
Krieg der Worte
Probleme mit dem Wort sind immer wieder ein Grund für mich zu schreiben. Angefangen mit typischen Begriffen wie Faulheit, Gedächtnis oder Liebe sind das Bezeichnungen, die beinahe wie Sachen stofflich den Sprachgebrauch prägen. Warum ich nicht an messbare Intelligenz glaube, einen Quotienten dafür – nun, das ist ein überfrachtetes Wort. Oft ärgert mich, wie wir mit etablierten Ausdrücken das Menschsein verfehlen. Jetzt finde ich wieder eine kleine Geschichte (zusammen, muss man schon sagen, ein ganzes Sammelsurium von Bildern), auf alltägliche Selbsttäuschung hinzuweisen. Natürlich sind manche Menschen besser. Es gibt gute Schüler und schlechte. Es ist vollkommen klar, dass einige von uns weniger begriffsstutzig sind, schnell auffassen, insgesamt klüger handeln. Damit hat das Wort von der Intelligenz seinen Platz in der Sammlung menschlicher Erklärungen. Das kann keiner bestreiten. Der Begriff bündelt die Erfahrungen, welche wir mit intelligenten Verhaltensweisen machen. Wir nutzen die Sprache als unseren zügigen Intellekt und können den anderen mitteilen, was gemeint ist. So weit, so gut. Da gibt es vieles, das wir komprimiert nutzen, uns verständlich zu machen. Natürlich kann man Testverfahren kreieren und wird nicht so falsche Ergebnisse bekommen, den intelligenteren Zeitgenossen sichtbar zu machen. Trotzdem beinhalten Abkürzungen Risiken, die Wahrheit einer Situation falsch einzuschätzen und, wie ich denke, mit gelegentlich fatalen Folgen. Es kann weh tun und weiter Unheil anrichten, wenn Menschen, ohne eigentlich selbst das zu bemerken, andere wegstempeln.
# Gezeichnet
„Erledigt!“ draufhauen oder selbst schreiben, nachdenken, malen: In Bildern kann man größer denken als bloß in Worten. Das ganze Spektrum abbilden, heißt insofern über den Tellerrand blicken und die mehr als tausend Worte einer kleinen Welt zu verstehen. Geschichten leben. Sie dürfen nicht verschmiert werden, damit sie ihr Gesicht zeigen können. Bilder sollen sich was trauen, müssen authentisch sein.
Vorweg, ich weiß noch, wie in der Sendung mit Günter Jauch, „Wer wird Millionär“, ein Kandidat durch den Kakao gezogen wurde, weil dieser eine scheinbar ganz einfache Frage nicht beantworten konnte. Tamas Golya (27) aus Stuttgart, Magister (Soziologie/Politik) musste für die richtige Beantwortung zwei Joker setzten, erinnert sich noch das Nachrichtenmagazin Stern.
„Klappe zu – Affe tot!“
Das war bei uns eine stehende Redensart, mit der man bei vielen Gelegenheiten Spaß bringend kommentierte. Der junge Mann konnte den Spruch nicht vervollständigen, und auch die angerufene Oma wusste keine Lösung. Jeder meiner Freunde oder auch einer aus der Generation meiner Eltern hätte auf: „Klappe zu …“ (in unserem Sinne korrekt) mit: „… Affe tot!“ geantwortet. Alle stimmten in wieherndes Gelächter ein, nutzte man den rechten Moment, beim entsprechenden Malheur, das anzusagen.
Wikipedia erklärt, früher wäre üblich gewesen, dass kleine Affen in einer Holzkiste am Kassenhäuschen vom Zirkus als Attraktion gezeigt wurden. Affen wären dort zu dieser Zeit die Hauptattraktion gewesen. Starb der Affe, bliebe die Klappe geschlossen, und es habe keine Vorstellung stattgefunden, heißt es.
