiment gesehen, einen zwar missglückten Versuch doch wenigstens nicht ausgelassen zu haben zu seiner Zeit. Traumatisch ist einiges prägend in mein Fleisch und Blut eingeschrieben worden und damit sehr wohl Teil meines ganzen Selbst.
Das sei dem Arzt gesagt, man kann einen Geist nicht kränken, wenn es keinen gibt und sollte nicht probieren, an einer Seele herumzuklempnern, wenn diese fiktiv nur ein Gebrauchsgut der Sprache ist und nicht mehr. Wir platzieren Begriffe, halten uns dran fest; wie Griffe nehmen wir solche Wortschöpfungen und müssen zwingend abstürzen. Wer bricht sich denn die Flügel? Den Schaden erleidet doppelt der Patient. Der um Hilfe zu geben Aufgesuchte stürzt den Idioten vom Felsen nach der Methode: „Nehmen Sie die rosa Pille“ – und ab dafür. „Das klappt schon“, sagt so einer, wie bereits die Eltern manches sagten. „Du schaffst das“, und wieder ist man der Dumme. Wir Patienten sind gehalten, uns mit einer Rüstung zu bekleiden, das sagte mir ein Arzt tatsächlich, sei die verschriebene Pharma, und ich denke heute, inzwischen klüger geworden, angelehnt an das Beispiel oben, lasse mir von ihm einen Eimer über den Kopf stülpen.
Dann sagt der Doktor: „Springen Sie!“
Und ich falle wieder auf die Schnauze.
Als einen blöden Köter sieht uns die Gesellschaft, tritt täglich zu, kann uns mit Wurst ködern. So lassen wir Psychos uns verarschen. Wie meine spezielle Erkrankung aktuell benannt wird, finde ich also weit weniger wichtig, als ihre Ursache zu kennen. Nicht bipolar zu sein, sondern schizophren, aus einem Formenkreis die soundso Psychose durchlebt zu haben, mag den Ort einer Ablage bedeuten, einen Ordner in der Akte vom Arzt. Wem ist das wichtig, sollte man fragen dürfen? Je nach Ausbildung oder Vorliebe wird der Arzt, der diese Zuordnung vornimmt, behandeln. Den Grund meiner Probleme findet er weit weniger wichtig, mit mir zu erörtern. Das habe ich erlebt. Der Psychiater gibt sich praktisch: „Wir wollen sehen, dass Sie nicht wieder krank werden. Zwischen den Schüben sind Sie gesund. Da können Sie an sich arbeiten. Das Medikament hilft Ihnen dabei.“ Lang ist’s her, das gehört zu haben! Und ich glaubte dran. Ich halte dagegen heute, klüger geworden und alt (meine Lebenszeit ging drauf dabei), dass es nie funktioniert hat, dass ich weiter erkrankte und eine Ursache zu ergründen, mich weiter die ganze Zeit beschäftigte. Daraus lässt sich sehr wohl eine Strategie entwickeln, auch wenn ein sogenannter Verhaltenstherapeut von der Vergangenheit nicht allzu viel wissen möchte. Watzlawick etwa spottet drüber mit dem Witz vom Betrunkenen, der seinen Schlüssel nachts unter einer Laterne sucht und dem herbeieilenden Polizisten, der mithilft zu suchen, nebenbei gesteht, verloren habe er das Teil aber „dahinten.“ Dort sei es ihm jedoch „zu finster.“ Humor ist nicht schlecht. Der Betrunkene, das soll ich sein? Man gibt mir Medikamente, bedüselt mich, und lacht mich aus, leitet mich an „zum Unglücklichsein“, macht sich lustig über Kollegen, die nach der falschen Methode behandeln, gibt schließlich noch der „Antipsychiatrie“ mit auf den Weg, sie sei ja „nicht weit gekommen“ und landet einen Bestseller. Ich habe das gelesen. Ein gutes Buch.
Drüber stehen.
Ich kann dem Ganzen (heute) mit einer natürlichen und vor allem praktischen Handhabe begegnen, die gerade nicht behindert, verblödet, fett macht, stigmatisiert, ausgrenzt, abhängig vom Arzt, von der Versorgungslage in den Apotheken, die Gesundung letztlich verhindert und alles verewigt. Jeden Tag eine Art Betäubungsmittel einzuwerfen, kann in meinen Augen nicht in Ordnung sein. Damit möchte man etwas vermeiden, das gerade aus diesem Grund noch mächtiger seinen Weg sucht und sich mit einem Rückfall manifestieren wird. Das ist die bittere Erfahrung. Das musste ich mehrfach erleben. Es hat mir eine Geschichte eingebracht. Die haut man mir heute ein ums andere Mal um die Ohren.
Es klappte immer weniger gut, die Erwachsenen nachzumachen. Meine Bemühungen, das Elternhaus mit seinem Drum und Dran in der Gegenwart mit mir darin nachzubauen, scheiterten. Das zu erkennen, mag heute leicht sein und die Lösungen, die ich für mich fand, aus einem Schlamassel rauszukommen, sind hier nur skizziert. Es nützt nicht, vom kranken Geist zu sprechen, wenn das nur ein Wort bedeutet. Begriffe werden nicht krank, sondern der ganze Mensch. Das ist das eine und ein Arzt, zu dem man gezwungen ist zu gehen, der diesen grundsätzlichen theoretischen Fehler, seines Ansatzes zu Helfen, ignoriert, verschiebt die Lösung des Problems – und es ist ja vordringlich meines – in eine ferne Zukunft. Zorn ist programmiert.
