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Mrz 12, 2023

Ottos Gott protzt!

Schtzngrmm, ogottogott! Jandl ist aktuell wie Ottos Mops. Der dicke Hund ist ein armes Schwein? Wir sind kollektiv krank wie dieser Köter. Unsere Zivilisation will nicht wahrhaben, wie es um die Welt steht, zum Kotzen. Die Politik sieht sich unbekannten Schwierigkeiten gegenüber: „Zu den Waffen!“ Der Wohlstand ist in Gefahr. Das bedeutet für uns Einzelne neue Ungewissheit. Direkte Gewalt ist nicht mehr nur die Geschichte unserer Großeltern. Es ist Krieg am Rand von Europa. Innenpolitik spiegelt das. Gewalt bedroht das System auch im Herzen, wenn sich unsere Faust gegen Russland reckt. Deutschland behauptet, liberale Werte zu verteidigen und bezichtigt die Angreifer der Barbarei, als Manipulatoren ihrer Bevölkerung. Europa möchte stark nach außen sein. Ob es stimmt, dass wir dafür im Innern zusammenhalten, weil wir als freie Menschen handeln, Freiheit auch verteidigen können, bleibt noch offen. Der unerwartete Krieg treibt die Menschen, und einer ruft dem anderen zu, wie zu reagieren sei. Wir sind nicht frei darin, was wir tun können und wollen es nur sein. Unsere Behauptung steht gegen die andere, wir nehmen uns die Freiheit der eigenen These. Jetzt muss sich zeigen, wie viel diese Worte wert sind. Der Mensch ist darauf angewiesen, sich den Weg im gegebenen Lebensraum zu suchen, den niemand verlassen kann. Unser Dasein beschränkt den persönlichen Willen oft. Wir halten uns für sonst was und möglicherweise zivilisiert? Es hilft nachzudenken, wie unsere Zukunft in der Gesellschaft sein könnte, um diese aktiv zu gestalten, und man muss wohl zurückschauen, wo wir hergekommen sind.

# Der wilde Westen

Auf YouTube finden sich Szenen alter Wildwestfilme. Das ist ganz unterhaltsam. John Wayne, auf seinem Pferd sitzend, muss dieses anhalten. Er sieht sich einem Wegelagerer gegenüber, der ihn mit langem Gewehr bedroht. Zwischen den Männern fließt ein schmales Wasser, alter Schnee schimmert schmutzig hier und da. Ein toter Baum genügt dem Ganoven als Versteck am sonst wenig Deckung für einen Hinterhalt bietenden Platz. Wir sehen weit in die flache Prärie. Öde ist diese verlassene Gegend. Alles wirkt kalt und winterlich. Im Hintergrund recken sich Berge mit Schnee, stoßen gegen einen faden Himmel.

Der freche Typ in schwarzer Kleidung eilt einige Schritte über die Au auf den Reiter zu. John Wayne, der Held, wartet einfach ab. Dieser schäbige Gesetzlose macht ihm offenbar keine Angst, obwohl der geübt scheint, andere auszunehmen. Als siegesgewisser Landpirat tritt er leutselig aus dem Gehölz an der Furt auf die freien Pläne. Ein nachlässiger Räuber ist das, allzu sicher, mit wehendem Mantel. Er kommt an wie ein schmutziger Bär, eilig und tapsig, trägt einen verbeulten Hut auf dem Schädel. Der Ganove hält das Gewehr schussbereit, aber nur locker in einer Hand. Die Mündung schwankend auf den Reiter gerichtet, das Wasser durchstapfend, fordert er Geld und „friedlich mit der Kanone“ zu bleiben. Was er genau sagt, verstehe ich nicht, weil es englisch ist.

„Just throw me your wallet.“

So hört es sich an. Das ist Routine für ihn offenbar. Der Reiter scheint dem nachzukommen. Er sagt: „Yes Sir!“, aber das klingt so gar nicht unterwürfig. Der Hollywoodstar bleibt souverän. Sein Gegenüber merkt offenbar nicht, was da für einer oben auf dem Reisepferd sitzt. Wayne schaut herab auf den Outlaw. Wie dieser Fußgänger heranstolpert zum Überfall auf einen, der ihm fremd ist und friedlich wartet, kehrt die Lage um. Der schon ältere John Wayne ist ein im Leben erfahrener Mann. Auf das Ziel nagelt er seinen Blick gegen den Feind. Ein eisgrauer Schnurrbart fügt sich fade ins harte Gesicht. Der Reisende trägt einen typischen Hut, wie man das kennt, greift gelassen in die Kleidung auf Höhe der Brust, wo eine Brieftasche stecken könnte. Er lässt den Gegner bis auf wenige Meter an sich heran, reißt stattdessen einen verborgenen Revolver raus und schießt!