Mag sein, aber davon hatten wir noch nie etwas gehört, sondern einer wie Heinz Erhard, Fips Assmussen oder Günter Willumeit (als „Bauer Piepenbrink“), verballhornte das für einen Witz, den jeder im Fernsehen gesehen hatte in den Achtzigern. Ich kann mich im Detail nicht erinnern, jedenfalls war’s eine schwierige Frage für einen Stuttgarter Studenten bei Günther Jauch. Ein vergnügter Typ, bestimmt nicht doof, der im schönen Baden-Württemberg nie gehört hatte, was in Hamburg ein bekannter Kalauer gewesen ist für die ältere Generation. Nun kam der unter Dreißigjährige heil aus der Sache raus, weil schmunzelnde Gäste im Publikum und der freundliche Moderator geholfen haben. Das Ganze ist ein Lehrstück dafür, wie schwierig es ist, Intelligenz zu messen. Natürlich kann ich mir eine breite Palette von Aufgaben ausdenken, damit die Beantwortung einer einzelnen Frage untergeordnete Bedeutung erlangt. Ganz spannend ist, im Alltag an Grenzen zu stoßen, diese nicht mit einem Mangel an Intelligenz darzustellen, sondern als das, was sie tatsächlich sind: Dinge, die wir unmöglich wissen können – aufgrund unserer individuellen Geschichte.
# Déjà-vu
Da bin ich dabei, mein Boot ins Winterlager zu bringen. Meine kleine Jolle befindet sich in einer niedrigen Abseite am Rand der großen Bootshalle. Bevor die sogenannten Dickschiffe hineinkommen, müssen wir unsere Bötchen schon unterbringen, weil anschließend mit den davor stehenden Yachten ein Zugang verbaut wäre. Noch ist die Halle recht leer, als ich wenige Tage vor dem allgemeinen Befüllen des Winterlagers ankomme. Optimisten stehen auf ihren Slipwagen herum. Sie heißen als Vereinsboote der Jüngsten verschmitzt: „Asterix“, „Methusalix“, „Majestix“, und mehr davon. Einige Piraten befinden sich in der Halle. Die sind etwas kleiner als meine Elb-H-Jolle. Heute sind Piratenjollen meistens aus Kunststoff gefertigt und werden von jungen Seglern auf Regatten gefahren. Viele sind schneeweiß. Den oft humorvollen Namen schreibt man groß dran. Der Pirat bietet wie die Optimistenjolle eine gute Fläche, weil diese Schiffe als Knickspant konstruiert sind.
In der Abseite entdecke ich einen. Das Boot trägt den Namen „Hugo Voss“ plakativ an der Bordwand. „Was soll das?“, frage ich mich, realisiere die Antiqua im Stil von „Hugo Boss“, dem Modelabel. „Das mag witzig sein, wenn man jung ist“, denke ich. Dabei erkenne ich mein vertrautes Dilemma im Definieren von Klugheit. Man kann den Humor des Eigners nur nachvollziehen bei entsprechendem Wissen. Dieses könnte abgefragt werden, aber deswegen wüssten wir nicht, ob die besten Absolventen vom Test intelligent wären. Der Markenname eines bekannten Herstellers müsste dem Prüfling vertraut sein, um genügend ästhetisches Verständnis für eine kognitive Leistung zu erbringen auf die Frage, was hier bezweckt werden sollte. Möglicherweise gehört das Boot jemandem mit Namen Voss, und es handelt sich um einen besonderen Spitznamen? So weit käme ein Betrachter, dem die Marke „Boss“ als solche fremd ist. Das wäre kaum weniger intelligent gemutmaßt und zeigt die Schwächen von Tests auf. Die Teilnehmer müssen ähnliche Vorbildung aus demselben Kulturkreis mitbringen, damit vergleichbare Zahlen herauskommen.
Ich möchte das Thema zunächst noch vertiefen, um erst später in die Vollen zu gehen, meine Intention deutlich machen. Bleiben wir beim Segeln und der Intelligenz. Dem Winterlager im Oktober ging die Wettfahrtserie auf der Alster voraus, die früher unter der Bezeichnung Alster-Pokal ausgesegelt wurde. Jetzt ist es eine Herbst-Verbandsregatta, und die Bahn verläuft ein wenig anders, das nur nebenbei. Damit einer dran teilnehmen kann, muss das Boot ins Revier kommen. Die meisten Elb-H-Jollen befinden sich ja in ihrem jeweiligen Hafen in Blankenese, Finkenwerder oder Wedel an unserem schönen Fluss und keinesfalls inmitten der Stadt. Man kann durch den Hafen hinsegeln und in der City Mast legen, durchschleusen und über einen Kanal am Rathaus vorbei auf die Alster gelangen. Dafür passte die Tide in diesem Jahr nicht. Weil mein Mitsegler kurzfristig erkrankte, beschloss ich mit einer hier als „Freundin“ nicht näher bezeichneten Person, das Boot zu trailern.