Das langsame Helfen wäre noch insofern nachvollziehbar, weil eine Abkürzung im Heilungsprozess zum Rückfall führen könnte. Es wird aber zum Teufelskreis, wenn bloß dies und nichts anderes, diese Erfahrung hinter der Methode der Fachleute steht: Man weiß von anderen, was passieren kann, aber man weiß eben nicht, was eigentlich zu tun wäre. Wer seine Medikamente absetzt, oder bei zu niedriger Dosierung ist ein Patient gefährdet; Rückfälle sind wahrscheinlich. Das ist bekannt. Die Psychiatrie hat ihre Lösung. Man benebelt. Das ist alles. Wer nichts merkt, ist brav. Je klarer die Sicht, desto wahrscheinlicher ist die neue Episode der Krankheit. Der Patient gilt als eben vulnerabel. Das zu behaupten, darin besteht diese ganze Medizin. Ansonsten plaudert der Doktor regelmäßig und hört zu. Zuhören ist sonst nicht gerade eine Stärke unserer Umgebung. Der Arzt hat gelernt, so zu tun, als könne er das, und das tut gut.
Ich gebe es zu.
Die erst nach einigen Jahren unseres Hierseins sich entwickelnde Sexualität ins jugendliche Ich zu integrieren, kann nur in flexibler Anpassung an die Gegebenheiten gelingen. Ein junger Mensch muss sich seine Vorstellungen erst erarbeiten, was geht und was nicht. Darin bestehen ja auch die Probleme der fremden Männer, die als Migranten bei uns ohnehin reichliche Anpassungsschwierigkeiten haben. Menschen, die, weil sie mit der Umgebung fremdeln, seltsame Ansätze ausprobieren, sind nicht per se krank. Sich mit der Gesellschaft im Konflikt wiederzufinden, ist nicht angenehm. Ein Jugendlicher glaubt zu tun, wie’s von den Eltern vorgelebt wurde plus seiner eigenen Interpretation, und da beginnt sein Lernfeld. Der Faktor Zeit, also sein Vergleichen mit den anderen, wie die das so machen mit den Frauen (ich schreibe als Mann) spielt eine Rolle. Ein System wird von den Integrierten bestimmt, die sich mit Gesetzen profilieren. Mit Eifer preschen die Begreifenden vor. Sie fordern.
Menschen, die neue Regeln möchten, sind typisch deutsch.
Übergriffige Situationen irritieren und machen Angst. Je mehr die Gesellschaft – nun selbst insgesamt neurotisch geworden – versucht, alles zu regeln, was nicht sein darf, desto mehr verschärft man Probleme. Überreaktionen bei ungewohnten Entwicklungen schaden bloß. Wir benötigen stattdessen mehr denn je praktisch anwendbare Hilfen für verstörte Menschen, die natürlich weiter probieren, ihre Wünsche zu realisieren. Das an sich ist keine Krankheit. Behandlung oder Polizei müssen entsprechend versagen, weil krank als Annahme falsch ist. Ein solcher Stempel der Behörde diskriminiert. Das ist auf Augenhöhe mit Antisemitismus und überhaupt Rassenideologie. Der Begriff Anpassungsstörung genauso. Das ist ein blödes Etikett ohne Wert, weil es die richtige und damit allgemeine Anpassung nicht gibt angesichts der vielen Individuen, die wir sind. Die persönliche Geschichte zu respektieren, müssten wir lernen. Mit einer unhaltbaren These kommen wir nicht weiter. Das werden wir insgesamt trotzdem nie einsehen.
Das kurzsichtige Nachtreten gefällt demjenigen, der meint, auf diese Weise gerade Stärke einzubringen. Jedes Einzelwesen verschafft sich den möglichen Vorteil. Manche können aus ihrer mehr zufällig erlangten Position andere effektiv mobben. Sie nehmen an, ihr Dasein am erreichten Platz sei eine Leistung, die jeder nachmachen könne, der bereit sei, so hart daran zu arbeiten, wie sie es taten. Ausgrenzung und Übervorteilung können nicht abgeregelt, verboten werden, passieren ohnehin. Deswegen müssten wir Menschen, denen trotz dieser Gegebenheiten ihre Integration nicht gelingt, das lehren hinzubekommen, statt ihnen noch extra Mitmenschlichkeit und andere schöne Worte um die Ohren zu hauen, die sie nur bitte draufhaben sollten. Bereits in der Schule probieren Lehrer, digitale Attacken unter Mitschülern und verbale Erniedrigungen erklärend aufzuarbeiten, die katastrophalen Folgen plausibel zu machen. Je mehr junge Menschen mitgenommen werden können, rechtzeitig umzulernen, desto besser ist es. Werden zunächst gewöhnliche Menschen zu auffälligen erklärt, maßt sich die Umgebung ab diesem Moment manches an, das die Demütigungen nur fortsetzen dürfte. Dem zum Störer erklärten Schüler erscheint, die Wut zu steigern, nur logisch. Wer bereits Übung hat, sich auf diese Weise Luft zu machen, wird beim Wort „Gewaltverzicht“ gerade an die Decke gehen. Diese Systemsprenger lernen nicht mehr einfach so. Sie zum Alien abzustempeln, macht es nicht besser. Eine andere Sorte geworden zu sein, ein Kranker, ein Psycho –.
