Meine Perspektive

Jedes Bild, das ich male, wird zu einer Anklage. Ich prangere die Gesellschaft an. Ich habe Freunde, das stimmt, und es gefällt mir sehr, gemocht zu werden, aber einige Leute wollen mich weiter nicht. Mein Erleben ist also zweigeteilt. Das mache ich mir klar mit jedem Pinselstrich, den ich setzen muss, um voranzukommen mit einer Sache, die mir gefällt zu tun.

Ich erlebe das dumme Gefühl, unter Beobachtung zu spazieren, Manipulation meiner Lebenswege. Ist es eine verdeckte Behandlung, ein Dienst an der Allgemeinheit, eine Vorsorge zur Sicherheit aller? Das wäre, wenn’s mehr ist als meine Einbildung, Psychoterror gegen meine Person, nicht mehr und nicht weniger. Deswegen interessiert mich kaum, dieser trivialen Umgebung nützlich zu sein, reguläre Arbeit zu tun, wenn mir gelingt, auch so über die Runden zu kommen. Meine Integration geziemend auf den Weg zu bringen, ist meine Sache und nicht die anderer. Als Schauspieler empfundene Gestalten zerstören meine Gesundheit. Sie treiben meinen Zuckerspiegel nach oben. Solche Menschen riskieren auch ihr Wohlbefinden, sage ich mal vorsichtig und übe, meinen Frieden in einer schneller werdenden Welt zu finden: Mit der S-Bahn unterwegs, wir erreichen den Halt, ich stehe vom Sitzplatz auf, stelle mich an den Ausgang. Eine junge Frau rempelt mich an, sie müsse durch, weil die Bahn verspätet sei, und ich beschwichtige: „Ich selbst will ja auch aussteigen.“ Die Tür ist versperrt durch eine Mutter mit Zwillingskinderwagen, die raus will und nahezu die volle Breite der Öffnung benötigt. Eines der Kinder hatte bereits den ganzen Wagen mit seinem Gebrüll beschallt. Dieser Zwillingsmutter mit ihrem extrabreiten Fahrzeug gebe ich Raum, die Zeit auszusteigen, und das passt der kleinen Diva nicht, die sich trotzdem durchquetscht und uns an die Seite drückt, noch einen Spruch bringt.

Auf dem Bahnsteig angekommen, schnauze ich sie an:

„Pissnelke!“

Da hat sie plötzlich Zeit. Sie bleibt kurz stehen und dreht sich um. Aus schon einiger Distanz schaut sie mich an. Nun folgt der Versuch, mich zu belehren, was sich gehört?

„Warum lässt du mich nicht einfach durch?“

Das sagt sie und fabuliert: Was mir einfiele, ich hätte doch wohl eine Frau, Kinder –, „unglaublich“, meint sie vollkommen entrüstet; kennt die mich? Sie wendet sich wieder dem vorgeblichen Ziel zu, den Bus zu erreichen, trabt die Treppe runter in Iserbrook. Ich bin offensichtlich der ältere Herr, der sich nicht benimmt. Sie möchte als Frau geschätzt werden, scheint es zu heißen. Sie duzt mich wie ich sie, ist definitiv hübsch, so Anfang zwanzig. Ich finde sie ausgesprochen attraktiv, wenn nicht diese pissigen Mundwinkel auf grundsätzliches Beleidigtsein hinweisen würden.

# Ich schaue mir die Leute an

„Die ist sauer.“

Das dachte ich schon im Zug. Da saß sie in einiger Entfernung und machte ein resigniertes Gesicht, so oft sie auf ihr Smartphone tippte. Diese coole Person erreichte den Bus, so viel sollte ich noch erzählen, und ich schaffte es gerade nicht mehr. Ich bin zu Fuß nach Schenefeld gelaufen. Den Einser an der nächsten Haltestelle, an der Ecke mit der Kirche, der mir wenigstens einen Teil des Weges erspart hätte, verpasste ich ebenfalls knapp. Ich hatte keine Lust, irgendwo an einer Bushaltestelle abzuwarten. Ich musste meine Wut abreagieren. Den nächsten Bus nach Pinneberg, der mich schließlich zum Rest hin noch bis nach Hause gebracht hätte, im zwanzigminütigen Abstand fahren sie ja, erwischte ich auch nicht mehr, als der mich knapp vor der Haltestelle Aneken (an der Abzweigung in den Osterbrooksweg) überholte. Da war dann aber zufällig Manni mit seinem Benz an der Ampel. Der hat mich mitgenommen.