Wir deckten bei bestem Wetter in der Sonne das Persenning ab im Yachthafen. Nun wollten wir zur Slip pullen. Unnötigerweise hängte ich Ruderanlage samt Pinne achtern ein und merkte schnell, dass dies gar nicht nötig gewesen wäre. Ich befahl also mein Mädchen an die Riemen und nahm recht selbstherrlich einen Platz vor dem Mast ganz vorn an Deck ein: „Pull an!“, kommandierte ich vom Steven aus.
Das fand die Liebste nicht lustig. Sie saß nun auf dem Schwertkasten mit Blick nach achtern und stocherte wenig geschickt herum, eierte nach Steuerbord, und ich raunzte, sie solle gefälligst nach Luv vorhalten. Es gab einen mäßigen Ostwind von der Seite. „Warum steuerst du nicht?“, schnauzte sie zurück. Dann dödelte sie einigermaßen ungeschickt backbords raus, und ich ermahnte wieder: „Halte Kurs! Du siehst doch die Pinne“, belehrte ich meine unfreiwillige Schülerin. „Zeigt die mittschiffs, und du siehst das Restaurant oben achteraus, bist du auf Kurs.“ Wir stritten so vor uns hin, und ich fand mich noch schlau dabei, ihr zu beschreiben, wie sinnvoll mein Herumsitzen ganz vorn an Deck wäre. Achtern befände ich mich notwendigerweise seitlich sitzend, wenn ich nicht auf dem Achterdeck stehen würde, „was natürlich auch ginge“, meinte ich klugscheißend. Das hieße wohl „ein Schiff mit Schlagseite zu pullen“, war die passende Erklärung.
„Das möchtest du auch nicht“, erläuterte ich, aber schon die herabhängende Großschot und die Baumstütze gestalten das Rudern zu nicht eben einer bequemen Sache, entwickelt man nicht genügend Geschick, damit klarzukommen. „Mach es doch selbst!“, wurde ich angegiftet und konterte deswegen: „Du wolltest doch rudern! Auf der Schwinge neulich hat es dir gefallen, und ich bin derjenige gewesen, der, als ich dich mal ablösen wollte, das nicht durfte.
„Da hast du ja auch gesteuert.“
Beim Anbinden nahe der Slipbahn fand ich heraus, dass ihre halben Schläge zum Festmachen letztlich einen falsch durchgesteckten Knoten ergaben – und schimpfte weiter. Als das Boot schließlich oben an Land stand, vertrugen wir uns und mussten das gemeinsam verschuldete Problem lösen, dass zu wenig Luft auf den Reifen war. Niemand hatte den geliehenen Bootswagen vorher geprüft, und zum Glück gab es am großen Kran einen Kompressor, den wir benutzen durften. Bis zu einer Tankstelle wären wir kaum gekommen. Das hier hinzuschreiben, mag ein weiteres Mal helfen, dem Wort Intelligenz auf die Buchstaben zu schauen. Sicher könnte es Menschen geben, die schneller gut zu rudern lernen als andere, und manche kommen etwa mit einem Musikinstrument klar, während viele aufgeben. Deswegen Intelligenz darüber zu definieren, bedeutet aber auch die Überheblichkeit anzusetzen, die ich da vorn auf meiner Jolle penetrant ausgelebt habe im kleinen Beispiel.
Was mich also ärgert, ist fehlende Reflexion. Ich bliebe kaum lange verheiratet, wenn mir die Fähigkeit abginge, derartiges Getue nicht letztlich noch zu humorisieren und die oftmals eigene Doofheit einzusehen. Es gibt aber so gar nicht harmlose Momente im Leben, wo unsereiner wie im Käfig vorverurteilt abgestraft wird mit einem üblen Begriff.
Das Pferd kann von verschiedener Seite aufgezäumt werden.
Heute, während ich diesen Text beginne, und meistens wird so was von mir tagelang überarbeitet, ist Sonntag. Ich habe eine BamS gekauft. Die Titelseite der Bild ist ein Bild.