Therapie ist nicht Lehre. Therapie erhebt sich über den Therapierten. „Ich bin der Therapeut, und du bist krank“, steht hinter diesem Wort. Es geht auch nicht um Heilung. Einen kaputten Stuhl können wir heil machen, einen gebrochenen Knochen wieder ganz. Eine Seele kann nicht heilen, weil Verhaltensweisen in der Zeitschiene unseres Seins keinen Geist ursächlich zugrunde haben, der so etwas wäre wie ein gebrochenes Bein oder eben gesund und ganz. Ein funktionsfähiges Gehirn ist ein Ding. Seine funktionelle Sinnhaftigkeit im täglichen Einsatz ist aber nur relativ zum dazugehörenden Körper und seiner entsprechenden Geschichte möglich.
Wir können vom Geist reden, der Seele, dem Intellekt. Es bleiben Konstruktionen unserer Kommunikation. Verbalisieren ist nur eine Form beim Austausch von Wissen. Es gibt visuelle Beeinflussung. Jemand achtet mehr auf den Tonfall beim Zuhören als auf die sachliche Inhalte? Es ist so selten nicht. Die Körpersprache ist eine Form zwischenmenschlicher Beziehung und ebenso Kommunikation wie das gesprochene Wort. Reden kann das gewünschte Ziel verfehlen. Jeder Begriff behält seinen persönlichen Spielraum. Man folgt dem eigenen Ermessen, schätzt entsprechend individueller Erfahrung ein, was gemeint sein könnte. So reden Menschen auch aneinander vorbei. Davon, dass man jemandem sagt, was zu tun sei, lernt einer nicht zwingend, es auch so zu tun. Das klappt nur bei Schulkindern oder hoch motivierten Erwachsenen, die aber in ihren Grundfunktionen bereits innere Stärke mitbringen. Sexuelle Befriedigung wie erwachsene Leistungsbereitschaft sind nur auf der Basis elementarer Natürlichkeit möglich. Zu stehen, gehen, spüren, bewegen allgemein –, zu atmen, essen, ausscheiden nach Bedarf: Wer diese selbstbewussten Fähigkeiten nicht hat, ist deswegen zunächst nicht krank, müsste behandelt werden. So jemand wird das aber werden, wenn eine Manipulation von oben herab nur belehrt, zusätzlich kränkt. Ausschließlich verbale und medikamentöse Ansätze der Hilfe müssen scheitern. Es bedeutet doppelte Betäubung.
Mit dem Wort Störung, das wir, medizinisch verklärt, den sogenannten Gestörten auferlegen, verplappert sich das Establishment. Wer stört denn, Menschen werden erst kaputt gemacht, fortwährend gekränkt, unter Leistungsdruck gesetzt, dem sie altersgemäß nicht gewachsen sind, weil Erzieher forcieren (alle sollen Abitur machen), dann beschuldigt, sie wären gestört, wie krank ist das denn? Es wird sich nicht ändern. Das System lernt allmählich, der Einzelne kann vergleichsweise schneller reagieren. Die Motivation des im eigenen Interesse nach einer Lösung Suchenden ist ungleich stärker als die der diffusen Masse. Ein junger Mensch wird gern dazulernen, wenn eine erfolgversprechende Perspektive seine Schwierigkeiten beendet. Es hieße Wunschdenken anzunehmen, der Tenor frustrierter Alter könnte bald milder klingen. Alte wollen Recht haben. Die muss man klug überrumpeln.
# Meine Alternative ist meine Kunst
Gottes Plan als gegeben annehmen, verstehen wollen, bedeutet die Kommunikation mit einer Macht zu suchen, die alles für uns regelt? Nur wenige finden scheinbar Gefallen dran, den tatsächlichen Bauplan und quasi das integrierte Programm, die Basis gesunder Funktion im eigenen Körper wieder in Gang zu bringen, wenn man nicht klarkommt. Von einem Musiker und Lehrer erfuhr ich, dass dieser Medizin zusätzlich zur Musik studiert hatte, weil es mit dem Trompeteblasen nicht voranging bei ihm; kein schlechter Einfall. Die Leute sind sonst typischerweise gewohnt, Hinweisschilder am Straßenrand zu suchen, schauen gern auf ihr Navi, aber nicht auf das eigene Handeln, wie sie was machen. Das kann man aber ändern. Den fremd hingestellten Schilderwald muss der Mensch hinnehmen. Schon Chaplin wusste: „An den Wendepunkten des Lebens stehen keine Wegweiser.“ Und doch glauben wir immer wieder, das Ganze hier zu verstehen. Meine diesbezügliche Unsicherheit zu akzeptieren, heißt spezielle Ängste zu bemerken. Das ist besser, als sich in falscher Sicherheit zu wiegen.