Die Wirklichkeit prüfen: Ich kann nicht mehr unterscheiden, ob das Mädchen irgendeine Genervte ist oder eine bewusste Provokateurin, unterwiesen, wie eine Szene zu machen sei, beauftragt von anderen Menschen, die das Manöver koordinieren, um mich zu erziehen, zu trainieren! Ich glaube, dass man so etwas macht in Deutschland. Da mag man mir nicht abkaufen, dass mir Ähnliches schon gelegentlich passierte, aber ich bin davon überzeugt. Paranoia hat die Dynamik einer Potenzierung ins Allgemeine, wenn ihre Bedrohlichkeit sich auf wenigstens ein wenig Realgeschehen gründet. Wo Menschen, die sich für Aufpasser halten, bereits observierten, wird sich eine misstrauische Grundhaltung entwickeln. Eine Behörde, die mit verdeckter Ermittlung geradezu protzt, dass sie so etwas macht, bei der AfD, bei sogenannten Gefährdern, wird nicht selten das Gegenteil erreichen: durchgeknallte Menschen, denen alles egal ist.

Ich finde es schwierig, mich davon abzugrenzen.

Ich habe eine absurde Logik entwickelt, mit dieser Wirklichkeitsanpassung zu leben? Das weiß ich, aber diese Paradoxie macht es unmöglich, sich (nach erfahrener Manipulation) therapeutisch helfen zu lassen.

# Die böse Welt

Mir wurde die Welt erklärt, und ich habe alles geglaubt, so wie man mich unterwiesen hat. Ich wurde nicht erwachsen. Das ist meine Diagnose. Die unfertige Abbildung eines großen Gemäldes, das ich gerade male, zeigt meinen Vater mit mir im Fischauto: Das rothaarige Kind am Fenster stellt mich selbst dar. Anfang der Siebziger könnte es sein, dass wir so unterwegs waren am Markt. Mein Vater sah etwas da vorn, lebte seinen Traum. Er mag eine naive Haltung zur Realität gehabt haben? Erich war zunächst glücklich damit!

Sein bitteres Ende hat mich geprägt.

Meine Bilder, niemand sonst scheinbar will das sehen, so lange mir nicht gelingt, einen Partner für Ausstellungen zu finden. Und das sabotiere ich nach Kräften. Warum? Selbst schuld, ich möchte es erleben auszuhalten, dass die anderen nur um sich selbst kreisen wie ich, aber mir genau das vorwerfen, nämlich zu viel Raum zu beanspruchen – und sich selbst noch als nützliche Elemente unserer Welt darstellen und mich als nicht bloß harmlosen Spinner. Weil das eine Lüge ist, male ich. Ich möchte den Zeitpunkt meiner Veröffentlichungen selbst bestimmen, den Rahmen definieren, in dem es geschieht. Das gesteht mir keine Galerie zu. Ich bin nicht wichtig. Einige Beispiele emotionaler Not, die sich hinter diesem fröhlichen Kinderbild verbergen, an dem ich schon lange arbeite, und das noch lange nicht fertig sein wird, fallen mir ein aufzuschreiben. Es bedeutet mir meine Freiheit und die Kunst, Geschichten wegzulassen, Gedanken anzustoßen, wie es die Aufgabe der Kreativen ist. Wir sollten nicht auf den kommerziellen Erfolg schauen, sondern auf Emotionen. Wir möchten gläubig sein, und das heißt, lieber keine Kirche zu betreten leider. Wir seien gewollt: von Gott, der Natur, dem allmächtigen Dasein. So lehrte und ermuntert uns Christus. Und dann kommt die Meute und nagelt ihn an. Die jedenfalls wollten ihn nicht. Sie wollten ihn fertigmachen.