# Krieg!
Ganzseitig, eine Mutter bringt im Laufschritt ihr kleines Kind in Sicherheit. Ein schwarz uniformierter Soldat oder Polizist mit einem monströsen Helm auf dem Kopf begleitet sie dicht. Er oder doch sie, das könnte auch eine Frau sein, Polizistin, der Helm verdeckt die Augen, greift mit rechts in ihren Arm, stützt und schiebt mit der anderen Hand, treibt an, den Arm um den Leib der Flüchtenden gelegt. Das Gesicht der Mutter ist über alle Maßen besorgt. Ihr kleines Kind ist in Unterhose. Das Hemdchen (oder ist es ein Schlafanzug?) rutscht hoch. Wir schauen auf den nackten Rücken. Das kleine Mädchen könnte ein Stofftier umklammern. Genau sieht man das nicht. Da sind wohl Füßchen einer Puppe (und so weiße Zotteln) unterhalb vom kräftigen Unterarm der sie umklammernden Mama zu sehen. Die andere Hand fasst den Popo. Das Höschen ist hellgrau und modisch. „Barbie“, steht darauf in rosa Buchstaben. Saubere, zivilisierte, kultivierte Menschen rennen weg! Die nackten Beinchen winkelt die Kleine an. Ein Schuh fehlt. Ist jemand verletzt? Das könnte sein. Das Foto zeigt eilige Flucht. Die Bildzeitung nimmt größte Buchstaben.
„Krieg gegen Israel“
Warum ich das schreibe, nach dem vergnüglichen Beginn mit unserem Boot und den altklugen Beschreibungen? Brüche verstören, und natürlich ist es ungehörig, Worte allzu locker vermischt anzubieten und dass mir’s an Respekt mangelt, könnte ein berechtigter Vorwurf sein. Mir geht es nicht drum, den Krieg irgendwo zu brandmarken. Das machen schon alle anderen. Die Bild macht es, der Bundeskanzler. Das hält die Aggression nicht auf, aber das stört die Empörten ja nicht. Es gibt ihnen fortwährend Grund, weiter gegenüber der Gewalt Flagge zu zeigen (und wie sie’s noch nennen). Irgendwo ist immer Krieg. Mein Thema ist das Vermeintliche der Wahrheit, was als richtige Seite gilt beim Konflikt, wer jeweils seinen Angriffskrieg startet und von uns zum Terroristen erklärt wird, und wie man sich darüber korrekt echauffiert. Das muss hinterfragt werden. Die BamS etwa finde ich gerade bemerkenswert direkt. Die Bilder zeigen Eskalation, Gefühle. Mich erstaunt, dass hier niemand verpixelt wurde auf dem Titel. Genauso drinnen heißt es: „Verschleppt – eine junge gefesselte Israelin wird von Hamas-Terroristen in ein Auto gezerrt und in den Gazastreifen gebracht“, das sieht auch so aus auf dem Bild. Nix mit unscharf, der böse Mann, die sich furchtbar ängstigende Frau, der schwarze Jeep auf sandiger Straße bei blauem Himmel drüber. Könnte stimmen. Das ist mir eine Zeichnung wert. Mit einem unscharf gemachten Gesicht hätte das auch nicht funktioniert, diese Dramatik dem behüteten Leser zum Frühstücksei nahezubringen.
Ich ärgere mich über Gutmenschen.
Das Wort wurde zum Unwort erklärt – natürlich von ebendiesen Gutmenschen. Wer sonst könnte so frech übersehen, dass immer vorab bewertet wird, was sich gehöre, aber oft nichts Gutes dahintersteht, sondern einzig der Wunsch, selbst besser dazustehen? Ich sehe mich als unbedingt berufen, Ungereimtheiten herauszustellen. Natürlich halten Menschen sich einen Aktenordner vor das Gesicht bei Gericht. Das ist nur vernünftig. Auf jeden Fall sollten wir unsere Privatsphäre schützen, und manchmal finde ich das durchaus sinnvoll, etwa Polizisten zu sichern mit einer Verpixelung, wenn diese beispielsweise bei einer Razzia gefilmt werden. Das sollte einen kreativen Geist aber gerade aufmerksam hinschauen lassen, wo bloß so getan wird, als hielte man eine kluge Regel ein zum Schutz und für mehr Toleranz und so weiter.
Warum berührt uns das Dreierbild von Sophie Scholl ganz kurz vor ihrer Hinrichtung, habe ich mich gefragt? Wo sind die Bilder von ihrem Bruder, der getötet wurde, andere Fotos von Mitgliedern der weißen Rose, die sterben mussten? Danach muss man suchen. Aber es gibt kein furchtbareres Bild für mich von schweigender Angst als gerade drei Mal Sophie. Das ist von der Gestapo seitlich, von vorn und halb schräg erkennungsdienstlich aufgenommen. Die anderen, Hans Scholl, Probst, Schmorell und weitere mögen auch fotografiert worden sein, bestimmt wurden sie, aber wir sehen doch vor allem Sophie Scholl in ihrer ganzen Angst – die sie stolz verbergen möchte. Das Bild trifft einen Nerv. Es wird nie verpixelt. So denkt Bild am Sonntag. Das wollen die Leute sehen. Und die Leute, das sind wir.