Kalt auf den Angreifer wartend, fasst er sich in die wetterfeste Joppe, die Hand kommt mit der Waffe wieder raus, der Arm wird lang auf den Strolch. Jetzt rasen die Bilder, dramatisch untermalt mit Musik. Wir sehen Leder vom kurzen Lauf der modernen Pistole rutschen, eine Tülle aus dem Futter der Winterjacke fliegt weg. Es kracht. Mündungsfeuer blitzt. Der Schuss fällt. Der Räuber stürzt zu Boden, im Unterleib getroffen. Der Mann verliert sein Gewehr aus der Hand. Ein dickes Bündel mit Bargeld in einem Lederumschlag ist dabei ins karge Gras gefallen.

Er schreit, greift mit der Hand an die Wunde, kommt hoch auf die Knie. Das hat der Armselige nicht erwartet: „You shot me a hole in my stomach!“ Der doofe Mann schimpft, jammert nach dem Motto, bloß ein Dieb zu sein. Er leidet, so unerwartet und brutal angeschossen, als wäre das absolut unangemessen. Der Wortwechsel bleibt knapp und wird im Folgenden vom Reiter dominiert. Der verlangt hoch zu Ross und selbstbewusst nun seinerseits Geld, nämlich das, was offensichtlich am Boden liegt, möglicherweise die gesammelte Beute früherer Überfälle? Der Räuber scheint zu gehorchen, greift aber zum Gewehr. Man sieht seinen Arm, die Hand sich strecken, so tun, als wolle er der Aufforderung genügen, die Börse auszuhändigen. Tatsächlich aber probiert der Mann, die Waffe zurückzuerlangen. Keine Chance für den Outlaw: Es ballert noch einmal. Ein weiteres Projektil peitscht das Gewehr förmlich aus dem Bild. John Wayne, wie so oft in der Rolle des Stärkeren, knallt die Büchse weg.

„Nur die Geldbörse!“

Wayne herrscht den Typ an, wie dieser ihn vorher mit denselben Worten, und der gibt ihm verletzt und inzwischen unterwürfig das Verlangte. Vom Boden aus gefilmt, schauen wir in der finalen Einstellung aus dem gleichen Blickwinkel wie der Gescheiterte. Die Kamera macht seine Rolle klar. Dem Sieger im Sattel ist es ein Leichtes, den Mann abschließend beiseite zu stoßen, dass dieser seitlich ins eisige Wasser stürzt. Ein derber Spruch beendet alles, über mögliche Überlebenschancen im Winter in dieser Lage? Er solle sich eine anständige Arbeit suchen.

Mir ist der Film unbekannt. Die kurze Sequenz war unter den Vorschlägen, nur ein Video von vielen der bekannten Plattform. Ich stelle mir vor, in der Rolle von John Wayne zu sein und begreife, dass ich sie nicht verkörpere, weder im Film, ich könnte das nicht spielen, noch in der Wirklichkeit. Wir kannten Western, die liefen ja ständig im Fernsehen, nur synchronisiert. Diese Szene im Original spricht für sich, auch wenn man das Englische nicht gut beherrscht. Ein von vergangener Männlichkeit geprägtes Arrangement. Es dürfte heute nicht einfach sein, Ähnliches zu filmen. Man hätte Probleme, geeignete Schauspieler zu finden. Sich zu hauen, war normal. Das Bild, das wir vom Mann kannten, war selbstbewusst. Gewalt meinten noch unsere Eltern, wäre als vollkommen akzeptiert anzusehen. Für Ungehorsam gab es selbstverständlich einen Backs.

Erst mit den modernen Erkenntnissen, dem Entwurf von antiautoritärer Erziehung, der Idee vom gewaltfreien Miteinander in einer modernen Gesellschaft, wird man sich bewusst, dass das Böse nicht abgeschafft wird, weil man es als solches benennt. Ein alter Film aus dem Westen zeigt nicht die Wahrheit dieser Zeit. Auch dort bemühten sich die Menschen um ein friedliches Miteinander, wo immer es ihnen möglich schien. Durchreisende gaben die Waffen beim Sheriff ab, und es mag weniger Geballer gegeben haben, als Hollywood uns suggeriert. Niemand möchte alte Zeiten beschönigen, es bleibt ungewiss, ob wir der siegreiche Held wären in dergleichen Auseinandersetzungen. Die nötige Kritik an unserer Zeit sollte pragmatische Veränderungen herbeiführen, unsere Welt sicherer zu machen.