Wer keinerlei Perspektive erkennt, geht. Menschen sind entschlossen vom angeschlagenen WTC gesprungen, als sie erkannten, es würde keine Rettung geben. Viele reden vom Überlebenswillen, den der Mensch habe, aber das heißt Sprache panschen. Ein Wille an sich zeigt sich in einer bewussten Tat. Man strengt sich an, geht entschieden wohin. Das ist nicht typisch für ein Lebewesen, zum Überleben den Willen zu bemühen. Man atmet, ohne es extra zu wollen, hat keine Vorrichtung, das eigene Herz abzustellen oder benötigt den Willen zum Essen. Jeder wird hungrig, wenn der Magen leer ist und insofern ist es keine Willensleistung, das Überleben sicherzustellen.

Um sich selbst zu töten hingegen, braucht derjenige eine entschlossene Haltung. Das sieht man schon an denen, die damit hadern, so etwas zu tun. Es ist eine für uns alle interessante Gruppe. Das sind Menschen, von denen wir lernen könnten, bewusster zu sein, bewusster zu leben. Manche haben die Schnauze gestrichen voll und sehen keinen Ausweg. Das sollte man solchen Leuten und natürlich sich selbst auch zugestehen, wenn dem so ist. Dagegen unternehmen die blödsinnigsten Weltretter, die wir stets an unserer Seite haben, einiges. Das Leben wird aber lebenswerter, wenn einer lernt, seinen Kummer überhaupt auszuhalten, sich erlaubt, das Unangenehme zu spüren, weil schon deswegen die nicht unberechtigte Erkenntnis reifen dürfte, dass nie konstant, also gleich schlimm die Zeit über an uns nagt, was uns jeweils plagt.

Gestehen wir denen, die aus guten Gründen Suizid begehen, diese Tat erst einmal zu und nennen solche Menschen nicht feige. Wenn ich in einem Bürohochhaus arbeite, weit oben, und gerade unter mir ist spontan ein Passagierflugzeug ins Gebäude geflogen, wer kann sich’s vorstellen? Nun ist alles kaputt, jeder Weg verbaut und die Aussicht, weiter oben im Wolkenkratzer noch abgeborgen zu werden, gering, bevor dieser Tower zusammenstürzt oder das Feuer mich bei lebendigem Leiben fressen wird? Dann ist in die Tiefe zu springen nicht das Schlechteste. Ein Wesen trachtet danach, Probleme zu lösen. Stehen Alternativen zur Verfügung, wird eine intelligente Kreatur die bessere wählen. So einfach ist es.

Aktuell findet ein in der Geschichte Frankreichs bisher größter Vergewaltigungs- und Missbrauchsprozess an Minderjährigen statt. Ein heute im Rentenalter lebender Arzt hat hunderte junge Frauen im wehrlosen Zustand der nachlassenden Narkose anschließend einer Behandlung missbraucht. Er befingerte die Mädchen allein mit ihnen in der Praxis, und nicht wenige Eltern glaubten anschließend, ihre Kinder beschwichtigen zu müssen, das wären mutmaßlich medizinisch notwendige Eingriffe gewesen und kein notgeiles Betatschen. Eltern sind so. Zwei der Opfer begingen Suizid. Hunderten wurde nicht geglaubt. Erst die aufgefundenen, detaillierten Tagebücher dieses Monsters führten zur erfolgreichen Anklage gegen den Mann. Er ist geständig, aber seine Reue überzeugt kaum. Die Suizide der beiden Jugendlichen sind nachvollziehbar, schaut man sich die Situation mit den Augen der Betroffenen an. Sie waren vermutlich junge Frauen, denen noch ein gutes Stück Lebenszeit unter der Obhut ihrer Eltern bevorstand und konnten vom Ort ihres Lebensmittelpunktes nicht einfach weggehen. Das Vertrauen in die Umgebung wurde bei ihnen zerstört. Es standen womöglich weitere Arztbesuche in den nächsten Monaten oder Jahren im Raum? Andere Erwachsene, Freunde der Eltern oder Verwandte im Umfeld könnten den Geschädigten nun ähnlich bedrohlich vorgekommen sein? Der notwendige, sichere Schutz durch Mama und Papa ist von den Kindern bei speziell diesen Familien nicht mehr als solcher empfunden worden? Das wäre möglich, eine tiefgreifende Traumatisierung dürfte ihnen vollkommene Perspektivlosigkeit suggeriert haben. Mag ein Selbstmord eine Kurzschlusshandlung sein, die nur deswegen geschieht, weil den Gepeinigten bessere Wege unbekannt sind? Selbstmördern Feigheit vorzuwerfen, kommt hier jedenfalls nicht in Frage. Beim Akt der Selbsttötung von etwa Adolf Hitler in der Ausweglosigkeit im zerschossenen Berlin im Führerbunker, dürfen wir uns diese Bewertung schon eher gefallen lassen.