# Menschen
Wer erinnert sich nicht, Rubiales musste gehen, das war gerade eine Nachricht. Der Mann ist bis vor kurzem, wo ich das hier schreibe, noch Präsident des spanischen Fußballverbandes gewesen. Das Finale der Weltmeisterschaft der Frauen läuft, und die Spanierinnen gewinnen im Moment: Der Präsident fiebert mit. Er hat sich auf der Tribüne in der Masse hunderter Zuschauer, gefilmt vom Fernsehen, in der ersten Reihe stehend, im Überschwang sexueller Erregung an den Sack gefasst wie Michael Jackson im Konzert. Dann die Siegerehrung. Jeder weiß es noch, alle toben vor Begeisterung, herzen sich. Rubiales, dieser doofe Glatzkopf, umschlingt die Spielerin Jennifer Hermoso und sie ihn. Die starke Fußballerin ist überglücklich und wuchtet den Umklammerten sogar bäuchlings in die Höhe. Schweiß fließt, die Leiber kleben, und dann passiert es. Rubiales ergreift den Kopf der weltmeisterlichen Fußballerin, zieht die überraschte an sich, küsst sie direkt auf den Mund. Und das im Fernsehen. Damit hat der Idiot alles kaputt gemacht, was dieser wunderbare Abend für Spanien hätte sein können. Das öffentliche Urteil, vernichtender mit jedem weiteren Tag, und es kam wie es kommen musste. War sich der Fernsehzuschauer anfangs unsicher, ob hier eine Bagatelle aufgebauscht wird, scheint inzwischen klar, der Mann ging entschieden zu weit.
Aber daran waren wir ja vor Ort nicht beteiligt.
Insofern nützt, noch ein Bild hintendran zu malen, das vielleicht nur mir aufgefallen ist? Deutscher Frauenfußball ist genauso ins Rampenlicht gerückt, wie wir das bisher nicht kannten. Unsere Trainerin ist gerade krank. Deswegen muss Horst Hrubesch wieder ran. Das frühere Kopfballungeheuer ist Sympathieträger mit unglaublichen Fähigkeiten als Trainer unserer Mädels. Das hat der Alte schon einmal bewiesen. Bereits vor nicht langer Zeit hat der Erfahrene zwischenzeitlich die Frauenmannschaft trainiert. Jeder mag Hrubesch. Das sah man auch in einem aktuellen Fernsehbeitrag. Er ist wieder auf dem Platz. Die Fußballerinnen laufen ein zum Training. Die jungen Frauen scheinen überglücklich, den agilen Senior an ihrer Seite zu haben. Er schmust mit Alexandra und herzt jede, nimmt seine Mädchen altväterlich in den Arm, sie sind glücklich. Das sieht man. Wer käme auf die Idee, da gehöre sich was nicht? Ich jedenfalls habe diese Szenen geglaubt. Der Mann kann was, ist bereit zu helfen und die Frauen respektieren seine Körperlichkeiten ohne wenn und aber.
Die Macht der Bilder, und nun sollten wir bereit sein, über pädophiles Treiben generell nachzudenken. (Ich muss mich warm schreiben. Ich fürchte Feministinnen. Die sind immer so doof. Egal, es muss sein. Man sollte auch eine Lanze brechen für Männer wie Rubiales oder diesen Wettermann Kachelmann, andere Spinner. Es muss möglich bleiben, Dinge aufzuschreiben, die man besser nicht sagt. Sexisten sind auch nur Menschen. Wir haben unsere Gründe und sind ja nicht nur böse).