# Mit der Pamir um Kap Horn

Dazu gehört, Erkenntnisse zu gewinnen, wie fest wir am Boden stehen als angegriffene Demokraten der modernen Welt. Mit meinem Großvater habe ich den Hauser-Film im Vorführsaal einer Schule angeschaut. Das muss Anfang der Achtzigerjahre gewesen sein, ich glaube, es lief in Altona in der Nähe vom Kinderkrankenhaus. Mein Opa hat als Jungmann eine Reise mit der Pamir gemacht. Die darauf folgende Fahrt, ebenfalls nach Südamerika, machte das Schiff mit einem Journalisten an Bord. Heinrich Hauser hat das gefilmt an Bord. Einige der Matrosen, mit denen mein Großvater befreundet war, segelten auch diese Reise mit. So war es Heinz ein Vergnügen, mir, seinem Enkel, passend zum Film einiges zu erzählen. Wir sahen den Kapitän, und mein Großvater meinte: „Das ist wirklich Clauß, wie man ihn kennt“, oder er zeigte mir den Segelmacher unter den Männern an Deck. Auch andere, die er erinnerte, wurden recht lebendig durch seine leisen Kommentare, während der Film lief. Das sind Bilder eines Alltags, den es so in Deutschland nicht mehr gibt. Jugendliche sollten diesen Film sehen. Da sind keine Arved Fuchs im Eis. Es sind Menschen, wie sie heute vielleicht in anderen Teilen der Welt noch archaisch rackern? Einfache Männer eben.

# Wir sind im Krieg

Draußen an der Seite der Ukraine und innen bei uns selbst bedroht reichlich Gefahr den sicher geglaubten Frieden. Man schlägt vor, hart durchzugreifen. Das ist unsere Unfreiheit, wir werden gedrängt zu handeln und dürfen trotzdem nicht losrennen ohne nachzudenken. Fehleinschätzungen sind die Regel, wenn Menschen aktiv werden. Schon mit sich allein in der Küche beim Frühstück kann jeder bemerken, was alles misslingt oder, in unsinniger Reihenfolge ausgeführt, kirre machen kann. Neurosen sind nicht ungewöhnlich. Die digital vernetzte Welt multipliziert unsere Fehler nach dem Prinzip, sie immer sofort weiterzugeben, anderen zuzuweisen. Es knallt unaufhörlich, Reaktionen ballern durch die Medien wie ein Echo automatischer Pistolen. Die Innenministerin wird aufgefordert, das überarbeitete Waffenbesitzrecht schärfer zu formulieren und wird das auch tun. Wir möchten eine sichere und friedliche Umgebung schaffen. Dabei darf man nicht außer Acht lassen, einem grundsätzlich unbesiegbaren Feind gegenüberzustehen. Der Mensch kennt die Möglichkeit, sich aggressiv Raum zu verschaffen. Das muss man nicht neu erfinden. Wir kommen als geladene Waffe auf die Welt und müssen vielmehr begreifen, mit uns selbst zurechtzukommen.

Forderungen stellen und Macht ausüben sind natürliche Gaben jeden Lebewesens. Wir können diese Kraft kanalisieren. Erwachsene halten sich zurück. Manche nehmen Gefühle nicht wahr und unterdrücken Aggressionen. Niemand ist frei davon, Verletzungen zu realisieren und eine Reaktion anzubahnen. Es bedeutet, eigene Klugheit zu entwickeln, so zu leben, dass es uns gut geht und die anderen akzeptieren, was wir tun. Ein Baby brüllt. Mama probiert rum, bis das Problem kommuniziert ist – Strampler kratzt, Blähungen quälen, mir ist kalt, ich habe Hunger – und der Wunsch dem kleinen Menschen erfüllt wird. Allmählich zurückstecken muss jedes Kind, sich integrieren lernen. Mit Empathie der Eltern wird das auch gelingen. Nicht alle Erzieher sind Weltmeister darin, und so ist es auch mit dem Staat, seinen Bürgern; wir raufen uns zusammen. Es gehört zum Menschsein, einen nötigen Platz zu beanspruchen. Das ist ein individuelles Empfinden, was nicht abgeschafft werden kann durch welche Vorschrift auch immer. Dem Einzelnen steht die Mehrheitsmeinung entgegen.

