Im Auge des Betrachters

Dieses Menü zeigt Skizzen. Ursprünglich wollte ich immer weiter zeichnen nach dem Motto „mehr davon“ oder „to be continued“, wie man es aus dem Englischen kennt, Fortsetzung folgt. Das hatte ich mir vorgenommen. Inzwischen lässt der Drang nach. Ich mache weniger von dem Zeug, habe etwas erreicht. Aber der Reihe nach: Es sind Notizen vor Ort. Ich halte bestimmte Begegnungen fest. Das gibt mir ein Stück Dorfgeschichte zurück – und fröhliche Deutungshoheit. Mich hatten einige für dumm verkauft (als Quiddje, der ich naiverweise war), meine Vergangenheit gedreht und weidlich ausgeschlachtet?

Wer über den Zufall verfügen kann, mir nach Wunsch passgenau zu begegnen, und so kommt es mir vor, nutzt kriminelle Technik, entwickelt kriminelle Energie. Wenn auch nur einer das hinbekommt, so wird man doch paranoid hochrechnen. Es verändert das Bild insgesamt. Viele andere Begegnungen, die gar nichts damit zu tun haben, erscheinen nun ebenfalls mysteriös. Ein Trauma bleibt. Der Magen bricht. Das psychotische Weltbild klopft an: „Gott hasst mich!“ Ich spreche von mir selbst. So werden Menschen verrückt gemacht. Andere sagen lapidar: „Der Narr!“ Meine Antwort darauf?

Das hier ist mein Narrenspiegel.

Nach Attacken in Brokstedt, Magdeburg und Aschaffenburg vergeht der Gesellschaft regelmäßig das Lachen. Die Leute kommen nicht auf die Idee zu spotten. Nur ich scheinbar weiß: Menschen werden verstört, bis sie um sich schlagen, stechen, bomben. Provokation bis zum Tod. Es ist nicht einfach, allein und still für sich zu gehen. Gegen Spionage kann man sich schlecht wehren wie gegen Rufmord. Das ist immer aktuell. Am Fahrradladen hängt ein Schild: „Liebe Gerüchteküche, wir schließen nicht!“ Man schmunzelt? Nicht zum Lachen ist das. Auf dieser Strecke laufe ich täglich, treffe Menschen zu oft und kann das nicht beweisen. Eine alte Dame und andere, die man sieht, sind nicht gemeint. Die reden oder grüßen normal.

Nette Leute.

Wer hingegen zu oft kommt und zudem was will, verrät sich durch Penetranz oder bewusstes Beiseiteschauen. Bekannte, die man nur so trifft, plaudern einfach nur so. Wer hingegen mit der Fragestellung aus dem Haus geht: „Wo ist Bassiner, in welche Richtung unterwegs“, könnte das noch aus einer Deckung hinbekommen. Das reicht nicht? Man möchte nebenbei gemocht werden und auf schäbige Weise Vertrauen gewinnen. Das habe ich angenommen. Eine beunruhigende Vorstellung. Es ist mehr dahinter, vorgeblich natürlich zu wirken als Nachbar, jemand aus der Straße sein zu wollen. Solche Agenten, die ich meine, sind Laienschauspieler und in der Sache unehrlich. Das sind keine Freunde. Ich bilde es mir nicht ein? Es lässt sich manches beschreiben. Ich weiß ja selbst, wie lächerlich ich rüberkomme. Es ist nicht komisch. Mein Gegenbeispiel findet sich direkt vor der Tür. Ein Parkplatz, auf den ich sehe, wenn ich im Atelier bin. Die meiste Zeit vom Tag bin ich hier, zu Hause. Dauernd schaut man nebenbei auch aus dem Fenster. Das ist ja ganz normal. Genauso normal ist wohl, zu registrieren, wer dort parkt vor dem Restaurant. Es gibt Kunden der Geschäfte, irgendwelche Wagen und Autos, die hier sowieso hingehören. Das weiß man irgendwann. Man kennt die Fahrer, Fahrerinnen und ihre Gewohnheiten. Eine hübsche junge Frau ist auch dabei. Sie fährt ein kleines Auto. Das Fahrzeug ist gelegentlich nicht auf seinem Platz. So bekomme ich mit, dass sie es nutzt, und später steht der Kleinwagen wieder da. Es kann tatsächlich bis zu drei Monate dauern, dass ich diese Fremde beim Ein- oder Aussteigen selbst sehe! Obwohl ich regelmäßig mitbekomme, dass ihr Wagen fortgefahren ist, sie also eingestiegen sein muss, abgefahren ist. Das meine ich, das ist Zufall, und wer rechnen kann, versteht.

Es hilft mir, bei Verstand zu bleiben.

