
Bleibt anders
Falsche Freunde sind nichts Neues. Falsche Polizisten aber sind ein aktuelles Thema. Ich möchte dagegen halten, gibt es richtige? Mehr als je zuvor wird über verdeckte Ermittlungen berichtet. Auch der gewöhnliche Nachbar verfügt über digitale Spionagemöglichkeiten. Niemand weiß, wer gerade spioniert (wenn das offenkundig aufgefallen ist), der echte oder falsche Polizist könnte es tun. Das Internet ist ein Dschungel voller Informationen und niemand kann sicher sein, die gerade richtige Wahrheit zu kennen. Das könnte daran liegen, dass unser Netz ein Turmbau zu Babel der Moderne ist. Wir nutzen ein System für unsere Kommunikation, das vom Planeten Besitz ergreift wie das Leben selbst, eine eigene Spezies bedeutet, die an den Platz der Realität rücken möchte. Beispiele finden sich reichlich dafür, dass wir uns auf Worte verlassen und anschließend aber den Halt verlieren. Feste Werte wanken: Kinderpornografie und Missbrauch seien bis zu vierzig Prozent von jugendlichen Tätern initiiert, heißt es. Die Polizei muss bestrafen, dass Jugendliche es miteinander treiben und scheitert am Umfang dieser Aufgabe, lese ich heute auf der Titelseite vom Käseblatt. Denkt man darüber nach, beginnt das Problem mit der Definition Kind. Weitergedacht stehen viele Begriffe zur Debatte, wenn sich die Zeiten schneller ändern als unsere Sprache.
Was ist ein Freund?
Wir sind auf Beziehungen angewiesen, aber sie können unzuverlässig sein. Wenn sich die Umgebung schnell wandelt, macht das der Gesellschaft Angst. Wir erleben es mit dem Ukraine-Krieg anschließend der Pandemie und begreifen den Terror in Gaza als weiteres Chaos, fürchten Klimawandel, extreme Wetterereignisse. Das Drumherum scheint aus den Fugen geraten. Es infiziert die Leute. Sie haben Angst. Mehrheitlich gestörte Menschen bringen unsere Demokratie zum Kochen. Meine persönlichen Erfahrungen sind gerade andersherum. Mein Leben verläuft entspannt. Ich erkenne überall Idioten, die Leute hetzen rum wie doof. Viele arbeiten nicht, diskutieren oder denunzieren Kollegen, beschäftigen sich nicht mit dem, was ihre Tätigkeit sein sollte. Das Smartphone ist ihr Gott, und sie gestalten ihr Universum entsprechend.
Ich komme darin nicht vor.
Mir geht es gut, und das war früher nicht so. Es scheint der Umgebung nicht zu passen? Freundschaften sind zum ambivalenten Thema geworden. Die Konsequenz meiner Erfahrungen ist unumkehrbar und von selbstauferlegter Disziplin geprägt: Für Menschen wie mich mit einer gelegentlichen psychischen Krankheit in der Vergangenheit kann es keine Freunde geben. Nicht, weil eigentlich jeder selbst Schuld ist, allein zu sein, sondern weil die alten Freunde nur so tun, welche zu sein. Es lässt sich nicht ändern, dieses Gefühl; das Zusammensein macht keinen Spaß mehr. Da schleicht sich immer der Gedanke ein, die anderen meinten: „Früher war es netter mit ihm.“ Es mag sein, ich bin allen nachgelaufen? Da hat dran gefallen, man konnte mich jederzeit wie im Regen stehen lassen. Ich merkte es nicht einmal. Inzwischen ist manches anders geworden.
Ich stelle mir vor, wie sich’s anhören könnte, wenn ich nicht dabei bin:
„Früher war er ein netter Kerl, jetzt ist er bescheuert. Wer so malt, schreibt, Ärger mit den Bullen hat – besser, wir gehen smart auf Abstand. Er war krank, aber heute spinnt Johnny komplett – und ist auch noch zufrieden! Krank. Das geht gar nicht. Er könnte Erfolg haben, wenn er nur vernünftig malte. Wie blöd ist man, wenn man talentiert ist und so einen Blödsinn daraus macht?“
Das könnten manche denken.