Querdenker und Klimakleber sind unerwünscht, Migration ist eine zweischneidige Sache von nötigen wie scheinbar nicht gewollten Ausländern. Die einen sind als Facharbeiter willkommen, Geflüchtete aus der Ukraine tolerieren wir. Mittellose Afrikaner werden allenfalls geduldet. Kriminelle, die nur vorgeben, Asyl beanspruchen zu können, wird unser Land nicht wieder los. Man verachtet sie, schimpft auf verantwortliche Behörden, wenn eine Rückführung ins Heimatland misslingt. Abgelehnte haben keine Perspektive in Deutschland, und unser Staat versagt scheinbar bei der Abschiebung. Wie viele destruktive Menschen kann eine funktionierende Gesellschaft mitnehmen? Nicht nur Ausländer, die Straftaten begehen, Kriminelle allgemein sind gefürchtet. Gar nicht möchten wir Amokläufer. Wir betrachten sie als Aliens. Das ist falsch. Es sind Menschen wie wir, und meistens stirbt der Täter, ohne als Opfer mit den anderen zusammen betrauert zu werden, die er getötet hat. Wir wollen nie wahrhaben, dass Verstörte von uns nachhaltig in ihrer Entwicklung gestört wurden, dass diese ihre Perspektive im Gewaltakt sehen.

Unausgegoren bleibt die gängige Meinung über selbstverschuldete Probleme als Erklärung psychischer Not. Das erklärt nichts, bohrt in einer Wunde, ohne sie heilen zu können. Wenn Leute dumme Sachen machen, bleibt die Frage, warum sie es tun und wie man das als Außenstehender ändern kann. Es ist weniger einfach, und die moderne Justiz weiß das auch. Das Gericht kennt den Begriff der Schuldunfähigkeit, um zu differenzieren. Diesem guten Ansatz folgt leider oft die Unfähigkeit, Gescheiterten tatsächlich zu helfen. Unser Begreifen stößt an eine Grenze. Wie kann es sein, dass Menschen gegen sich selbst handeln? Fragt man nach, wie Erfolgreiche etwas anfassen, kommt dabei raus, dass sie ihr Tun wortreich beschreiben. Vor die Aufgabe gestellt, Fremde nicht nur zu belehren, sondern zu befähigen, das Gleiche zu machen in einer ähnlichen Position, stünden sie vor den bekannten Problemen der Integration. Vom Sockel unserer Existenz aus nehmen wir an, dieses Podest selbst errichtet zu haben und einen gehörigen Platz in der Gesellschaft könnten andere genauso finden. Auch die wenigen, welche anerkennen, mithilfe ihrer Umgebung voranzukommen, erwarten soziale Kompetenz bei denen, die es nicht schaffen, sich zu integrieren. Wie Menschen Aufgaben bewältigen, ist der Stoff unzähliger Ratgeber. Manche lesen viele davon, ohne existentielle Wertschätzung zu erfahren, welche ihnen, gemessen am Gelernten, zusteht. Wir bräuchten weniger Denunzianten in der Nachbarschaft mit ihren Forderungen, was sich gehört, wenn es mehr Qualifizierte gäbe, die uns effektiv zu leben lehrten. Letztlich fällt kollektive Überheblichkeit auf alle zurück. Lernen funktioniert nur mit der Akzeptanz gegebener Verhältnisse, und angemessen wird die Reaktion ausfallen, wenn eine Gesellschaft weiß, wo sie steht, um von dort aus weiter zu navigieren.

Nach jedem Amoklauf wiederholt sich das Entsetzen im Umfeld von Beteiligten nach dem Motto, dass das „bei uns“ passiert! Geschieht die Tat in Hamburg wie aktuell, sind die Anwohner schockiert: „Wieso hier?“, fragen sie. Ist es anderswo, sind es die Leute dort, die dasselbe fragen. Das lässt nur den Schluss zu, Menschen reagieren irrational. Die Gesellschaft blendet aus, was sie fürchtet und glaubt schließlich selbst, das Übel wäre weg. Sichere Landstriche anzunehmen, meint Verbrechen in Slums wären normal und bei uns nicht?

# Gendern macht krank

„Menschen sterben, weil zu viel Salz gegessen wird“, das habe ich gelesen. Es klingt, als könnten wir den Tod abschaffen mit gesunder Ernährung. Die bekannten Methoden führen zu immer neuen Anstrengungen, besser zu werden mit allem; man erzielt quotenweise Fortschritt. Stimmt das eigentlich? Die Befürchtung ist gegeben, sich im Kreis zu drehen, ohne über den Tellerrand zu schauen. Die Menschen reagieren wie angestoßene Domino. Es ist wichtig, Steine aus solchen Ketten raus zu nehmen. Dafür benötigen wir kritische Einzelmeinungen. Hier anzusetzen, Klugheit zu vermehren, also deutlich zu machen, dass Gewalt zum Leben gehört, könnte schon an den Schulen geschehen. Das Gegenteil wird geübt. Wir brandmarken das Böse auf eine Weise, die dazu führt, dass nicht wenige glauben, dieses wäre möglich komplett abgeschafft zu werden, zumindest bei ihnen selbst.