# Schuld

Führer Hitler hätte sich erhobenen Hauptes gefangen nehmen lassen können und im Prozess sagen, dass er’s nach wie vor richtig fand, was er alles zu verantworten habe, und dann hätten die Allierten ihn hingerichtet. Da ihm das schlimm vorgekommen sein muss als wahrscheinlichste Bedrohung seiner nahen Zukunft, beging Adolf Hitler Suizid. Das gibt uns eine Vorstellung von seinen Befürchtungen, die er nicht ertrug, öffentliche Zurschaustellung, unerträgliche Vorwürfe, die er nicht hätte widerlegen können, anschließend bevorstehende Hinrichtung. Der Unterschied der Motivlage zu Menschen, die selbst Opfer der Situation sind, ist vermutlich das nicht zu verdrängende Bewusstsein eigener Schuld. Hier sollte ein Mensch beginnen nachzudenken, dem des Lebens überdrüssig wird –, bedeutet die Zukunft, sich dem eigenen Handeln, das man früher machte, absehbar stellen zu müssen? Wenn ich ein kleines Mädchen auf dem Behandlungstisch bin, und der Arzt begrabscht mich, kann von eigener Schuld keine Rede sein. Dem jugendlichen Menschen eventuelle Schuldgefühle ausreden zu wollen, die da möglicherweise trotzdem aufkommen, dürfte durch die komplizierte individuelle Realitätssicht erschwert werden.

Eine möglichst objektive Sichtweise ist also der Anfang vernünftigen Denkens. Nehmen wir den Fall der Attacke von Brokstedt. Das kenne ich nur aus den Medien, und man könnte mir Anmaßung vorwerfen, darüber überhaupt zu schreiben? Das probiere ich auszuhalten. Ich kenne Situationen, wo ich andere erleben durfte, die mir Vorwürfe machten wegen sonst was.

So ungefähr stand es in der Zeitung: Im Regionalexpress kommt es zunächst zu aggressiven Diskussionen mit einigen Reisenden, und im Anschluss ersticht der gerade aus dem Gefängnis Entlassene zwei junge Menschen. Eine ins vorherige Reden mit dem späteren Täter verwickelte Person, eine Frau, so habe ich das gelesen, beging später Suizid, heißt es. Sie gilt als „drittes“ Opfer. Es stand in einer Zeitung, sie sei bereits seit längerem psychisch krank gewesen und behandelt worden. Wenn ich jetzt aus dem Bauch heraus sage, dass hier Schuldgefühle vorstellbar wären, sie habe, weil sie ein Streitgespräch mit dem Attentäter führte, geglaubt, dass ohne ihr Zutun die Situation nicht eskaliert wäre, dürfte das die Grenze meiner Meinungsfreiheit berühren? Man könnte probieren mich zu belangen, unmöglich finden, was ich sage ohne wirkliche Kenntnisse. Sei’s drum, so denke ich aber.