Eine bloße Interpretation der Realität dürfte – als fixe Idee – die Gesundheit gefährden. Wirklichkeitsanpassungen sind so vielfältig, wie es Menschen gibt. Über den Tellerrand zu schauen, ist so schlecht nicht, nach Alternativen zu suchen, befreit uns von der Enge. Die eigenen Annahmen in Frage zu stellen, wäre also der erste Schritt, sich Besserung zu verschaffen. Das hieße, nicht unbewusst dem scheinbar fest auferlegten Plan zu folgen, den unser Schöpfer womöglich im System gleich einem Chip installierte. Menschen schauen raus aus sich, bemühen sich zu folgen und übersehen schon mal innere Befindlichkeiten. Wenn das tägliche Tun den gewohnten Zwang bedeutet, der schon immer alles regelte, ist Blindflug Methode. Flugzeuge im Modus „Autopilot“ stürzen ab, wenn momentan erhöhte Selbstständigkeit gefragt ist. Wir sollten uns nicht degradieren zum Automaten. Ein Programm abzuspulen, dass sich an den Zeichen orientiert, die man meint, da draußen zu begreifen, ist gefährlich vor allem, wenn es keine sind. Falls das Leben keinen Sinn hat, kein höher gewünschter Zweck dahinter steht, den wir bloß entdecken müssten, könnte eine Umkehr, das Aufgeben der Suche nach dem heiligen Gral (sesshaft werden in zufälliger Umgebung), erste Ruhe bedeuten, die man sich gönnt. Eine Verschnaufpause ist gegeben. Gott „würfelt nicht“, behauptete angeblich Einstein zu wissen. Wie diese Würfel jeweils gefallen sind (die so gesehen gar nicht geworfen wurden), was das einzelne, kleine Getier, der unbedeutende Mensch hier und da erwarten kann, sagte er nicht. Es gibt keine Erklärung, der wir ungeprüft folgen könnten. Ohne selbst nachzudenken, wird jede Lebensform scheitern. „Nicht andere Gedanken wollen wir, sondern ein neues Denken“, forderte kein Guru, aber einer, dem gelungen ist, uns zum Selbstverständlichen zu verhelfen, die Fähigkeit zur Bewusstheit wiederzugeben, die doch eigentlich jedes Lebewesen von allein nutzt. („Die Entdeckung des Selbstverständlichen“, Moshé Feldenkrais, Suhrkamp, 1987). Ein Physiker auf Abwegen und ein Künstler vielleicht könnte gesprochen haben? Mir hilft es. Er wollte „immer ja und nein gleichzeitig sagen“, erinnert sich Steven Shafarman an seinen Lehrer, und so ist Umkehrbarkeit der Leitgedanke dieser Ideen. Könnten wir anders?
Kunst ist Können und wandelbar, flexibel. Eine Gesellschaft klammert sich an statische Annahmen und steht ihrer Weiterentwicklung jeweils im Weg. Die Populisten gewinnen ihren Boden auf brachiale Weise. Solche trampeln die Stiefel ins gewonnene Terrain, stempeln andere ab als ausländisch, gefährlich oder krank, und fertig sind sie. Ich erinnere, mein anderer Professor Flurschütz bekundete einmal, während ich bei ihm eingeschrieben noch Illustration studierte, über Graphologen zu wissen, diese bekämen Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Handschriften von Künstlern. Kreative entzögen sich dem Typischen, meinte er. Da wurde noch Wert auf den handgeschriebenen Lebenslauf gelegt bei einer Bewerbung. Das könnte sich geändert haben und damit fällt ein seinerzeit als nützlich geltendes Instrument, Bewerber vorab einzuschätzen, weg. Niemand kann überhaupt noch ansehnlich mit der Hand schreiben. Das aber ist gewiss, Künstler sprengen jedes Raster. Rasterfahndung ist jedoch weiter ein Mittel, auf das der Staat vertraut. Dumme Menschen haben Macht und nutzen sie. So wird es bleiben. Der Apparat ist nicht am Menschen interessiert, sondern bloß am eigenen Vorankommen. Man nutzt Schlagworte. Es könnte besser sein: Ein Ausländer wird zum Inländer, wenn man ihn lässt, ihn integriert, unterstützt. Ein Gefährder hört auf, einer zu sein mit entsprechender Perspektive. Das gerade will die Mehrheit nicht. Sie benötigt den Sündenbock und nagelt ihn an. Das haben Menschen schon immer gemacht. So wurden die ersten Christen aktiv, es zu bemerken, und so begehren noch heute Menschen auf gegen ein Vorurteil, das ihnen aufzwingen möchte, in einer Schublade zu leben.
Merken, wie die eigenen Belange sind, Wünsche, Nöte, Träume und lebenserhaltende Verpflichtungen wahrzunehmen, heißt äußere Ratschläge, Mahnungen, Kritik wie Hilfsangebote erst nach innerer Prüfung einzuordnen und gegebenenfalls anzunehmen oder abzulehnen. Hier auf die praktischen, täglichen Lektionen einzugehen, wie ich das Gelesene und in Kursen Erlernte weiterentwickelte, meine eigenen Trainings kreiere, würde zu weit führen. Die Bewusstheit zu schärfen, ist aber das Gegenteil von Vermeidung, Dämpfung oder Betäubung und läuft damit konträr zur breiten Ansicht, man schütze sich medikamentös am Besten. Dem eigenen Denken bedingungslos zu folgen, wird, wenn dieses Neuland zu betreten heißt, neue Probleme schaffen. Ich akzeptiere das.