Corona hat Lehrer dazu gebracht, den Abiturdurchschnitt abzuflachen, dass dieser Abschluss leichter zu bekommen ist, schreibt eine Zeitung. Deswegen anzunehmen, nur noch Beste im Lande zu haben, weil alle hervorragend ihre Prüfung bestehen, ist Unfug. Wir sind fleißig darin, Gutes zu wollen. Das heißt noch nicht, dass alle Ideen zielführend sind. Ein Beispiel aus einem ganz anderen Bereich passt dazu. Viele wählen grün, aber das Ergebnis enttäuscht. Unsere Fischerei ist grundsätzlich in ihrer Existenz bedroht, weil wir mehr als jedes andere Land auf diesem Planeten Schutzzonen eingerichtet haben. War das klug? Wir haben das Kükenschreddern verboten, aber der Markt bedient sich, wo es erlaubt bleibt – nur einige Beispiele für unser Schilda von heute. Deutschland ist zu einem dekadenten Land geworden und verspielt sein wirtschaftlich starkes Erbe. Die westliche Welt insgesamt gefällt sich in der Rolle, smart zu sein. Ein Luxus des Verhaltens insofern, dass anderswo brutal und real Boden gewonnen wird für die eigene Sache. Krieg ist schlagen, und wir maßregeln mit dem Mund. Wir können weder materiell auf dem Schlachtfeld gewinnen, noch unsere Gerichtsbarkeit durchsetzen, kommen hübsch daher als moderne Mädchenschule und verbieten das böse Wort. „Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg“ zu sagen, hilft niemandem zu Frieden oder Sieg. Das stiftet Unfrieden im Inneren. Wir verdienen am Schlachten, ohne Russland tatsächlich zu besiegen, liefern alte Panzer, können neue in Auftrag geben, kurbeln das Geschäft mit der Rüstung an. Schlussendlich lassen wir die Ukraine doch geteilt zurück, und den Russen wird kaum gefallen, weitere Länder anzugreifen. Dann werden alle vom Sieg reden.

Menschenverachtend ist dauerndes Lügen, sich selbst als besser erklären. Im verbalen Krieg gelingt es Angreifer:innen, die Vergangenheit zu reformieren, bis diese wie gewünscht klingt. Profilneurotische Frauen vertrauen auf weibliche Kosmetik. Das mag seinerzeit Potemkin inspiriert haben. Katharina die Große ließ sich täuschen. Moderne Frauen haben davon gelernt. Heute können die Mädels selbst regieren, moderieren und kaschieren. Wir malen uns grün an und retten die Umwelt. Klimaziele aufstellen heißt, an Kulissen zu glauben. Es bedeutet Scheinprobleme kreieren und mit ihrer Lösung glänzen wollen: „In meiner Küche wird es morgen sauber sein“, (und ich zeige schon heute mit dem Finger auf den Müll der anderen). Das Böse wird früher, im Ausland oder bei der Opposition lokalisiert. Alte, weiße Männer machten Fehler und werden auf weibliche Weise korrigiert. Teppich hoch, Schwamm drüber, Putzen ist angesagt bei Mama. Unerwünschte Straßennamen, Kinderbücher werden angepasst, anstößige Formulierungen getilgt. Blödsinn schadet unserer Intelligenz: Genderscheiße nenne ich das und habe ebenfalls aufgerüstet – ohne Erfolg.