Zunächst eine Vorgeschichte, bitte: Da fällt mir gleich ein Freund ein. Der hat einen Handwerksbetrieb. Über viele Jahre kennen wir uns. Manchmal schon war ich auf dem Gelände, benötigte Reparaturen, für die gerade so ein Laden die spezielle Lösung kennt. Da bin ich auch gelegentlich auf die Toilette gegangen. Weil es sich für die Kundschaft gehört und das arbeitende Personal weiblich wie männlich ist, hat die Firma selbstverständlich getrennte Kabinen. Die sind auch von außen klar erkenntlich nach Geschlecht durch entsprechende Symbole. Drinnen an der Tür, bei den Frauen war ich ja nie, klebt immer ein Pin-up-Girl aus dem Kalender. So ist es in mancher Schlosserei, Tischlerei immer üblich gewesen, und nur ein Idiot wollte das als sexistisch brandmarken. Neben der Klosettpapierrolle befindet sich ein Spruch von, wie darunter steht, Johann Wolfgang von Goethe.
„Das Unbeschreibliche, hier ist’s getan!“
Damit sei das mein gewagter Bogen, runtergelettert und hingeschlagen bis zum Literaturnobelpreisträger. Diese wichtigste Ehrung ging gerade an Jon Fosse. Der Schriftsteller, ich gebe es zu, war mir nicht bekannt. Ich bin Kulturbanause. Der Lyriker wurde im Fernsehen porträtiert. Das habe ich mir angeschaut. Fosse als ganz spezieller Autor sei als jemand gewürdigt, der nicht Sagbares hinbekäme zu notieren, meinen Kenner. Ein feines Lob. Wir leiden, können nicht ausdrücken, was uns angeht, und der Norweger kann offenbar schreiben. Das tut allen weh, vieles machtlos hinnehmen zu müssen, keine Worte zu haben. Auch Banales, was sich aber nicht gehört, kann man oft nicht aussprechen, obschon es wichtig wäre. Eine voran trabende Meute macht es unmöglich anzusprechen. Der Grund liegt in der Macht des Wortes.
Es ist wohl klar, anknüpfend an die Einleitung, zunächst festzuhalten, dass manche von uns intelligenter sind. Deswegen anzunehmen, es gäbe Intelligenz, ist aber wenig klug, um es mal vorsichtig auszudrücken. Natürlich erinnern wir uns. Ob es das Gedächtnis als solches gibt, ist jedoch schwieriger zu behaupten. So ist der oft herangezogene Vergleich von der Geschwindigkeit (und ebenso Beschleunigung) vonnöten, klarzumachen, dass solche Worte nur Sinn machen in Zusammenhang mit dem Objekt, um das es geht. Ein Mensch, Auto kann im Tempo unterwegs sein. Das Gehirn kann der Ort sein, an dem die Erinnerung verarbeitet wird und wo intelligente Entscheidungen passieren. So können wir begreifen, dass jemand auf pädophile Weise empfindet, machen aber einen Fehler, den Menschen als Pädophilen zu bezeichnen wie es in diesem Sinne auch keinen Faulpelz gibt. Natürlich handeln Menschen auf psychisch kranke Weise, aber dass sie deswegen Depressive oder Schizophrene wären, wage ich anzuzweifeln.
Das sind nur Schubladen, die andere nutzen, sich zu erheben.
Schauen wir doch auf die verschiedenen, aus den Medien bekannten Fälle, allen voran der Sexualverbrecher Epstein, welcher sich in der Gefängniszelle erhängte. Er war nicht krank, sondern mutmaßlich ein Mensch, der bei klarem Verstand Missbrauch betrieben hat. Es gibt reichlich Senioren, die auf freundliche Weise hinbekommen auszuleben, was dieses Monstrum sich mit Gewalt genommen hat. Geschmeidiger lebte Hugh Hefner vom Playboy-Magazin (oder lebt Mörtel Lugner) in dieser Hinsicht mit der jeweils jüngeren Partnerin zusammen. Diese anerkannten Opas stehen zu ihrer Neigung, kommen (oder kamen im Fall Hefner) weitaus besser klar als etwa Roman Polanski, Michael Wendler. Weiter Charlie Chaplin und Woody Allen ähneln sich, mit jüngeren Frauen zusammenzuleben (bzw. gelebt zu haben). Der Schriftsteller Theodor Storm und (genauso aus Schleswig-Holstein) aktuell der Politiker Christian von Boetticher sind Beispiele, Maler Emil Nolde; sie haben oder hatten (als geschichtliche Personen) Beziehungen zu jungen Mädchen. Das wird durchaus toleriert. Es gibt offenbar Unterschiede, die das Wort „pädophil“ nicht abbildet, wohl aber die Gesellschaft erkennt und schließlich anerkennt.