Was ich heute kann, musste ich vielfach allein hinbekommen und zahle einen hohen Preis für diese Befreiung von abstrusen Annahmen. Ich habe grundsätzlich mit der üblichen Medizin gebrochen, jedes Vertrauen verloren, gehe nicht zum Arzt. Mich plagen seit Jahren Beschwerden, die ich zugegebenermaßen so nicht in den Griff bekomme. Ich möchte mir nicht helfen lassen. Ein anderes Leben, eine neue Partnerschaft kommt für mich nicht in Frage. Meine Kräfte sind aufgebraucht. Ich bin insgesamt angeschlagen und das seit Jahren. Meine Vergangenheit, mag ich sie auch verstehen, kennen, aushalten, wird zum Klotz am Bein, zum Mühlenstein, den viele, die davon erfahren, wie das war, probieren, mir erneut um den Hals zu hängen (um mich schließlich zu ersäufen wie im Mittelalter). Ich werde respektiert unter Vorbehalt meiner Erkrankung, die ich publik machte, weil es besonders heutzutage unmöglich ist, diese zu verbergen und der Versuch, die Vergangenheit zu maskieren, nie wirklich erfolgreich gelingen kann. Ich meine das übliche Stigma. Das bedeutet Transparenz nicht nur bis auf die Unterhose, sondern noch drunter. Private Inhalte werden schamlos verbreitet. Es sind offenbar Mäuschen im Haus, die alles mitbekommen. Tratsch quer durchs Dorf, im Netz weltweit veröffentlicht, ist besser auszuhalten, als zu probieren, sich zu verbergen, dass es nicht geschieht. Die Leute wollen es so. Sie glauben an ihre Normalität. Sie meinen zu wissen, drüber zu stehen über mir. Die Technik macht es möglich. Mir geht es gut nur unter der Akzeptanz ihrer Trivialität (die dumme Masse) und im Begreifen meines Könnens als Künstler. Ich bin besser! Die Kollegen stellen nichtssagende Sachen aus, die in Wahrheit niemand respektiert. Man trinkt aber Prosecco zur Vernissage. Mein Leben ist im Wesentlichen vorbei. Kreative Anerkennung ist nicht mehr möglich. Mein Geld habe ich geerbt und nicht verdient. Altersgemäß kommen Verschleiß und nachlassende Kräfte unweigerlich ins Bewusstsein einer Realität fern von Visionen.
Wir sind im Team stärker, und eine Ehe kann als solches verstanden werden? Ich begreife in langjähriger Beziehung den Wert durchgestandener Krisen als Halt gebende Bindung. Das ist mehr als die Träumerei von Liebe. Was mich froh macht, ist diese Fähigkeit, meine Muskulatur nach Wunsch entspannen zu können durch die erlernten Techniken. Ich beschreibe es gelegentlich und möchte hier kaum weiter drauf eingehen.
# Feldenkrais
Das mit dem Gesicht bedarf wohl schon noch einiger Worte. Ich glaube nicht, dass eine Angewohnheit, regelmäßig die Mimik zu forcieren, Menschen automatisch psychisch krank macht. Nicht von der Hand weisen lässt sich aber, dass weiter kommt, wer dergleichen nicht nötig hat. Menschen mit flexibler und offener Ausstrahlung werden eher angenommen von anderen als Begleitung, Freund, Partner. Auch als Moderator, Schauspieler oder Verkäufer bekommen wandelbare Typen manche Aufgabe zugesprochen. Man schaut sie gern an, hört ihnen aufmerksamer zu als vergleichsweise solchen Menschen, denen nur eine einzige Ausdrucksform gelingt. Eine Ausnahme kommt mir aber in den Sinn. Das sollte hier nicht fehlen. Ein Zitat mit einem Schuss Humor, das man auch leicht googeln kann. Wir können lernen, worum es eigentlich geht, ums Lernen an sich tatsächlich. Die Anekdote passt also. „Für eine Handvoll Dollar“, der großartige Regisseur Sergio Leone fand gerade die Unfähigkeit seines Hauptdarstellers nützlich: „Ich brauchte mehr eine Maske als einen Schauspieler, und Eastwood hatte damals genau zwei Gesichtsausdrücke: einen mit Hut und einen ohne.“ Mit den Jahren lernen die einen dazu und andere verschwinden, die nur ein einziges, schönes Gesicht reproduzieren können? Clint Eastwood sieht gut aus und das auch, wenn er nichts macht –, außer die Augen zu Schlitzen zusammenzukneifen. Das passt für manches Genre.
Vielseitigkeit ist kein Nachteil. Mir geht es um mehr, nämlich die Möglichkeiten, die herausfindet, wer sich unbewusster Kontraktionen gewahr wird. Das ist Thema einiger Publikationen und Verhaltenstrainings, auf die (an anderer Stelle) verwiesen wird. Muskeln festzuhalten stabilisiert. Als würde man an den eigenen Haaren reißen, während man wo hinaufsteigt, weil man annimmt, das würde helfen (wie an ein Geländer zu fassen und diesen Handlauf zu gebrauchen beim Aufstieg). Es ist Selbstbeschiss. Nicht ausgeschlossen, dass manche ein Leben lang auf eine Weise an sich ziehen und damit erfolgreich sind. Es gibt Beispiele von Künstlern, die regelmäßig Drogen konsumierten und beachtliche Leistungen vollbrachten: Das ist die Methode, eine stressige Tätigkeit mit einer Verhaltensweise zu kombinieren, die genau genommen nicht nötig wäre. Was sinnvoll ist und was nicht, kann nicht allgemein definiert werden. In der Theorie könnten „sich alle gesund ernähren“, ist eine vergleichbare Haltung, die sich nie erfolgreich in die Praxis projizieren lässt. Gesünder zu handeln, ist nicht schlecht.