# Achtung, keine Satire!

Sauber war der wilde Westen in Wirklichkeit. Lucky Luke, der einsame Cowboy, raucht nicht, steckt sich einen Grashalm zwischen die Lippen? Schnee von gestern, aber das ist neu: Die Bond-Romane von Ian Fleming werden literarisch bereinigt. Sagte ein Finsterling zeitgenössisch: „Du dummer Nigger!“, wird dergleichen geändert. „Du unkluge Person mit Migrationshintergrund“, muss es richtig heißen. Das ist vermutlich nur der Anfang, möglicherweise rassistisch empfundene Äußerungen verstorbener Autoren zu streichen. Bald wird eine künstliche Intelligenz alle früheren Texte anpassen. Schon bei Orwell gab es die neue Sprache als Mittel, die Vergangenheit wie gewünscht zu ändern. Ein eigenes Ministerium dafür ist aber unnötig. Besser scheint mir, diese Arbeit als einen frischen Zweig der Wirtschaft wachsen zu lassen. Die düstere Stimmung im Roman wurde vom Autor falsch vorhergesagt. Unsere Journalisten in den Nachrichten verkörpern bereits die nötige geschliffene Rhetorik. Sie machen es gern und sind knackig in fröhlicher Farbe auf dem Bildschirm. Wir haben Probleme in den verschiedenen Lebensbereichen und betreiben Symbolpolitik. Die Medien fungieren als begeistertes Sprachrohr einer schönen, neuen Welt. Alle machen mit, besser zu werden und sauber wie gesund Gutes zu tun. Doch in einer Grauzone von nicht unerheblichem Ausmaß gärt es. Eine erschreckend hohe Quote von Hassbereiten offenbart ein Abgleiten bislang noch motivierter Menschen raus aus unsrer Mitte. Das ist die eigentliche Gefahr, nicht die Zunahme von Gewalt durch gestörte Menschen. Eine verblödete oder freundlicher gesagt, geblendete Mehrheit provoziert Einzelne. Wir schaffen Täter.

# Eine Erde, eine Menschheit

Man ist gewohnt, eine Fassade wie um sich herum plakatiert zu tragen, weil die Werbung bei Produkten lehrt, dass dies den Verkauf steigert. So geht unsereiner an eine Bewerbung heran. Der Mensch ist aber keine Tüte Cornflakes. Immer mehr versagen, mithalten zu können in einem unnatürlichen Wettstreit, wie sie andererseits mitbekommen, dass vorgebliche Hochglanzmenschen in der Nachbarschaft nur ein Fake sind. So provoziert unser System Randfiguren, die deswegen nicht schlechte Menschen sind, weil ihnen die Kraft abhanden kommt für eine Perspektive, die zu einem Trugbild mutiert ist. Schlecht bedeutet schließlich eine finale Bankrotterklärung. „Mir ist es nun egal, und ich mache alles kaputt.“ Das wäre besser und klug (von uns) als theoretische Basis anzunehmen, weil damit eine Grenze beschrieben werden könnte, ab welchem Grad von Verstörung ein Mensch (also einer von uns) abdriftet, aus einer Masse, die insgesamt labil ist. Wir scheinen zu denken, als gesunde Mehrheit einzelnen Tätern gegenüberzustehen, die irgendwie krank wären; eine andere Sorte? Das ist ganz bestimmt falsch gedacht.

# In der Psychose

Verrückte töten Obrigkeiten. Sie schlachten ihre Mutter ab, Politiker, den früher gehassten Pädagogen. Solche ballern eine Klasse zusammen, eine ganze Schule. In einer Psychose schießen Menschen wahllos um sich, fahren mit dem Auto in die fröhliche Masse vom Fest. Es ist nicht ungewöhnlich für sie, religiöse Mitbürger hinzurichten. Man greift den Arzt an, die Polizei, alle, die es zu hassen lohnt, weil sie scheinbar schuldig sind am eigenen Unvermögen. Das ist nachvollziehbar insofern, die Aufgezählten maßen sich an, Bescheid zu wissen. Politiker, Polizisten, Ärzte, Pfarrer, Pädagogen, die eigenen Eltern sind weisungsgebende Menschen. Ein fröhlicher Weihnachtsmarkt erinnert, dass Feiern nötig ist. Das kann wie eine Aufforderung zum Glück missverstanden werden, einen angemessenen Platz einzunehmen, obwohl das unmöglich ist für einen labilen Menschen. Wer will dem seinen Frust zugestehen, niemand scheinbar? Der Arbeitgeber verlangt nicht zu schaffende Sachen, Mama meckert, der Scheißbulle macht Angst – allein wegen seiner Macht. Unser Pastor erklärt Gott falsch, da finden sich Gründe, auszurasten für einen, dem die Integration aus eigener Kraft unmöglich ist. Wer möchte vom Psychiater gegängelt werden, an die Hand genommen, Pillen fressen? Die Fachärzte können nicht wirklich helfen. Sie zeigen einen Weg auf, der neben den anderen verläuft. Die Gesellschaft will es so. Der Arzt kann es nicht besser. Und der Kranke setzt alles auf eine Karte, Gott direkt zu suchen. Hingerichtet von der Polizei, ist so einer auf dem besten Wege, endgültige Gnade zu finden, nachdem auf Erden nichts funktionierte. Das denkt die Masse über Verrückte?

