
Thema
Mrz 12, 2023
Die nackte Wahrheit ist nicht komisch
Blanke Birne oder Kahlschlag im Winkelhaken, eine sparsame Wirtschaft ist der Rellinger Hof. Bürgermeister an Kartoffeln ohne Gemüse möchte man meinen bei diesem Plakat. Das Triple geimpft gegen die Coronaviren zog der Hamburger seine harte Linie während der Pandemie beinhart durch. Da bringt Peter Tschentscher den zwanzigsten Buchstaben vom Alphabet dreifach mit, wo er aufkreuzt, wäre anzunehmen. Nicht so in Rellingen. Eins von drei t günstig Ecke Sesamstraße verkauft?
„Psst …“
Genau. Keiner hat’s gemerkt, aber wehe, man vergisst zu gendern. Ein Anfängerfehler möglicherweise, Medienprofi Olaf Schoz passiert so was nicht, ein verfrühter Aprilscherz im März, das könnte sein?
Die Zeiten ändern sich. Schnee von gestern, das Tageblatt entschuldigt: „Was war das doch für eine Freude, als wir uns – mit kindlichem Eifer – in den Zeitungsredaktionen Geschichten ausdachten, um die Leser in den April zu schicken. (…) Die Zeiten sind ernst. So ernst, dass wir nicht gern unsere Leser mit erfundenen Geschichten zum Narren halten wollen. (…) Genießen Sie die vor Ihnen liegende Ausgabe ganz ohne Aprilscherz“, erfahren die Leser auf der ersten Seite. Durchatmen, keine Fake-News im Blatt.
# Was du findest zum Piepen, werden dir die Leute verbieten
Die gute alte Zeit ist vorbei. Die Leute lachen nicht mehr an den richtigen Stellen? Man schreibt Agatha Christie um und Ian Fleming! Für eine Neuauflage wird mancher Klassiker angepasst. Hercule Poirot gilt als sexistisch, rassistisch. James Bond fährt einen klimaschädlichen Verbrenner. Das muss ja nicht sein.
Chaplin ist ein Künstler, der bereits zu Lebzeiten, in der McCarthy-Ära, Ärger bekam. Das Genie war so gar nicht wie von heute. Im Interview sagt Tochter Geraldine etwa: „Er machte Bemerkungen wie diese: Oh, er ist sehr gut! Er ist wirklich lustig! Er sprach beim Filmegucken immer in der dritten Person von sich selbst.“ Außerdem meint sie: „Als Kind habe ich ausschließlich Filme meines Vaters angesehen. Das waren die einzigen, die wir gucken durften.“ Mit John Malkovich drehte die Schauspielerin „Seneca“, eine Satire. Der Film ist gerade angelaufen. Es geht um autoritäre Bewegungen, die Frage, ob Kunst der Macht etwas entgegensetzen kann: „Ich hoffe es. (…) Wir haben es doch immer gehofft. Deshalb hat mein Vater ,Der große Diktator‘ gedreht – auch wenn alle ihn vor einer Hitler-Satire gewarnt hatten. Am Ende hat er den Film dann mit seinem eigenen Geld finanziert. In London lief er während der Luftschlacht – und mitten im Krieg haben die Leute auf einmal gelacht. Über das Monster zu lachen, ist unsere stärkste Waffe.“
Eine moderne Entwicklung, seit McCarthy perfektioniert, die uns nicht nur zu lachen verbietet, sondern Emotionen allgemein perfektionieren möchte, beherrscht die Gegenwart. Fühle korrekt wie das Team! Chaplin, der seinen Kindern nur eigene Filme zeigte, oder „Die Louis Armstrong Story“ von Jones und Chilton, ich erinnere dieses Zitat: „Louis reiste gewöhnlich mit einem Kofferplattenspieler und etwa 20 Langspielplatten, meist eigenen Aufnahmen.“ Karl May schrieb „ich“, obwohl er gar nicht im wilden Westen war. Da kommen (müffelnde) Neger und Indianer vor im Buch, das gehört ja wohl verboten. Kulturelle Aneignung, Rassismus, ein falsches Bild der Frau, unmöglich. Jetzt weiß man: Damalige Genies waren tatsächlich selbstverliebte Narzissten. Das geht gar nicht.
# Chaplin und andere
„Humor haben wir nie im Haus“, klagt die Gattin von Manfred Schmidt, „den müssen wir immer gleich verkaufen“, im Vorwort von „Nick Knatterton“. Die Familie als Keimzelle für das komische Geschäft. Man schaue sich den Durchschnitt heute an: Bis zum Alter von etwa dreißig wird herumprobiert, dann folgt die Traumhochzeit, und die geplanten zwei Kinder werden zügig angefertigt. Wer nicht mithalten kann, ist raus aus dem Spiel. Da bleibt keine Zeit für Humor, die uniforme Moderne kennt keine Gnade.
Ich liebe Chaplin. Das kann man mir nicht nehmen. Irritationen gab es schon in der Realschule. Mein guter Mathelehrer war entsetzt. „Der große Diktator“, ein Quatsch wäre das. Der konnte freihändig einen Kreis mit Kreide an die Tafel zeichnen, fand aber Charlie Chaplin albern – unglaublich. Dieser Lehrer trug einen Bart ähnlich dem jüdischen Friseur im Film, nur ein klein wenig breiter, mehr wie der Schwimmer Mark Spitz. Das hatten manche früher. Ich denke, ernsthafte Menschen suchen sich ein Podest, Büro oben oder so was. „Wenn du einen Schnurrbart hast, musst du dich immer noch rasieren“, wusste mein Vater. Das ist nicht komisch?
# Mein Weg war buchstäblich vorgezeichnet
Comics habe ich als Jugendlicher gelesen. Sie waren nicht modern. Schmidt wollte „Superman“ auf die Schippe nehmen, was misslang, Knatterton lief erfolgreich in Quick. Niemand sah darin eine Parodie. Aus der Morgenpost kannte man Willi Wacker, Dankwart und Blondie.
„Diese Woche muss ich noch mit zum Fußball.“
„Verstehe ich nicht.“
„Nächste Woche sind wir verheiratet.“
🙂