Ich lernte, meine schiefen Züge wahrzunehmen und damit die erstaunliche Befreiung auch der großen Muskulatur hinzubekommen, etwa die Atmung betreffende Spannungen zu lockern, weil sich alles bedingt. Sich kennenlernen, ist der beste Schutz und vielseitiger, als ein sogenanntes dickes Fell zu tragen, was gern geraten wird. Die Schwäche dieser Ratschläge ist offensichtlich. Warme Kleidung im Sommer wäre unpassend wie die Nacktheit winterlicherseits. Man legt eine Rüstung ab, die nicht in die Zeit passt, weil der Blick durch einen Sehschlitz zum Dasein in der Konserve führt. Das Leben geradezurücken, wird wichtiger als materielle Gipfel und bedeutet gesunden Erfolg. Nicht denken wie die anderen, wie üblich, sondern das Risiko der eigenen Ansicht eingehen, die Sterblichkeit unsres Menschseins akzeptieren ist besser, empfehlenswert.
# Kunst ist möglich für einen, der eine kann
Außerdem kann ich mich gut beschäftigen. Ich leide keine existentielle Not. Mir stehen genügend finanzielle Mittel zur Verfügung. Ich habe Zeit. Mein Leben ist endlich, und das ist auch gut so. Ich mag nicht leben, ich muss, weil ich eines begriffen habe: Man kommt hier so leicht nicht weg. Ich kann die Transplantationsmedizin nicht begreifen und lehne diese ab. Ich verstehe nicht, warum Menschen „gegen den Krebs kämpfen“, wie sie sagen. Das ist vollkommener Quatsch. Auch diese Pläne, einen selbstbestimmten Tod in einer Organisation zu ermöglichen, schockieren mein Selbstverständnis von Natürlichkeit. Gegen das immer wieder aufkommende Thema Abtreibung kann ich nicht Stellung beziehen und auch nicht für die Argumente der Gegenseite. Es fehlt mir schlicht das Verständnis für die jeweilige Vehemenz. Das ist auch so im Geschlechterkampf und bei dieser hochgradig bescheuerten Phrase, jemand sei „im falschen Körper gefangen“, raste ich innerlich aus. Ich möchte mich stark machen für eine bessere Psychiatrie. Da kenne ich mich aus. Wir haben eine sehr gute Notfallversorgung, aber eine grottig schlechte Nachbehandlung. Das fängt schon damit an, wer sich alles dazu berufen fühlt, Hilfe zu übernehmen. Fachlichkeit könnte besser sein, Koordination und der Ansatz, vollständige Selbstständigkeit erreichen zu wollen, dürften nicht der resignativen Haltung weichen, da wäre nichts zu machen. Wir kämen mit der Hälfte der Diagnosen aus. Und wie manche fordern, den Schilderwald im Straßenverkehr abzubauen: Ich würde damit anfangen, die Namen der sogenannten „Störungen“ zu reduzieren.
Wovor Menschen Angst haben, unterscheidet sich wie ihre Reaktion darauf. Die persönliche Ausrichtung, damit umzugehen, sollte jeder selbst in eine bessere Richtung lenken, falls das nicht auf natürliche Weise geschieht. Viele Menschen hören nicht auf, sich immer weiter zu wiederholen. Wenn man seine zornige Seite erst spät im Leben entdeckt als Möglichkeit, wehrhaft zurückzuschlagen, falls man unter Druck gesetzt wird, erwächst daraus die grundsätzliche Problematik, der man sich nun ein ums andere Mal stellen muss. Damit keine Abwärtsspirale beginnt, ist es zum einen wichtig, die Umgebung als dran schuld zu bezichtigen, damit man seine Reue oder Scham loswird, falls es wieder Ärger gab, und andererseits eine Entwicklung anzuschieben in Richtung grundsätzlicher Befriedung der Lage. Die Gesellschaft ist nicht unser Freund und die gesetzlichen Rahmen helfen nur bedingt, wenn eine perfide Gruppe unsereinen aufs Korn genommen hat. Die große Verschwörung anzunehmen, ist so unsinnig, wie auf göttlichen Beistand zu hoffen. Deswegen bleibt nur, auf die sich summierenden Fehler zu vertrauen, die in solcher Häufung andere unweigerlich zu Fall bringen werden. Man kümmere sich drum, eigene Fehler nicht zu oft zu wiederholen. Und da war unser Herr Jesus auf einem guten Weg, uns den Gewaltverzicht nahezulegen, hat sich aber selbst nicht dran gehalten und provoziert, bis man ihn angenagelt hat. Es zeigt, wie schwierig es sein kann, sich zu beherrschen.
Dazu kommt, es gibt sie gar nicht, die ganz große Liebe, davon bin ich überzeugt. Man hat uns manch einen Bären aufgebunden nicht nur in diesem Fall, von einer Eier legenden Wollmilchsau etwa, dem eleganten Gewaltverzicht als nötige Kunst, die der gute Mensch „natürlich“ draufhabe, dem Weltfrieden, der daraus (bald) folgen dürfte, der Beherrschbarkeit des menschgemachten Klimawandels durch entsprechende Klimaziele, die man nur verfolgen müsse, der Steuererklärung, die auf einen Bierdeckel passt, usw. –, das ist offensichtlich. Seit dem ich einige Personen, die ich kannte und besser kennenlernte, begriff, wie deren intrigantes Verschleiern ihrer Absichten nichts anderes als Rufmord befeuerte, ist es vorbei mit dem Vertrauen in andere Leute bei mir. Damit können Beziehungen nur unter dem Vorbehalt von Oberflächlichkeit eingegangen werden. Ich muss der Demokratie den wenigstens möglichen Schaden meines Nichtwählerseins zufügen, um den minimalen und zugegeben kurzsichtigen Gewinn emotionaler Rache einzufahren. Die Gesellschaft blockieren, keinen Müll trennen, Benziner fahren, beißenden Spott ablassen, was bleibt dem Zornigen? Man kann ja nicht alle verhauen.