Die meisten Schizophrenen laufen nur wirr herum und machen harmlose Blödheiten.

Der Amoklauf in Hamburg trifft Mitglieder einer besonderen Religion. Der Täter, heißt es, ist vor nicht langer Zeit selbst bei den Zeugen Jehovas gewesen. In meiner Jugend war es an den Schulen üblich, vor Sekten zu warnen. Wir fanden normal, Teil einer der großen Kirchen zu sein. Ich bin in Wedel konfirmiert, zusammen mit vielen anderen Kindern, die ich kannte. Man schaute kritisch auf die Scientologen und andere, Macht ausübende Strukturen, die sich dennoch als Kirche bezeichneten. Ich bin als junger Erwachsener aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Mir wurde klar, dem Pastor egal gewesen zu sein wie alle in der Gruppe. Dieser eingebildete Mann organisierte den Verkauf von Jutebeuteln aus Afrika, weil er den Armen eine Hilfe sein wollte. Er gab den Konfirmandenunterricht vollkommen ab in die Hände eines jungen Kollegen. Das wäre womöglich nicht schlecht gelaufen, aber der Hilfspastor zu unserer Betreuung versagte in dieser Rolle vollständig. Er hatte dazu keine Lust. Ein fauler Typ, der sich später außerhalb seiner Kirche in der Arbeitslosenhilfe engagierte. Wir saßen die komplette Zeit, in der wir eigentlich vom Herrn lernen sollten, in der Bibliothek rum. Der mit unserer Betreuung Beauftragte vertrieb sich die Zeit weiß Gott wo. Ich habe das Buch „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, das damals neu war, komplett durchgelesen. Das hat beinahe vierhundert Seiten. In der Kirchenbibliothek befanden sich zudem Unmengen an pornografischen Aufklärungsbüchern. Ich mochte lernen, den Penis als Schwanz zu bezeichnen, weil ein Autor das in seiner Einleitung als den im Buch verwendeten Terminus voranstellte. So sei es üblich unter Männern. Erektionen, und was man damit macht, erfuhr ich im nicht stattfindenden Unterricht. Regelmäßig hatte ich Mitschülern, die nicht in dieser Kirche waren, zu rapportieren, was ich Neues wüsste.

# Wieder eingetreten

Als meine Mutter todkrank wurde, fand ich einen Freund im Pastor, der meinen Sohn konfirmiert hat – und trat wieder ein. Ich war schon vorher ehrenamtlicher Mitarbeiter der Gemeinde. Ich malte einen großen Baum für die Taufkinder. Regelmäßig erneuerte ich das Equipment der Filzblätter und passte die Fotos mit aktuellen Kindern an. Ich vermittelte zwischen dem Hausmeister und einer in mancher Sache komplizierten Mitarbeiterin, stellte Tische zum Termin mit Stühlen in einen Raum, hängte selbstgemalte Bilder der betreuten Kinder auf, dass Streit zwischen Handwerk und Glaube vermieden wurde. So was kann ich ganz gut. Männer und Frauen mögen schwierig zueinander sein. Das habe ich mit dem Wechsel im Pastorat selbst erfahren und ging im Streit aus meinem Ehrenamt. Ich trete doch nicht wieder aus deswegen. Ich hatte fröhlich manches gemalt und gebastelt, nicht zuletzt eine „Seelsorgebank“, den Wünschen vom Kirchengemeinderat entsprechend. Das große, weiße Ohr prangte drüber auf einem Sommerfest. Solche Auftraggeber sind nicht einfach. Meine Werke durften im Kirchenblatt gelobt werden, aber unsere Pastorin fand es unschicklich, an meiner Seite in der Öffentlichkeit gesehen zu werden, namentlich auf meiner Website. Nun bin ich nicht Schildermaler einer Kirche, sondern Künstler. Darum habe ich den Laden verlassen.

Meine Erfahrung ist geprägt von dem, was ich auch in den Nachrichten lese: Weniger als die Hälfte der Deutschen sind noch in einer der großen Kirchen eingetragen. Kirche bildet nicht die Gesellschaft ab. Das sind zunehmend Sekten verschiedener Größe, ähnlich den Parteien, die Volkspartei waren und heute einem kleineren Spektrum der Menschen im Land entsprechen. Ich fühle mich unverstanden in einer Religionsgemeinschaft, welche, ähnlich dem örtlichen Sportverein, nichts weiter ist als eine soziale Gruppierung von überschaubarer Größe. Während abstruse Sekten durch Manipulation auffallen, ist Beliebigkeit im Glaube und stattdessen Planbarkeit den Leuten der Alltagskirche wesentlich.

