Nach vorn schauen

Etwas abhaken, nach vorn schauen, man kennt diesen Satz, hat das oft gehört. Ein guter Rat scheinbar, nicht länger zu grübeln und endlich die Zukunft anpacken! Dem setzt ein nicht weniger bekanntes Zitat etwas entgegen, das mindestens nachdenklich macht. Es ist von Steve Jobs: „Wenn Sie nach vorne blicken, können Sie die Zusammenhänge nicht erkennen; das können Sie nur im Rückblick.“

Mit unbekannter Vergangenheit habe man eine relativ dürre Zukunft, meinte seinerzeit sinngemäß mein Professor, als ich bei ihm studierte.

Malen nach Zahlen, wer kennt das nicht? Diese Kindermalbücher meine ich. Man verbindet die Punkte, und schließlich ist der Elefant da! Wie in der Navigation, der Mensch nutzt Wegpunkte im Kartenbild, aber in der Natur stellt sich die Sache anders dar. Meine eigene Erfahrung, ein Fahrwasser exakt abzusegeln, wird wichtig, wenn seitlich Flachwasser drohen. Bei schlechter Sicht oder großem Abstand der Tonnen ist es nötig, keine auszulassen. Wer also einen Ausguck mit Fernglas beordert, den Weg zu erkennen, um den Kurs zu bestimmen, interessiert sich vor allem dafür, die nächste Marke klar zu erkennen und diese keinesfalls mit der übernächsten zu verwechseln.

# Eine Erfahrung machen durch Fahren

„You can’t connect the dots looking forward; you can only connect them looking backwards.“

So findet sich das Zitat im englischen Wortlaut, und da heißt es nicht „Zusammenhänge“ wie in einer eleganten Übersetzung für ein Nachrichtenmagazin, wo ich das gelesen habe, sondern „dots“. Das wären Punkte oder Marken. So kommt der Satz sinngemäß den Beschreibungen von Kursen zwischen Fahrwassertonnen nah, wie wir’s aus der Seefahrt kennen. Dazu nützen verschiedentlich Landmarken, die uns helfen, zu navigieren. Leuchttürme etwa, die wir einpeilen von Bord aus. Ich habe den Google-Übersetzer gebeten, und das kommt direkt raus:

„Wenn Sie nach vorne blicken, können Sie die Punkte nicht verbinden. Wenn Sie nach hinten blicken, können Sie sie nur verbinden.“

# Eine Seefahrt, die ist nützlich

Ich denke an Hans-Jürgen, wie er mich mahnte, nur nach der direkt nächsten kleinen Boje Ausschau zu halten und nicht naseweis zu behaupten: „Ich seh’ schon die Übernächste.“ Das war, als wir zum ersten Mal Anegada ansteuerten. Die „Capella“, unser Schiff, ging zwei Meter tief. Es ist flach nördlich der Virgins.

Ich nutze diese Texte, um zu beschreiben, was in ein Bild einfließen kann an Überlegungen. Das noch nicht fertige Gemälde „Zeitmaschine“ zeigt meinen Vater mit mir im ersten Transporter, den wir kauften. Ich arbeite schon lange daran. So kann ich noch erzählen, die Wochenenden verbrachten wir beim Segeln, und ich bin dabei geblieben. Mein Vater war Elbsegler, hat sich ein wenig in die Ostsee vorgetraut oder in die Watten bei uns vor der Tür. Die Karibik? Onkel Hans-Jürgen, es ist nur ein Nennonkel, muss man sagen, wollte mehr. Er hat auch beruflich mehr aus seinem Leben gemacht (und seines dauert noch an, während „Bassi“, mein Vater, schon seit einigen Jahren tot ist). Hans-Jürgen dürfte also mindestens fünf Jahre älter sein als mein Vater, geht auf die Hundert zu. Er lebt, und wie ich gelegentlich mitbekomme, geht es ihm gut fürs hohe Alter. Er sei streitbar wie früher, auch was die Politik betrifft, heißt es.