# Gar nicht ignorieren

Drauf gekommen, was ich an dieser Stelle zeichnend machen wollte, kam ich durch einen Leserbrief zum aktuellen Thema „Waffenverbote“. Inzwischen gibt es Gesetzesänderungen. Im Nahverkehr (oder auf dem Hamburger Dom) dürfen Menschen keine Waffen dabeihaben. Nur wenige Jahre zuvor hatte die allgemeine Gesellschaft noch lustvoll aufgerüstet. Nicht wenige machten einen „Kleinen Waffenschein“, und auch Softair-Pistolen schafften sich die Leute gern an. Das kam in den Medien. Darüber wird nicht mehr berichtet. Was vor einiger Zeit als schick galt, verschweigt mancher heute lieber.

Waffen verboten! Als die neuen Regeln debattiert wurden, ereiferte sich ein Senior im Tageblatt, er trage seit der Jugend ein Schweizer Messer in der Hosentasche. Das wäre ein Geschenk von seinem Vater gewesen. Wenn er nun auf den Weihnachtsmarkt ginge, müsse er dieses Wandermesser daheim lassen? Der regte sich auf nach dem Motto: „Früher war alles besser!“ Ein Leserbrief zum Schmunzeln. Man stellt sich den Entrüsteten als biederen Opa vor, der draußen Rast macht, seine Stullen auspackt, den mitgenommenen Apfel fürs Enkelkind schält und allgemein Häppchen verfüttert. Heile Welt. Nun befürchtet der Gutmann, auf dem Volksfest abgetastet zu werden und Strafen drohen? Angesichts der Gewalttaten in der nahen Vergangenheit muten die Worte des Seniors albern an. Abbildungen von Messern in Medien zeigen, was gemeint ist. Waffen von Menschen, die zur Wahrung ihrer Ehre gewaltbereit handeln, sind keine Spielzeuge.

# Schutz der Person

Handelte der Gesetzgeber nicht, würden die Rufe nach Konsequenzen überlaut, insofern eine verständliche Entscheidung. Mir ist dennoch mulmig. Nicht weil uns überall Terror droht, sondern weil man die Zügel anzieht, wo es geht. Es ist ein Zwang in Gang gekommen. Neue Forderungen überbieten die geltenden andauernd. Wo führt das hin? Der Staat schaut hin. Die Bürger schlagen zurück. Die in der Hosentasche heimlich geballte Faust kann nicht kontrolliert werden. Ich frage mich also (wo es heißt, die Meinungsfreiheit sei in Gefahr), ob unser freies Wort noch mitgeführt werden darf? Man macht Gesichter unscharf, um Persönlichkeitsrechte zu wahren. Gerichtszeichnungen sind erlaubt. Wo ist die Grenze, das will ich wissen. Das eigene Hirn voll böser Gedanken oder ein Skizzenbuch plus Stift, um Gesehenes festzuhalten: Ist das eine Waffe in meiner Jackentasche, wenn ich’s dabeihabe?

Das auszuprobieren, war die Intention für dieses Projekt – und ja, nach einem Monat schon haben „wir“ geredet.

Es kann so stehenbleiben, denke ich.

# Schuss!

Die wohlmeinende Gesellschaft will regulieren. Sie drängt den Einzelnen in die Mittelmäßigkeit, falls jemand mit eigenen Ideen kommt. Soziale Strukturen greifen, wo Menschen zurückbleiben. Und auch hier ist das Bestreben, Schwächere dem Mainstream anzugleichen. Wer sich behaupten kann, genießt Sportlichkeit. Ein individuelles Profil muss man sich erarbeiten. Im Wettbewerb die Oberhand behalten, sich als Gewinner darstellen, das sind wir. Wer kollabiert, soll gefälligst hilfsbedürftig um Anerkennung buhlen – und bekommt trotzdem Gegenwind. Bevor die Gesellschaft einen Sünder wieder aufnimmt, muss der sich doppelt beweisen. Die alltäglichen Kränkungen einzustecken, gelingt nicht mehr: Da werden als „psychisch krank“ Beschuldigte kreativ. Ich bin so einer. Ich stelle mir die Frage, wie es möglich ist, der Pauschalität zu trotzen?

Blockade.

Man tut bestenfalls wenig für andere, geht nicht zur Wahl, ignoriert das Woke-Sein.

Sand in das Getriebe streuen, Graffiti gefallen mir. Was den Leuten als Schmutz gilt, kann nicht beseitigt werden, ohne tausendfach wiederzukommen. Wie könnte der Einzelne dem gut Situierten Psychoterror bereiten? Spazieren gehen ist erlaubt. Zeichnen ist nicht verboten. Alles, was nicht als strafbare Handlung gelten kann (aber Panik auslösen dürfte), muss man probieren. Das empfiehlt die Kunst. Andernfalls gibt es keine sozialen Erfolge gegenüber dem Umfeld. Einer wie ich kann nicht einfach in Frieden leben. Wir sind das willkommene Material für Weltretter. Solche möchten sich auf Kosten der Schwächsten profilieren. Sie nageln „Gestörte“ fest. Wir benötigen Hilfe? Davon sind Gutmenschen überzeugt. Die fragen nicht. Sie greifen ein wie der dumme Junge, der ungebeten eine fremde Seniorin über die Straße zerrt.