Daneben finden sich zahlreiche Beschreibungen von Sexualverbrechen, krankhaft sexualisierten Taten in der Tagespresse. In jedem Fall würde uns gut tun, die Übergriffigen als Menschen zu sehen, bevor wir diese mit einem Schlagwort wegordnen. Das hätte den nicht zu unterschätzenden Vorteil, mit Prognosen, wie sich diese grenzüberschreitenden Zeitgenossen entwickeln könnten, erstens vorsichtiger, und zweitens besser umzugehen.
Es kann keine guten Menschen geben, wenn böse nur umgangssprachlich wie aus der Gewohnheit, sich selbst über diese stellen zu wollen, als solche welche sind. Was dem einen Land seine Terroristen bedeuten, macht anderswo nicht so viel aus, und das zeigt wohl, dass jeweils zwei Parteien vor Ort aufeinander einhauen. Da ist dann der Bereich mit seiner festeren Struktur und eine weniger geordnet erscheinende, auch irgendwie schmutzigere, aber kampffreudige Gegnerschaft. Die gelten als die Bösen. So weit würden noch welche mitgehen, wenn eine Beschreibung unspezifisch bleibt, aber dem organisierten Täter seine Kriminalität absprechen, geht dem Zivilisierten zu weit.
Zitat:
„Steinmeier kritisierte Solidaritätskundgebungen mit der Hamas in Deutschland auf das Schärfste. ,Wir können es nicht dulden, wenn auf offener Straße versucht wird, die brutalen Attacken auf Israel auch noch zu feiern‘, sagte Steinmeier: ,Wer diesen Terror bejubelt, der entwürdigt nicht nur die Opfer, der tritt auch die Menschenwürde und unsere deutsche Verfassung mit Füßen.‘ Und weiter: ,Solches Verhalten entsetzt mich, es widert mich an.‘“
Tagesschau vom 9. Oktober 2023, Zitat Ende.
Ein Bundespräsident muss das sagen, und natürlich überzeugt persönliche Betroffenheit. Auch der Einzelne, vielleicht ein Totschläger, der mit Geld aus der Ladenkasse erwischt wird, muss sich vom Richter anhören: „Sie hätten den Mann nicht töten müssen und sich mit dem Geld zufriedengeben, das Sie klauten. Sie hätten, als der Wachmann auftauchte, auf Geld und Gewalt verzichten können und aufgeben, weglaufen. Sie hätten nicht (die Tankstelle) überfallen müssen, sondern sich eine ordentliche Arbeit gesucht haben können.“
Ich glaube dennoch, dass dieses Denken die Realität verfehlt und nur aus der Not unseres Daseins, das wir in seiner Gänze gar nicht verstehen, die tradierte Lösung ist. Das so angenommen, bedeutet als Erkenntnis in Summe, dass die jeweilige Umgebung immer fehlurteilt. Weiter resultiert draus, wenn ein Block, als den das Drumherum auf den Einzelnen wirkt, im Konsens handelt, seine Realität selbst erschafft. Diese mag vom theoretischen Ansatz her falsch sein, bekommt aber stabile Wirksamkeit durch die von vielen getragene Überzeugung. Ein System geht also kaputt oder ändert sich zumindest in Teilen, wenn ein individueller Bereich – ein Angeklagter z.B., der sich überzeugend verteidigt – persönliche Identität anhand größerer Wahrheit beweisen kann. Dafür muss man sich unter Umständen freikämpfen. Wäre dergleichen unmöglich, stünde die Wahrheit von vornherein fest, gäbe es keine Wissenschaft (und keine Kunst). Wir sollten aufmerksam sein, wenn wir mit Worten Gesetzmäßigkeiten definieren und übersehen, dass aufeinander getürmte Annahmen die Basis sind. Wir verwenden Worthülsen. Besonders junge Menschen könnten glauben, es gäbe von der Menschheit erfahrene Wahrheiten, die nicht hinterfragt werden müssten. Weniger populäre Aussagen finden sich. Auch Frauen begehen Sexualverbrechen an Kindern. Psychisch Kranke werden nicht durch Diagnosen bezwungen. Nationalsozialisten betrachten sich selbst als nötige Polizei, meinen, Gutes zu tun. Ohnehin halten sich grüne, soziale usw. Politiker für bessere Menschen und sind es nicht. So eine Liste kann fortgesetzt werden. Jeder sollte hinter Begriffe schauen, die von Menschen wie Wahrheiten gehandelt werden, denen was dran liegt.
