Das Bessere setzt sich durch

Viele Filme haben ein „Happy End“, im Film siegt oft das Gute. Kritiker bemängeln, dass die Wirklichkeit in der Regel anders sei, es gäbe keine guten Enden bei vielen Geschichten. Das mag sein, ist aber auch der Tatsache geschuldet, dass die Realität immer weiter geht, während ein Plot seine Zeit hat mit Anfang und Ende.

„Die Wahrheit triumphiert nie. Ihre Gegner sterben nur aus.“

Vollständig heißt das Zitat:

„Eine neue wissenschaftliche Wahrheit pflegt sich nicht in der Weise durchzusetzen, dass ihre Gegner überzeugt werden und sich als belehrt erklären, sondern vielmehr dadurch, dass ihre Gegner allmählich aussterben und dass die heranwachsende Generation von vornherein mit der Wahrheit vertraut gemacht ist.“

Das sagte Max Karl Ernst Ludwig Planck (1858 – 1947), ein deutscher theoretischer Physiker.

Wir können den Satz auch für die Justiz anwenden – oder die Kunst. Künstler werden bekanntlich oft erst nach ihrem Tod berühmt. (Schade). Da ist schon eine Tendenz im Leben erkennbar, dass die gute Lösung letztlich erfolgreicher ist. Meiner Auffassung nach hat jemand etwa, der zu Unrecht angefeindet wird, gute Chancen auf Rehabilitation. Rufmord wirkt anfangs bestens. Eine böse Idee leidet aber mehr unter ihren Fehlern, als seine Mängel dem unter Verdacht Geratenen schaden. Der Grund ist, ein hinsichtlich der Vorwürfe unschuldiger Mensch macht nicht den Fehler, sich selbst zu verraten. Er kennt die Umstände einer Tat gar nicht, die ihm möglicherweise angekreidet wird, wenn er diese nicht begangen hat. Alle machen Fehler. Sind nun die Ermittler bösartig in dem Sinne, als saubere Aufklärer glänzen zu wollen, dass sie etwas unbedingt beweisen wollen, was (so) nur ihnen selbst zum Vorteil gereicht, muss die Summe ihrer Fehler anteilig größer sein als die Anklagepunkte, die den Beschuldigten verdächtig machen. Nun kann man einwenden, dass es Fehlurteile gibt, die trotz solcher Mängel durchgezogen wurden und das auf bittere Weise beweist, wie eben das Gute nicht siegt. Das stimmt natürlich. Man sollte aber, so unter Beschuss geraten, nicht aufgeben. Wir Angegriffenen haben den grundsätzlichen Vorteil auf unserer Seite, dass die anderen in Wahrheit die Täter sind und uns umgekehrt die Bösartigkeit vorwerfen, aktiv Verbrecher zu sein.

Im günstigen Fall, wo die Polizei sauber arbeitet, werden Täter überführt. Es ist schwierig für die Beamten, weil sie gegenüber dem Gericht die Beweislast haben. Das frustriert sie, wenn ein Kollege überzeugt ist, wer schuldig verurteilt werden müsste, die Tat dem Beschuldigten aber nicht bewiesen werden kann? Fällt der Verdacht fälschlicherweise auf einen, der tatsächlich harmlos ist, kehrt sich die Lage um in dem Fall, wo Beweismittel gefaked werden für den Ermittlungserfolg. Wir sollten uns nicht täuschen, die Bösen sind mal schmutzige Verbrecher und dann doch wieder auch im Lager der Ordnungskräfte unterwegs. Das gibt eine gute Tarnung ab, Polizist zu sein.

# Mich beschäftigt diese Thematik

Psychisch Kranke haben den größeren Nachteil im Leben gegenüber anderen Menschen, wenn ihnen das Missgeschick wiederfährt, mit irgendetwas aufzufallen, das nach „allgemeiner“ Gefährdung aussieht. Dann ist niemand mehr an ihrer Gesundung interessiert. Selbst wenn ihnen selbst noch dran gelegen ist, ihr Leben hinzubekommen, sind nun auch die staatlichen Hilfestellen weit mehr hinterher, ihnen den Strick zu drehen mit einer Schlinge dran, aus dessen Würgekraft sie nicht entkommen können. Wenn immerhin Verbrechen aufgeklärt werden, mag es ja angehen. Tatsächlich können solchen Beschuldigten aber viel einfacher Taten unterstellt werden, die sie nie begangen haben, weil ihr Drang, die psychische Störung das tatsächliche Problem darstellt.

Dazu finde ich zwei Beispiele vom selben Tag in der Zeitung.