„Ich hätte dich was Richtiges lernen lassen, was Kaufmännisches.“

Das meinte er damals, während wir Lobster aßen, Pumpkin-Suppe löffelten. Das macht man auf Anegada. Es war Anfang der Neunziger. Leute mit Geld, die es selbst verdient haben, halten oft nicht viel vom Kunstmalersein. Das ist ihr gutes Recht, und diese Haltung hat für sich, dass die von ihnen erzogenen Kinder in der Regel eine Existenz aufbauen können. Die Kunst bleibt, wenn sie nicht taugt, nur Spielkram. Ich bin also dankbar, meine Farbenspiele hinzubekommen, und nicht noch Geld verdienen zu müssen. Mein Fischmarktbild beschäftigt mich. Ich komme langsam voran. Hier ist ein Update. Fertig bin ich nicht, aber weiter schon damit. Ich kenne Menschen, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben, wie es heißt, die klappen regelrecht zusammen, wenn ihre Rente beginnt. Sie wissen nicht, mit ihrer Freizeit und dem drohenden Tod psychisch umzugehen. Dazu fällt mir ein, ein großes Bild zu konzipieren und hinzubekommen, ist nicht leicht. Den hilflosen Rentnern fehlt offenbar eine Beschäftigung, die mehr ist als ein Hobby, wenn sie in das sogenannte Rentenloch stürzen? Sie möchten gebraucht werden, sagen sie. Das scheint ihnen das Wichtigste.

# Kötergesicht und Hundesohn

Der Aufschrei war groß, als kürzlich jemand meinte, man solle doch ein soziales Pflichtjahr für Senioren installieren. Ich jedenfalls hätte keine Lust, irgendwas für andere zu tun, um die Sozialsysteme zu entlasten. Ich bin bekennender Egoist. Ich kann mich bestens beschäftigen. Ich war übrigens Wehrdienstleistender. Das war mein Pflichtjahr. Sogar drei Monate länger als ein Jahr bin ich rumgerödelt mit schließlich meiner Reservistenkordel angetüddelt wie alle beförderten Obergefreiten. Keine schlechte Zeit! Zweimal hat man mich noch zur Reserve herangezogen in den Folgejahren. Nein, heute ist mir klar, mich braucht niemand. Das zeigen mir viele immer wieder! Ich kann nebenbei auch die Physiognomie von Menschen nicht leiden, die im Fernsehen zu oft ihre Reflexionen präsentieren. Die tun wichtig. Als Zeichner kommt man nicht umhin, sarkastisch zu hinterfragen. Das sind natürlich keine Argumente. Die, die wirklich hart gearbeitet haben, dürfen sich empören. Wer sagt, was er denkt, fliegt raus aus der Öffentlichkeit.

Jette Nietzard etwa ist nie zart und muss gehen. (Die ist hübsch).

Es sind dieselben, die Ecken und Kanten fordern in der Politik, Authentizität, die hetzen wo’s geht gegen eben Menschen, die polarisieren. Meine Malerei gibt mir mehr zurück als jedes Geschäft: Man lernt über alle Themen hinweg zu denken.

# Blindflug oder Punktlandung

Menschen bewegen sich vorwärts wie alles, weil die Erde sich dreht, um die Sonne kreist, Lebewesen erleben ihre individuelle Zukunft. Wie wichtig auch beim Navigieren das Zurückschauen sei, habe er erst durch die Fliegerei gelernt, meinte Hans-Jürgen. Die Seefahrt wäre in dieser Hinsicht unterbelichtet. Man schaue wohl nur vorwärts, kritisierte er die üblichen Methoden, weil die Kapitäne, die schließlich die Bücher geschrieben hätten (nach denen wir heute lernten), durch ihren dicken Schornstein am Blick nach achteraus gehindert worden wären. 

Einen schönen Tag wünsche ich!

🙂