Ein populistisches Draufhauen mit einem Instrument, das bei näherem Hinsehen nur aus Buchstaben besteht, muss daneben gehen. Wir schlagen vorbei, unsere Urteile verfehlen die Realität auf oft schlimme Weise mit nicht selten bösen Folgen.
Zwei bemerkenswerte Karrieren fallen mir an dieser Stelle ein. Björn Höcke etwa ist verheiratet, hat vier Kinder und unterrichtete vor seinem heutigen Wirken in der Politik als Sport- und Geschichtslehrer. Das hört sich nach stabiler Integration in seinem Umfeld an, und der Politiker sollte nicht unterschätzt werden als so intelligent wie entschlossen, für seine Ziele zu kämpfen. Wohin diese Reise geht, wie viele mitgehen, bleibt offen. Die Natur reime ihre Kinder nicht, „noch macht sie je zwei Menschen gleich“, wusste Ralph Waldo Emerson. Der Mensch aber schreibt Verse und Gedichte: Zweitens, als in Wedel Aufgewachsener, kommt mir in diesem Zusammenhang der medienlaute Lebensweg von Ronald Schill in den Sinn. Als „Richter Gnadenlos“ wurde der bekannt mit aufseheneregenden Urteilen bei Bagatellen, die es auf die Titelseite der Hamburger Morgenpost schafften. Sein Handeln begründete Schill, ein „Kartell strafunwilliger Jugendrichter“ (Wikipedia), ignoriere, was der gesetzlich bestehende Rahmen hergäbe. Das fiel auf nicht unfruchtbaren Boden in der Hansestadt. Nach einer kurzen und von manchem Eklat begleiteten Karriere in der Hamburger Politik ging dieser extrovertierte Mensch notgedrungen und bekanntermaßen ins Ausland. Er war über das Ziel, den Planeten zu verbessern, weit und deutlich hinausgeschossen. So ähnlich könnten sich weitere Karrieren entwickeln, die mit zugkräftigen Parolen die Schwächen des Liberalen aufs Korn nehmen und drangehen aufzuräumen. Einen Endsieg des allzu Rechten wird es nie geben. Als Kreative gehen wir anders an die Sache ran. Wir malen und schreiben, spielen Theater und ändern die Welt nie. Wir sind Darsteller, bilden ab, verdeutlichen. Viele positionieren sich gegen Rechts, wie sie sagen. Es ist aber genauso die Pflicht der Kunst, den Leuten ihre vermeintlich sozialen Mäntelchen wegzureißen, weil die lapprige Arbeit der Sozialdemokraten auf dem Feld erst den braunen Acker düngt und diesen so ergiebig macht und fruchtbar belebt.
Natürlich gibt es einen breiten Konsens bei Fragen nach Gut oder Böse. Im Einzelfall wird aber oft lange verhandelt. Vereinfachungen glätten die Details. Deswegen bedeutet eine schicke Uniform drüber stülpen nicht viel und kann auch unter den Teppich kehren sein. Gerade junge Menschen lassen sich blenden vom modernen Gesicht der Moral. Meine Pflicht als zunehmend älterer Herr mit einer Vorliebe dafür, innere Regungen preiszugeben, liegt auch als Kreativer darin, auf das Vielschichtige im Menschen hinzuweisen, die Unzuverlässigkeit mancher Bilder wie Wortmeldungen sichtbar zu machen. Ich bin unterwegs, meine Welt auszugestalten, für meine Wahrheiten zu kämpfen. Ich muss nicht davonlaufen.
# Gendern ist auch Unfug
Flüchtlinge gibt es ohnehin nicht mehr: Das sind jetzt immer Geflüchtete. Sogar während sie momentan im Mittelmeer absaufen, sich also gerade auf ihrer Flucht befinden, müssen armselige Nachrichtensprecher sich verwinden, von „Geflüchteten“ zu reden, die aus dem Wasser gezogen würden?
Das macht aus jeder zunächst korrekten Berichterstattung das Fake einer bloß vordergründigen Wahrheit. Dergleichen kommt aus dem Mund der Zeitgeister, erzwingt penetrant ihre vermeintliche Mitmenschlichkeit. Gerede von Toleranz unter dem Regenbogen hilft niemandem und zersetzt das Vertrauen in die Wirklichkeit bei allen, die tatsächlich leiden.
🙂