Mir geht es nicht darum, die Gefühle von Angehörigen zu verletzen oder Tipps zu geben zum Thema Migration, der Politik oder der Justiz Vorwürfe zu machen und Ideen beizusteuern, unsere Welt zu einem vollkommen sicheren Ort zu machen. Mir liegt dran, mein eigenes Empfinden zu verstehen und möglicherweise Wege aufzeigen zu können, die jeweils einzelnen Personen nützlich wären, auch ihr Verhalten zum Besseren ändern zu können, wie mir das gelungen ist.

Um nun also vom World Trade Center in den Tod zu springen anschließend des Einschlags vom Terrorflugzeug, ist keine selbstempfundene Schuld nötig, das zu tun. Um dem Leben ein Ende zu setzen anschließend nachweisbarer Verbrechen, die man zu verantworten hätte, wie etwa Jeffrey Epstein sich in seiner Zelle erhängte oder Adolf Hitler sich erschoss, dürfte die empfundene Ausweglosigkeit in der nicht zu ändernden, den anderen bekannten Vergangenheit liegen. Im dritten Fall einer möglichen Kurzschlusshandlung, sieht derjenige keine Perspektive, weil ihm die Mittel fehlen, seine Schuldlosigkeit zu erkennen – oder ihm die Fantasie nicht gegeben ist, zur eigenen Verteidigung Schritte einzuleiten, mit möglichen, bald zu erwartenden Vorwürfen klarzukommen und zukünftig in bessere Fahrwasser zu manövrieren. Die Schuld von Epstein oder Hitler ist eindeutig für jedermann erkennbar, aber es gibt eben auch Menschen, die sich innerlich verurteilen im vorauseilenden Selbstvorwurf für Taten, die von tatsächlichen Anderen im Umfeld milder gesehen werden könnten. Ein Leben im Gefängnis und die Zeit damit zu verbringen, Reue zu lernen, könnte eine Perspektive sein für Straftäter, die sie, wenn sie diese erkennen könnten, von einer Selbsttötung abhalten.

# Jetzt sage ich: „Ich!“

Ein Straftäter wie ich, der einen Idioten schlug, der erkennbar Rufmord betrieben hat gegen meine Existenz, meine Person, es womöglich weiter macht, kann sich leichter freisprechen vom Gedanken, keine Perspektive zu haben. Wo die Umgebung selbst Schuld auf sich lädt, weil sie dem Spacken vom Dorf, das soll ich sein, einen Denkzettel verpassen möchte, bieten sich kreative Möglichkeiten. Wie auf gemeinschaftlich inszeniertes Ghosting zu reagieren wäre, musste ich mir überlegen. „Malen hilft“ ist der Titel eines Gemäldes, das ich auf die Website stellte: Ein Gewaltporno mit meiner vermeintlichen Freundin ist zu sehen. Daran bin ich schuld, das gemalt zu haben und sollte mich schämen, das stimmt.

Was also meiner Attacke vorausging, ein Bild, eine Anzeige: Die Polizei war scheinbar nicht bereit, die mit dem Fall beauftragte Staatsanwaltschaft aufzufordern mitzumachen. Man hat ein bescheuertes Verfahren eingestellt. Das kann ich schreiben. Bescheuert, das ist meine Meinung, war jedenfalls diese Ziege, die meinte, meine junge Kunstfreundin an die Hand zu nehmen und mit ihr zu den Bullen zu rennen. Dabei wurde geflissentlich ausgeblendet, dass ein Opfer, das die Zeit über vorher zweigleisig und betreut gefahren ist, sich scheinbar im Team besprochen hat, was mir gegenüber zu tun sei, am Ende kein Opfer mehr sein kann.