Ich entwarf das Erntedankschild für einen auf dem Rasen vor der Kirche abgestellten Trecker. Wir ließen es professionell auf Debond drucken. Ich montierte Dachlatten und beschaffte Draht, takelte die schneeweiße Platte an das Gestänge vom Traktor. Als es fertig war, wurde diese Grafik allgemein begrüßt, aber ein Problem blieb ungelöst. Es gibt noch eine weitere evangelische Gemeinde im anderen Teil unseres Ortes. Separiert davon feiert die Dorfkirche das Fest vom Erntedank mal an diesem, dann anderen Termin, je nach Beginn der Herbstferien oder um keine Konkurrenzveranstaltung zu haben. Pauls Kollegen füllen bekanntlich das Einkaufszentrum. Da blieben nicht genug Gläubige auf den unbequemen Holzbänken, mutmaßt die Pastorin. Sie verschiebt den Sonntag gern ein wenig. Gott ist es egal, wann Erntedank ist? Man bat um eine verstellbare Zifferntafel, eine Variable zum Schild. Dafür kam mir eine Lottoannahmestelle in den Sinn, den Betreiber nach der Anzeige vom Jackpot zu fragen. Die überraschende Antwort war, es könne gelegentlich was werden, eine zweite zu ergattern. Das ist im Sande verlaufen, weil’s mich nicht mehr interessiert und weil es offenbar doch schwierig ist, dergleichen zu erschnorren. Aus Lotto ließe sich leicht Gott machen, fand die Pastorin, da wären passende Buchstaben dabei.

Es ist nötig, kritisch auf die Religion zu schauen. Ich kann der Kirche als Querulant nützen, welcher ihren Apparat verspottet. Aus der Allmacht unseres Daseins tritt niemand aus. Aber eine verschrobene Gemeinde schreckt ab. Ich sehe, je kleiner die Kirchen werden, desto absonderlicher entwickeln sich die Verbliebenen. Glaube hat den Anspruch, für alle zu gelten. Wenn die Gemeinde nur spezielle Menschen erreicht, reflektieren ihre Glaubenssätze die Gesellschaft nicht – und sind deswegen falsch. Irrlichter einer missionierenden Minderheit, die sich für auserkoren hält, allen zu sagen wie’s wär in der Welt: „Stell dir vor, es ist Kirche und keiner geht hin.“

# Das Motto vom normalen Otto

Religion sei heilbar, las ich mal. Kirche macht krank. Das wird von einer unerfreulichen Ausnahme zur Regel, wenn die Betenden den Boden zur Realität verlieren. Solange sich die Mehrheit christlich orientiert, finden sich alle möglichen Menschen zusammen und bilden die stabilisierende Kraft, welche gemeinschaftlichen Glauben auszeichnet. Ein unbedeutender Rest ist notgedrungen besonders. Das können kaum kluge Menschen sein, wenn sich bloß wenige anhören, was für alle gelten möchte. Überzogen und am Ottonormal vorbei verfehlt dieses Wort womöglich den gnädigsten Herrn. Der Allmächtige ist für alle da. Tolerant möchten Moderne sich breiter aufstellen und scheinen beim Gegenteil anzukommen. Man kann Kirche nicht unendlich reformieren. Das hieße den Vater im Himmel selbst modernisieren, bis er in eine Showkirche passt. Schließlich bekommt das Wunschkonzert den letzten Sendeplatz, wie man es vom Radio kennt. Diese isolierte Zelle wird zur Insel der Verrückten. Eine Brutstätte für psychisch Kranke ist Glaube, welcher nach einer Antwort suchen lässt, die so von Gott nicht gegeben werden kann. Eine reale Gefahr für labile Menschen. Die sollten in einer Umgebung sein, die breit aufgestellt ist. Das war unsere Kirche mal, weil alle dazugehörten.

# Konfirmandenzeit jetzt!

Man ringt um Aufmerksamkeit. Inzwischen werden Banner mit Sprüchen an den Turm gehängt. Kirchen machen Werbung wie jeder Supermarkt, um nicht unterzugehen zwischen den Anbietern. Sie sehen sich auf derselben kommerziellen Ebene. Damit liegt der Ball wieder mitten in der Gesellschaft und die Frage nach der Schuld, warum die Gotteshäuser leer sind ist, beantwortet sich von selbst. Wir haben unsere Geschichte vergessen, sind beliebig geworden und streben nach dem Geld stattdessen. O Gott hilf mir (und Otto im Himmel wie auf Erden).

🙂