# Ein Stigma möchte für immer gelten
Wir wollen ein Mindestmaß an Stabilität, räumen auf. Das kann schwierig werden, wenn Unkraut zum Begleitgrün wird etwa. Worte bezeichnen die Realität, sind aber selbst nur Kommunikation, allenfalls wirklichkeitsbildend. Der Begriff „psychische Krankheit“ ist weit gefasst, und natürlich kann niemand mit jemandem ernsthaft befreundet sein, der vollkommen beknackt ist. Die Menschen ertragen es ganz gut, sich gegenseitig täglich anzulügen. Man sagt nur so viel dem anderen, wie es gefällt. Es ist unsere Wahlfreiheit zu selektieren. Das fiel mir auf, als ich in einem Gerichtsurteil den Vorwurf las, der Beschuldigte habe wissentlich gelogen. Zunächst eine Spitzfindigkeit nach dem Motto weißer Schimmel (oder ein dummes Wort wie auseinanderdividieren), glaubte ich zu erkennen. Zu lügen bedeutet ohnehin, wissentlich die Unwahrheit zu sagen. Aber es gibt den Grund, von gefühlten Temperaturen zu reden oder emotionaler Intelligenz, weil Nuancen ausgedrückt werden sollen, die sonst nicht erfasst würden.
Psychische Krankheiten, und seien es frühere Episoden, geraten dem Betroffenen zum Nachteil, wenn andere davon wissen. Umgekehrt bedeutet offen damit umgehen, überhaupt Beziehungen eingehen zu können, man könnte auf Hilfe angewiesen sein. Nun ist es wie bei der Liebe und langjähriger Ehe problematisch, wenn Dinge sich zwischen Partnern ändern. Da kennt man, dass eine Liebe zerbricht. So werden auch Verträge problematisch, etwa mit einer Versicherung, wenn der Schadensfall eintritt und gestritten wird, was genau abgesichert ist. Eine stabile Welt benötigte die Lüge nicht.
Eine statische Welt hätte Regelbrüche nicht nötig und würde Verbrechen überflüssig machen. Es gäbe keine Polizei, für Ordnung zu sorgen, in einem aufgeräumten Universum. Das zeigt sich auch im bedenkenswerten Umkehrschluss, dass im Chaos unserer Wirklichkeit die Ordnungskräfte beständig lügen. Der Kommissar verschleiert, einer zu sein, tut mal freundlich auf Verdacht: „Hey du … willst du meine Tochter kennenlernen?“ Der neue Nachbar. Die Kripo möchte sein wie der schlimmste Kriminelle, um, wie sie meint, mithalten zu können gegen das Böse. Putzfimmel bedeutet, die eigene Wichtigkeit zu überhöhen, bis die Räume kapitulieren. Aufräumer nageln ihre Erkenntnisse fest, weil ihnen der persönliche Vorteil daraus erwächst, sagen zu können, den Schmutz im Griff zu haben. Damit muss die Gefahr eine sein und bleiben, darf nicht die Farbe wechseln.
Als fantasieloser Komisskopp kann der Polizist nicht ertragen, wenn Kreativität ausufert und kühne Kritik neue und ganz andere Freunde findet!
Psychisch Kranke können harmlos sein, sie könnten gesund werden, aber wenn man diese zum gefährlichen Zeitgenossen erklärt, sollen sie das auch bleiben? Das verbietet dem nur mal psychisch krank gewesenen Patienten in gewisser Weise, schließlich gesund zu werden, wenn es nach dem Willen derartiger Umgebung geht. Eine Schublade wird zum erklärten Lebensraum. Für die Normalen ist so einer zum Material degradiert, stigmatisiert und kein Mensch wie sie selbst. Damit diese Wahrnehmung erhalten bleibt und der Arzt, Freund oder Polizist oberhalb des früher Erkrankten agieren kann, darf man als bekanntermaßen zum „Patient“ verordnete Spezies nie gesunden. Da bedeutet es eine Herausforderung und überraschende Aufgabe für alle, die den Bruch mit bestehenden Beziehungen erzwingt – oder eben Anpassungsfähigkeit (in diesem Fall umgekehrt) der Umgebung.
# Definition von Krankheit ist nur so gut wie ihre Wirklichkeit
Eine psychische Erkrankung kann als Fehlanpassung beschrieben werden. Das heißt eben auch, dass, wenn der Patient aufhört einer zu sein, die Umgebung zur neuen Situation passen muss. Das wird sie auch, denn geistige Gesundheit führt dazu, dass der frühere Kranke widerstandsfähig ist, gute Wege nutzen kann. Damit werden alle Beziehungen, die diesen Weg nicht bereit sind mitzugehen, auf der Strecke bleiben. So auch die grundsätzliche zum Staat und der Medizin: Ein Gesundeter in diesem Sinne vertraut der Umgebung nicht, muss Überzeugungen aufgeben. Die Polizei als anerkannter Freund und Helfer nimmt sich raus, Menschen zu manipulieren, und das tun Freunde auch, wenn sie einen Nutzen darin sehen – aber das sind keine guten Freunde.
Es wird Ärger geben.
🙂