Labile Menschen ohne Selbstbewusstsein gelten selbsterklärten Aufpassern als tickende Zeitbomben. Möchtegernpolizisten treibt die paradoxe Haltung, es wären latent gefährliche Menschen unterwegs, und sie könnten solche erkennen. Ein Herold kommt selten allein. Der Erfinder der Rasterfahndung ist tot. Die Enkel aber vermehren sich wie Karnickel. Etablierte Modelle leben weiter und beleben die künstliche Intelligenz. Ein neuronales Netz häkelt sich die Maschen selbst. Das kann noch ungemütlich werden, wenn Kollege Computer uns nach Schema „F“ observiert und proaktiv die Akte generiert. Dagegen sind Rundfunk-Beitragsservice oder Schufa harmlos. Verdacht reicht aus. Wer spinnt, nicht richtig tickt, läuft womöglich Amok? Die Masse macht gern mit. Jeder ist ein Denunziant. Eine ungewöhnliche Meinung ist keine. Nur richtige Ansichten sind korrekt. Keinesfalls konservativ möchte die Cancel Culture sein? Für immer beibehalten zu wollen, was heute als richtig gilt, erfordert eine konsequent rückwärts gewandte Sicht. Leute geben bloß vor, Benachteiligte zu befreien oder zu schützen. Sie beweihräuchern sich selbst mit allerlei Unfug. Tatsächlich befruchtet die Moderne ihre eigene Inzucht. Es gibt schließlich keine Innovationen, wo das freie Wort als gefährlich und falsch gilt. In dieser Zukunft belebt jede Reflexion massive Kritik, dass Verbote unumgänglich werden. Niemand will im Shitstorm mitgerissen werden.

Deswegen ist unbequem zu sein notwendiger denn je.

Ein Rechtsstaat benötigt Gewaltenteilung. Der Rechtsruck möchte die Umständlichkeit demokratischer Strukturen verkürzen. Das ermuntert Ordnungskräfte, den Richterspruch nicht abzuwarten und sofort vor Ort loszuballern. Da wird schon mal der Taser steckengelassen und die echte Kanone gezogen. Leider verwechselt. Kann passieren. Man liest häufiger vom finalen Rettungsschuss, der nötig gewesen wäre. Milde Verfahren schützen. Der Arme wird auf eine andere Dienststelle versetzt. Entsprechend ungeschickte Kollegen gehen in der Regel straflos aus. Gibt es einen internen Preis für erfolgreich erlegtes afrikanisches Freiwild mit Psychofaktor? Bumm, tot. Eine unerhörte Fragestellung und nicht zulässig.

Achtung Satire! Die Politik ist nicht untätig. Es gibt wichtige Gesetze. Rechtsnationale Autokennzeichen sind verdächtig. Wer etwa Susanne Allewelt heißt und sich initial verewigen möchte (wie jeder Max Mustermann es kann), hat Pech gehabt. Manche Kombi darf man nicht generieren. Da würden Menschengruppen in ihrer Würde verletzt. Wir schauen hin, passen auf! Die Beamten verdienen Respekt.

Es heißt, wenn doch geschossen würde, die Uniformen handelten in Notwehr. Das müsste sein, wenn ein Mädchen mit Pappkanone bedrohlich auf sie zusteuert, erläutert ein Sprecher. Eine täuschend echte Attrappe habe die polizeibekannte, drogensüchtige Frau auf die Beamten gerichtet, schreibt eine Zeitung. Dann liegt wieder eine erst Zwanzigjährige totgeschossen in ihrem Blut.

Anschließend folgt unerträgliches Geschreibsel vom traumatisierten Beamten, der das Bild seiner Tat nicht vergessen kann.

# Nach dem Tod berühmt …

Ich lese diese Berichte. Mir macht das Angst. Ich weiß, das könnte ich sein, den es erwischt. Unsere Freunde und Helfer haben das nach ihnen benannte Syndrom. Polizisten halten sich für gute Menschen und Helden. Sie glauben, die Gesellschaft ritterlich zu beschützen, meinen, psychisch Kranken helfen zu müssen, brav zu bleiben:

„Ruhig, Brauner!“

Als wäre man ein störrischer Gaul, der jederzeit durchbrennen könnte. Einer, der Zuckerbrot oder Peitsche benötigt.

Einen Tritt bekommt ihr ins Gesicht.

🙂