„Ich möchte, dass du weißt, dass ich für dich da bin.“

Dann aber doch nicht? „Du bist ja auch verheiratet.“ Das war doch bekannt. Von Liebe war nie die Rede. „Lieber John …“ und „Liebe Grüße“, so schrieben wir (jahrelang). Wir fassten einander nie an. Einmal probierte ich, ihr zur Begrüßung die Hand zu geben. Es war ihr nicht recht, und dann las ich im Internet, einer Russin gibt man nicht die Hand. Nur die Männer geben sich zur Begrüßung die Hand in ihrer Heimat. Als mein Vater gestorben war, machten wir einen Spaziergang an der Elbe. Anders als zuvor, wollte sie’s scheinbar nur schnell hinter sich bringen, mit mir zusammen zu laufen, warum? Anschließend das abrupte Ende, inzwischen ganz offensichtlich fingiert; das muss doch Ärger geben.

Mir waren längst Zweifel an ihrer Aufrichtigkeit gekommen.

Das tut weh, weil wir intime Gedanken teilten über einen langen Zeitraum. Es hätte jederzeit die Gelegenheit zur verbalen Abgrenzung bestanden. Schon zu Beginn der intensiver werdenden Bekanntschaft, man hätte sich etwa siezen können? Das habe ich gefragt und angeboten in der Bäckerei, wo sie damals arbeitete. Nun dürfte sich solche, künftige Kommunikation derart gestalten: „In Ihre Ausstellung komme ich gern mal.“ Und anschließend: „Leider hat es diesmal nicht geklappt mit der Vernissage. Schreiben Sie mich aber gern wieder an.“ Auch sonst, wenn einem Partner der (wie auch immer gearteten) Beziehung unangenehm ist, bieten sich dem Erwachsenen doch reichlich Möglichkeiten für klare Worte. Das hätte diese Freundin übrigens auch gekonnt und getan, sich abgegrenzt, da bin ich mir ganz sicher. Ich habe sie als Persönlichkeit geschätzt. Deswegen denke ich, dass die junge Frau eine „Beratung“ erfahren hat, der sie sich nicht entziehen konnte, von mir gegenüber nicht genannten „Freunden“. Eine hochdramatische Lage stand schließlich (womöglich) unausgesprochen im Raum? Das hat mich nicht nur irritiert, sondern endlich klar sehen lassen; was für ein mieses Spiel. Ich gebe meine Schwächen zu, und dann das. Aus meiner Vergangenheit Kapital schlagen wollen: „Er ist ja verrückt, weißt du?“ –, so könnte sich’s angehört haben. Wer sein vermeintliches Polizeisein zum Rufmord im Dorf hin ausweitet, muss schließlich doch notwendigerweise an seine Grenzen stoßen. Dafür gibt es die freie Meinung, die kreative Kunst im Rechtsstaat. Ich habe diese, meine Möglichkeiten erkannt und beherzt zum Pinsel gegriffen. Wer mutig ist, an meiner Seite soufflierten Text zu rezitieren, sollte Rückgrat haben, ein schäbiges Maling zu ertragen. Insofern die nötige Provokation, Aufpasser aus der Deckung zu zwingen.

Meine Kunst wird belebt durch Menschen, die sich nicht zu helfen wissen, nicht geradeaus sagen können, wer sie sind, was ihnen zusteht. Das ist buchstäblich grenzenlose (und grenzüberschreitende) Dummheit. Ein gemeinschaftliche Motiv bildet nur vermeintliche Stärke. Wie borniert die schließlich losgetrabt sind, möchte mein Bild „Gurken und Rosen“ zeigen. Gekränkte Eitelkeit und die Einsicht nachlassender Attraktivität bei der Älteren, der allen voranrennenden Obergurke, dürften eine Rolle gespielt haben, hier noch einmal richtig Gas zu geben (obwohl ich meine Website mit dem Bild „Malen hilft“ bereits komplett gelöscht hatte). Niemand wollte reden, aber alle meinten, Bescheid zu wissen? Idioten scheitern, und da sind wir gezwungen, miteinander auszukommen? Dass hier der Nährboden für einen Gewaltakt gejätet und bepflanzt wurde und ein schenes Schlachtfeld geschaffen, ist nicht meine Schuld.