Im ersten Fall ist die Sache offenbar eindeutig. Ein Cold-Case kann noch aufgeklärt werden. Wir dürfen als Leser annehmen, dass hier die Gerechtigkeit siegte. Das macht doch glücklich! Eine Schülerin wird vor Jahren vergewaltigt und getötet, irgendwann die skeletierte Leiche gefunden, aber kein in Frage kommender Täter kann zur Zeit des Geschehens sicher festgenagelt werden. Alte DNA wird vorsorglich eingetütet aufbewahrt. Nun gibt es mit der heutigen Technik tatsächlich eine Übereinstimmung in der aktuellen Kartei. Ein wegen anderer Sexualdelikte Verurteilter hat im Umfeld des damals getöteten Mädchens Spuren hinterlassen, die man ihm erst heutzutage als seine beweisen kann. So weit kennt man das Verfahren. Es hat schon einige Male in verschiedenen Fällen funktioniert, die publikumswirksam in die Medien gelangten.

Im Zeitungsbericht steht, dass der infrage kommende Mann geschickt in eine Falle gelockt wurde, um zu beobachten, wie der Überrumpelte auf visuelle Reize und Informationen zur Tat reagieren würde. Der Sexualstraftäter befand sich zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens der neuen Verdachtsmomente anhand der gefundenen Spuren in einer forensischen Klinik – wegen einer anderen Tat. Das Problem der ermittelnden Beamten ergab sich aus dem juristischen Sachverhalt, dass ein DNA-Treffer allein keine Täterschaft beweist. Man schleuste verdeckte Ermittler in die Klinik. Einer von ihnen hatte die Aufgabe, das Vertrauen des mutmaßlichen Täters zu gewinnen. Von langer Hand war ein Fernsehabend vorbereitet. Bei einer Sendung über den zurückliegenden Fall wurde manche pikante Einzelheit präsentiert, die den Zuschauenden im Beisein seines verdeckten Ermittlers sichtlich nervös machte. Er verstrickte sich schließlich durch weiteres Verhalten tiefer ins Geschehen, gab Täterwissen preis. So titelt die Zeitung:

„Mordfall nach 37 Jahren aufgeklärt.“

Das gefällt dem Leser. Hier hat das Recht gesiegt. Ein Problem der anderen Art ist der zweite Artikel, den ich im Blatt entdeckte, wo die Macht der Behörde offenbar zweckentfremdet wurde. „Razzia bei früherem BND-Chef Hanning“, lautet die Schlagzeile. Es geht um den laufenden Fall „Block“. Der Sorgerechtsstreit mit gewaltsamer Verschleppung von zwei Kindern der Erbin der Steakhauskette Christina Block sei um eine Wendung reicher, meint die Zeitung. Der ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes und ein LKA-Polizist werden verdächtigt, dem in Dänemark lebenden Vater der Kinder diskreditierendes Material im Bereich der Pädophilie untergeschoben zu haben, um ihn und seinen Anwalt unter Druck zu setzen.

Das gruselt mich zu lesen.

# Weiter und mehr davon

Abends zeigen die Medien noch die Entlassung des im Fall „Maddie“ Verdächtigen, der nun eine Fußfessel tragen muss und sicher auf Schritt und Tritt überwacht wird von der Polizei, die ihm ein weiteres Sexualdelikt nachweisen möchte. Das mutmaßliche Kapitalverbrechen am verschwundenen, kleinen britischen Mädchen ist regelmäßig Thema in der Presse. Die heutige Zeitung bringt dann als vierten Fall, der mir interessant für meine Darstellungen zu sein scheint, noch den Rufmord an einem Lehrer, der sich seiner Schülerin in sexueller Absicht genähert haben soll. Das konnte schließlich überzeugend widerlegt werden, und das Mädchen selbst wurde verurteilt, der Lehrer von allen Vorwürfen freigesprochen.

Arbeiten kann er trotzdem nicht mehr.

Er hat eine posttraumatische Belastungsstörung und ist im Dorf, wo er wohnt, unten durch.

Vier Mal bösartige Fälle im Bereich der Sexualstraftaten, aber nur einer scheint klar zu Gunsten von Recht und Gesetz aufgeklärt worden zu sein. Beim mutmaßlichen Psychopathen, der aktuell aus dem Gefängnis entlassen wurde, steht sein Anwalt fest an der Seite des Beschuldigten: „Die ermitteln jetzt seit fünf Jahren. Was soll denn da noch kommen?“ So etwa äußerte sich der Jurist gestern im Fernsehen. Es dürfte ein Spießrutenlaufen für den offen gezeigten, in mehreren Fällen langjährig verurteilten Täter werden – draußen. Während hier die Neigung zu perversem Machtmissbrauch offenkundig scheint, nützt dem erwähnten, freigesprochenen Lehrer seine Unschuld wenig. So sind Menschen, einfach widerlich eben.

🙂