# Auf dem Blutacker
Abgestempelt von oben über dem ungefegten Küchenhof, die eigenen, unabgewaschenen Geschirre, Pfannen und Kochlöffel geflissentlich übersehend, sagte mir die, die’s zu wissen meint: „Das hast du ganz allein verkackt.“ Na gut. Man sollte es annehmen. Der Klügere gibt nach. Das mögen alles meine Fehler gewesen sein, meine eigene Schuld. Da dürfte man umgekehrt hinnehmen, dass ich Konsequenzen ziehe, umsetze. Sportlichkeit ist gegeben und eine fröhliche Haltung angebracht beim Abschlagen von Bauern, Läufern und Anpissen der Königin auf diesem schönen Feld. Ich erkenne Möglichkeiten, die verblieben sind. Das gefällt nicht? Mir passt gut, so geerdet zu spazieren, die doofen Blicke der Ewiggestrigen zu registrieren. Sie wollen nicht wahrhaben, dass die Zeit nie stillsteht und ihre Hypothese, was für einer man sei, eine Festlegung, als Axiom so gesehen versagen muss. Ich lebe Meinungsfreiheit aus und dieses Pack, es muss lügen für die angesagte Moral, macht weiter, Knüppel in meinen Weg zu werfen?
Das glaube ich.
Ich gehe in keine Kirche, denke selbst, lehne Hilfe ab, wann immer ich es kann. Solange die Kräfte reichen, mein Verstand mich nicht verlässt, wende ich das hier Skizzierte an: Die speziellen Verwindungen im Gesicht, im Rumpf, rund ums Atmen, den besonderen Gang, das typische Stehen, alles Eigenarten, die man sich angewöhnte zu einer Zeit, wo es nicht anders ging, abhängig von Erziehern, endlich zu bemerken, bedeutet einen guten Anfang der Selbsterkennung. Da kann man einen ersten Schritt machen, dass die Lage grundsätzlich besser wird. Das sagt uns kein Mediziner, schade. Ich habe gelernt, dass die Intensität eines Musters und die jeweilige Ausprägung in ganz bestimmten Muskelgruppen je nach Umständen äußeren Erlebens geschieht. Damit ergeben sich Steuerungsmöglichkeiten. Wir können unsere Wege selbst bestimmen, wenn zwanghafte Reflexe weniger gegeben sind und dürften uns auch Fehltritte leichter verzeihen, wenn es mal nicht so gut gelingt.
Ohne Aggression kann niemand existieren. Das lasse man sich nicht einreden. Auf Dauer wird der Hass, wenn dieser tagaus, tagein zum Lebensprinzip geworden ist und man das ungebremst auslebt, die Existenz zerstören. Da unsere Gesellschaft dem gewaltbereiten Menschen mit einigen strukturellen Möglichkeiten gegenüber steht, dürfte jeder Einzelkämpfer scheitern. Findet man jedoch ein paar Freunde für eine gute Idee, die da heißen könnte „Gesundheit“, sieht das Ganze schon anders aus. Polizisten und Menschen in Sicherheitsdiensten möchten ja gerade, dass sie von sich sagen können, sie hätten die Bedrohung irgendwo erkannt. Das bedeutet, solche guten Ordnungskräfte heizen das Feuer der Gefährdung an durch perverse Provokationen. Das sind Täter. Sie wollen gewinnen. Wer Recht haben will, Ungereimtheiten nicht akzeptiert und die Macht dazu hat, wird das Gesetz notwendigerweise in seinem Sinne biegen. Als Instrument, Waffe der Ermittler und mehr als bloße Rechtfertigung, ist ihnen, Recht auszuüben keine Übung. Könner beherrschen ihr Metier. Die Grenzen verwischen bei den Organisierten. Man hat Vermittlungsleute und diffus als „ausländischer Geheimdienst“ titulierte Kollegen, falls das hiesige System nervt oder belastende Daten noch fehlen. Der Zeitunglesende staunt: Die kommen in schwarz, treten die Tür ein, spionieren im Kinderzimmer vom Sonderschüler. Sie gehen wieder, weil Beweise fehlen, kommen erneut, wenn das Nötige endlich vorzeigbar ist. Schon ist „der Islamist“ entnommen wie der Problembär in Bayern. Und wir anderen lesen die Nachrichten, atmen auf, gehen entspannt auf das „Lichterfest“ im Dezember. Ein Winterzauber, der blitzblank strahlt, fehlt nur der Schnee? Die saubere Realität ist unsere schöne neue Welt, in der wir angekommen sind.
# Frohe Weihnachten!
Man redet von organisierter Kriminalität. Wer ist nicht organisiert, der Erfolge will? Fake ist ein Mittel. Wo Kollegen früher sagten: „Mut zur Lücke“, geht man auf Nummer sicher. Da hilft das gegebene Programm. Es macht manche Indizienkette wasserdicht. Eine naive Richterin finden, und los geht der Prozess. Das bedeutet einen Job und gibt womöglich die empfundene Berufung und Befriedigung zu jagen. Unser Gewaltmonopol hat der Staat. Polizisten üben Gewalt aus. Mancher mag Augenmaß haben. Es gibt Kollegen, die sind skrupellos. Einer, mit Gleichgesinnten vernetzt, sucht Anlässe, benötigt für die Karriere offensichtlich kranke oder potentiell böse, für seine Zwecke in Frage kommende Menschen, die er als künftig gefährlich bezichtigen kann? Ich glaube auch das und bin heute definitiv verstört. Ein fleißiger Kommissar ist keinesfalls dran interessiert, dass neurotische Mitbürger zur Ruhe kommen. Gesundes Miteinander ist nicht das Ziel des Sicherheitsapparates. Diese Menschen instrumentalisieren Staatsanwälte, Richter und psychiatrischen Gutachter für ihre Zwecke. Da wird wohl angestrebt, Zielpersonen ausfindig zu machen, die aufgebaut werden können zur tickenden Zeitbombe. In der Presse protzt man, solche „auf dem Radar“ zu haben.