Man muss es ja nicht lesen: Ich spreche immer von mir, meiner Angst, nicht lebenswert zu sein, meiner Erkenntnis eigener Schuld, die ich nicht abstreiten kann, ihr aber zuweise, eine Bagatelle zu sein. Wo Rauch ist, sei Feuer, heißt es. Man kann Glut anfachen oder löschen. Wenn Eitelkeiten der Motor sind, Versagen des Apparates unter dem Deckmantel des Monopols staatlicher Gewalt wegzukehren, dürften Recht und Gesetz (von jeder Seite beansprucht) letztlich dem Geschädigten nützen. Deutungshoheit verteidigen, darum gibt es diese Website. Das ist mein Vorwurf: Menschen verfolgen andere, stempeln sie ab, weil sie ihrer Hypothese folgen, als wär’s eine gut begründete Theorie. Als Boulevard über sogenannte geistig Kranke zu richten, mutmaßlich gefährliche Menschen zu urteilen, nützt nur Populisten. Eine bittere Erfahrung; die Politiker, die ich persönlich kennenlernte, beleben absolut das negative Bild, das die Verdrossenen im Land, die nie mehr wählen gehen, allgemein vom Staat zeichnen. Und ich kann zeichnen.

Ich habe gelernt, meine Vergangenheit auszuhalten. Ich habe darüber zu reden gelernt, kann mich ausdrücken, schreiben und muss mich nicht verbergen wie diese Leute in Amt und Würden, die stets danach trachten, ihre Blöße zu bedecken. Ich habe Not empfunden, empfinde regelmäßig, weg zu wollen, ganz zu gehen, muss immer wieder neu lernen, mich gegen meine Gedanken und Gefühle in Stellung zu bringen. Die Kirche, die ich erlebe hier im Dorf, ist nichts als der verlängerte Arm der Politik und Polizei hier ums Dorf herum. Polizisten haben nie das Wohl des Einzelnen, sein gesundes Dasein etwa im Blick, sondern immer das Ganze. Wie die Psychiater und auch die Politik fühlt sich die Polizei als ordnende Kraft des Systems dazu verpflichtet, insgesamt Stabilität zu gewährleisten. Dafür gehen diese Leute notfalls über Leichen, damit ihre Annahmen als stimmig durchgehen. Die haben die Lizenz zum Töten, meinen sie. (Ich lebe noch). Glaube könne helfen, sagen diejenigen, die an Gott glauben. So wie die Stadtoberen seinerzeit ihren Stephanus hingerichtet haben oder den Heiland Jesus Christus, heute verehrte Märtyrer, machen es die Leute weiter. Sie grenzen welche aus ihrer Mitte aus.

Adenauer sagte, so ist es überliefert, wir müssten die Menschen nehmen, wie sie sind. Es gebe keine anderen, befand der erste Kanzler unserer schönen Bundesrepublik. Das muss ich weiter lernen zu akzeptieren, weil es richtig ist, weil ich es nicht einsehen kann und damit mein Fehler diese Störung ist, die aber ihr Leute mir beibrachtet. Die Gesellschaft hat mich traumatisiert. Ich erkenne es, kann mich ändern. Mächtige, mir überlegene Menschen, mächtigere als ich selbst es bin, ändere ich kaum: Dich da oben im Turm und im Gefolge deinen Pfosten (dieses Arsch, das im Leben nicht lernte zu sprechen, ohne mit der Zunge anzustoßen), die vielen, feigen Mitmacher einer hirnrissigen Gutmenschlichkeit, die ihr meint zu vertreten; euch ertrage ich täglich.

Unser Leben solle ein Opfer sein, heißt es, das sei unser täglicher Dienst im Weinberg des Herrn. Den Zorn mögen wir überwinden, wird geraten, und das lässt Raum, Wut auszuleben, bis man weniger davon benötigt. Meine körperliche Gesundheit habt ihr ruiniert, aber meine Psyche repariert durch euer Scheißesein.

Danke dafür.

🙂