Ich schreibe im Dezember. Man macht sich so Gedanken. Die Ampel ist Geschichte. Mit der neuen Politik nach der vorgezogenen Wahl im Februar steigt die Hoffnung auf eine schärfere Ordnung, mehr Sicherheit, konsequente Abschiebung. Das ist eine zweischneidige Sache, mit der Demokratie. Wollen wir weiter eine soziale Politik, die mit Olaf Scholz als gescheitert gilt, grüne Ideologie, die unsere Wirtschaft nachweislich ruiniert, dann dürften wir in jedem Fall die Dummen sein. Entscheiden die Wähler sich aber für die Konservativen, könnten die Regeln für Labile (wie mich) zu unseren Ungunsten verschärft werden. Auch dann sind wir dumm, den Rechtsstaat aufzupeppen zum Preis, die Freiheit teilweise aufzugeben. Die Alternative soundso ist keine, und die kleinen Parteien disqualifizieren sich in der Regel selbst. Mir graut vor dieser Zukunft mit skrupellosen Amerikanern einerseits, den narzisstischen Diktatoren in Asien gegenüber und dazwischen wir, ein destabilisiertes Europa.
Ich nehme Maß, meine kleinste Insel der Glückseligkeit mit noch einem weiteren Wall frischer Kreativität zu umgeben.
# Kriegstüchtig bin auch ich
Kunst ist meine Pflicht! Ich arbeite. Diese Pamphlete sind der Rest meiner Aktivität für andere, solange sie veröffentlicht werden können. Ich habe vom Locked-in-Syndrom gehört. Das Buch „Schmetterling und Taucherglocke“ steht im Regal. Das belebt weiterzumachen, was auch geschieht. Wenigstens einen Muskel benötigt unser Gehirn, damit sich die Seele, der Geist dieses ganzen Menschen mit seiner Geschichte überhaupt zeigen kann, zu sprechen vermag. Wie sollte diese Fiktion in einem anderen Körper wiederauferstehen, was ja welche glauben, ohne den Platz sämtlicher Erinnerungen an das Bekannte mitzunehmen, hinüber über Tod, Jenseits, die neue Geburt – und gleichzeitig neues Leben sein, ein neuer Mensch? Das kann doch gar nicht funktionieren, jedenfalls nicht, ohne wenigstens dies Gebot zu akzeptieren, mache dir „kein Bildnis“ von Gott. Es gibt so viele Religionen. Sie in der ganzen Vielfalt ihrer Ideen zu respektieren, wäre wohl das Erste, um einen Glaube zu pflegen, der mehr ist als Zeitgeist, Tradition oder der übliche Aberglaube, den besonderen heißen Draht nach oben zu kennen. Mein Platz ist nicht die feste Burg, weil ich die Bibel lese, sondern aufgrund meiner Distanz dazu. Feste Heimat, ich bin hier kein Quiddje mehr. Viele kennen mich. Ich muss es aushalten. Mein Haus steht am Feldrand beinahe, wie der Name vom Dorf es in sich trägt. Unser „schönes Feld“ findet sich bekanntlich westlich der bekannteren Metropole und unweit vom Klövensteen. Hier fühle ich mich zu Hause. Denen ich nur der Spacken bin, halte ich mein Können entgegen. Ich kenne meine Schwächen. Vor die Tür gehe ich trotzdem. Oft genug möchte ich mich verkriechen, ganz ehrlich. Mein Motor, der innere Antrieb stottert schon mal, angesichts der aus mancher Not gewählten Isolation. Ich gehe oft nicht mehr raus, mache nicht mit bei Veranstaltungen oder bin unterwegs, außer zum Einkaufen, und das tut mal weh, besonders an Weihnachten, wo vieles ins Gedächtnis kommt und die alten Jazzer jazzen.
Menschen, die schon mal in der Klappse waren, die im Wahn um sich getreten haben oder ganz bewusst, um endlich abzurechnen und solche, die kein ausreichendes Deutsch sprechen, sich mutmaßlich keinen Anwalt nehmen (oder nur einen Anfänger), sind bestens prädestiniert, ins Visier offensiver Jäger zu geraten.
Mir macht es Angst.
Die an der Front für das Gesetz Kämpfenden erleben zugegebenermaßen einen harten Job. Mir sind Schilderungen von privat bekannt. Ich bin nicht nur verrückt. Polizisten möchten eine Staatsanwaltschaft hinter sich wissen, die der Presse gegenüber in ihrem Sinne Rechenschaft ablegt. Das ist eine Realität, die noch jeden Tag dynamischer daherkommt, desto besser der Staat zusammenrückt und sich digitalisiert. Wehe dem Einzelnen, der hier nicht kreative Wege findet, diese Schmeißfliegen abzuschütteln.
🙂